Expertin im Interview
Sandra Hochleitner: "Nachhaltigkeit ist jetzt eine harte Bewertungsgröße"

| Julia Weninger 
| 28.08.2025

Die Geschäftsführerin RESH Advisory, im Interview über die aktuelle Preissituation am Immobilienmarkt, unrealistische Preisvorstellungen von Eigentümer:innen, den Einfluss von ESG-Kriterien auf Bewertungen, Chancen und Risiken einzelner Assetklassen – und warum professionelle Gutachten teure Fehlentscheidungen verhindern können. 

Warum Sie jetzt wissen sollten, was ihre Immobilie wert ist? Der Immobilienmarkt ist im Wandel, die Bauleistungen gehen zurück, die Preise steigen, Wohnraum wird knapper, Wandel in der Arbeitswelt und Umbruch im Handel- Veränderungen an allen Fronten, die Bewertungen bzw. Neubewertungen daher umso wichtiger. Und was das alles mit Wäldern und Forsthütten zu tun hat, im Interview mit Sandra Hochleitner.

Wie bewerten Sie derzeit die Preissituation am Immobilienmarkt – sind wir näher an einer Bodenbildung oder einer weiteren Korrektur?
 
Ich denke wir haben den Boden in den meisten Marktsegmenten erreicht – Zwangsverwertungen natürlich ausgenommen. Die Zinsen sind wieder auf einem leistbaren Niveau, in den Transaktionsmarkt scheint wieder Bewegung zu kommen. Politische Unsicherheiten (Stichwort „Mietenstopp“) bremsen jedoch die Euphorie noch, aber auch mit diesem Risiko wird man lernen müssen umzugehen.
 
Viele Eigentümer klammern sich an frühere Preisvorstellungen – wie begegnen Sie unrealistischen Erwartungen in der Bewertungspraxis?
 
Steigende Zinsen haben zwar die Zahlungsbereitschaft potenzieller Käufer:innen gedrückt, der objektive Wert einer Immobilie ist dadurch aber nicht automatisch gesunken. Genau an diesem Punkt entsteht bzw. entstand eine Starre am Transaktionsmarkt: Verkaufende halten an alten Preisniveaus fest, während Kaufende aufgrund gestiegener Finanzierungskosten niedrigere Angebote abgeben oder auf Schnäppchen hoffen.

In der Bewertung bilden wir den Markt ab – nicht die einer kaufende oder verkaufende Person. Die Aufgabe der Gutachter besteht darin, über anerkannte Bewertungsverfahren – Vergleichs-, Sach- und Ertragswert – realistische Werte zu ermitteln und damit Klarheit zu schaffen, auch wenn Eigentümer:innen das Ergebnis manchmal nicht akzeptieren möchten. Am Ende zeigt sich der tatsächliche Preis erst im Verkauf, und der ist nicht zwingend mit einem objektivierten Wert gleichzusetzen, weil in den Preis auch subjektive Überlegungen der kaufenden Partei miteinfließen.
 
Wie stark beeinflussen ESG-Kriterien und energetische Sanierungsverpflichtungen den Wert einer Immobilie aktuell?
 
ESG, EU-Taxonomie und Energiekennzahlen setzen Maßstäbe dafür, ob eine Immobilie als nachhaltig eingestuft werden kann, und wirkt sich direkt auf Finanzierung und Marktchancen aus. Immobilien, die diese Standards nicht erfüllen, müssen mit deutlichen Wertabschlägen rechnen, während Objekte, die als nachhaltig gelten höhere Preise erzielen können. Nachhaltigkeit ist damit längst nicht mehr nur ein Imagefaktor, sondern eine harte Bewertungsgröße, die über Werterhalt oder Wertverlust entscheidet. Banken vergeben günstigere Kredite an Immobilien, die die Taxonomie- bzw. Nachhaltigkeits-Kriterien erfüllen, und auch Käufer:innen und Investor:innen ziehen entsprechende Auf- oder eher Abschläge in ihre Kalkulation ein.
 
Was sollten Eigentümer, Entwickler oder Investoren jetzt unbedingt beachten, wenn sie eine fundierte Immobilienbewertung anstreben?
 
Für Eigentümer:innen, Entwickler:innen und Investor:innen ist es entscheidend, bei einer Transaktion nicht nur auf Rechtsanwälte, Notar:innen und Steuerberater:innen zu vertrauen, sondern auch Bewerter einzubinden. Ihre Gutachten kosten im Vergleich zu den Summen, um die es geht, relativ wenig, können aber vor Fehleinschätzungen und teuren Fehlentscheidungen schützen. Ich empfehle außerdem, immer den Blick auf mögliche Sanierungspflichten zu richten, die sich aus der Taxonomie oder - weniger spezifisch - aus den ESG-Anforderungen ergeben. Nur so lassen sich realistische Marktwerte ermitteln und Risiken vermeiden, die entstehen, wenn man eine Immobilie emotional überhöht betrachtet oder von falschen Annahmen ausgeht.
 
Welche Assetklassen, dh welche Immobilienarten, werden auch in Zukunft weitere Wertsteigerungen erfahren und welche allenfalls stagnieren oder fallen? 
 
Mit Blick auf die Zukunft ist es vor allem der Wohnimmobilienmarkt, der Potenzial für Wertsteigerungen bietet. Demografische Entwicklungen, anhaltender Zuzug in die Städte und ein reduziertes Neubauvolumen sprechen dafür, dass Wohnungen auch künftig gefragt sein werden. Büroimmobilien sehe ich nach wie vor kritischer, da Remote Work und flexible Arbeitsmodelle die Nachfrage dauerhaft verändern. Objekte, die nicht „ESG-konform“ sind, riskieren zudem, in den kommenden Jahren erheblich an Wert zu verlieren oder schwerer vermiet- und verkaufbar zu werden. Während also nachhaltige Projekte Chancen auf stabile oder steigende Werte haben, müssen sich vor allem nicht sanierte Bestandsobjekte und Teile des Bürosegments auf Stagnation oder Rückgänge einstellen. Positiv ist der aktuelle Marktausblick auch auf unterschiedliche Formen des gewerblichen Wohnens („Short Stay“, betreutes Wohnen etc.), sowie in den Stadthotel- und Logistikmarkt.
 
Sie sind auch Expertin für forstwirtschaftliche Bewertungen, was sind hier die Besonderheiten?
 
Forstwirtschaftliche Bewertung führe ich ausschließlich in Zusammenarbeit mit einem Forstbüro durch. Für derartige Liegenschaften ist umfangreiches Know How erforderlich, was den Baumbestand sowie die Bewirtschaftung des Waldbestandes angeht. Meine Expertise liegt in der Bewertung der forstwirtschaftlichen Gebäude. Hier ist zu unterscheiden, ob die Objekte betriebsnotwendig oder drittverwendungsfähig sind, insbesondere wenn es um eine Bewertung eines Forstbetriebes geht. Forstgebäude sind oftmals in sehr einfacher Bauweise in teilweise exponierten Lagen zu finden, und gleichzeitig erreichen sie außergewöhnlich lange Nutzungsdauern. Auch Prestige-Objekte, wie besondere Jagdhäuser sind keine Ausnahmen in Forstbetrieben. Hierbei handelt es sich jedoch oft um Liebhaber-Objekte für die ein objektiver Verkehrswert sehr schwer zu ermitteln ist, bzw. ist die Nutzung der Jagdhäuser und -hütten auch meist an eine Jagd gekoppelt.

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