LEADERSNET-AEHRE-KOOPERATION
Mit Social Skills & Business-Gespür – "Feel-Good-Investments sehe ich eher skeptisch"

Das neue aehre Nachhaltigkeits-Businessmagazin ist da. Im Rahmen der Kooperation zwischen LEADERSNET und aehre dürfen sich die Leser:innen dieses Mal auf ein spannendes Interview mit dem Finanzexperten Leo von Bredow von der Fürst-Donnersmarck-Stiftung in Berlin freuen. 

LEADERSNET veröffentlicht nun regelmäßig Interviews, Porträts und Servicegeschichten von aehre. Dabei befasst sich das Nachhaltigkeits-Businessmagazin stets mit einem der zentralen Themen der Gegenwart: Nachhaltigkeit, in allen ihren Facetten von Environment über Social bis Governance. 

Nachdem es in der vergangenen Woche um die junge Wiener Company PUSH Ventures gegangen war, geht es dieses Mal um Leo von Bredow, der vom Banker zum Kapitalverwalter einer gemeinnützigen Stiftung in Berlin wurde. Leo von Bredow führt die Geschäfte der Fürst-Donnersmarck-Stiftung. aehre bat den Finanzexperten um seine persönliche Einschätzung von ESG und Sustainable Investments.

 

Interview von Uta Gruenberger

In den stürmischen Börsenjahren stand er als Banker 24/7 auf dem Gaspedal – die "Roaring Nineties" erlebte Leo von Bredow in London, Frankfurt und New York. Für einen französischen Immobilien-Großkonzern baute er als CEO in Frankfurt den Standort Deutschland aus und stieg nach der unverhofften Reflektionsklausur durch Corona als Geschäftsführer in die Fürst-Donnersmarck-Stiftung ein.  

In Berlin ist er nun seit 2021 für ein breit aufgestelltes Sozialunternehmen verantwortlich – mit über 650 Mitarbeitenden in einem renommierten neurologischen Rehabilitationszentrum, zwei barrierefreien Hotels sowie diversen weiteren Therapie- und Sozialeinrichtungen. Parallel ist er als Geschäftsführer für die Kapitalanlagen und Immobilien der Stiftung verantwortlich.

æhre: Social Impact bestimmt per se deinen Businessalltag. Wie gehst du als Kapitalverwalter vor? Stehen da die hehren grünen Fonds im Fokus?

Leo von Bredow: Als Geschäftsführer der Stiftung habe ich drei große Gebote zu erfüllen. Erstens erhalte und vermehre das Vermögen, damit wir, zweitens, den Stiftungszweck bestmöglich erfüllen können und das Ganze, drittens, für die Ewigkeit.

»Einheitliche Standards für die ESG-Bewertung stehen dringend an.« Leo von Bredow

Dieser langfristige Ansatz bedeutet im besten Sinn des Wortes Nachhaltigkeit – und in der Umsetzung rein konservative, sprich bewahrende Investments von höchster Bonität. Das sind dann die überall üblichen Klassiker wie Bundesanleihen, mit denen wir übrigens die Inflation schlagen müssen, um die jährlich benötigten, siebenstelligen Subventionen für die Sozialeinrichtungen der Stiftung zu erwirtschaften. Genauso gehen vermutlich die meisten Non-Profit-Organisationen vor.

æhre: Dann die Frage an dich als Privat­investor: Haben wir eine moralische Verpflichtung, in Sustainable Fonds zu gehen?

Bredow: Selbstverständlich ist es ein zeitgemäßer und richtiger Ansatz, bei Unternehmen nicht nur die rein finanzielle, sondern auch die ökologische und soziale Performance, also ESG-Kriterien zu erfassen. Allerdings halte ich es für schwierig, ethisch vorbildliche und nachhaltige, grüne Anlageprodukte eindeutig zu identifizieren. Im Zeitalter der Globalisierung findet sich bei fast jedem "unschuldigen" Produkt in der Lieferkette ein Element, das den Kriterien der Ethik und Sustainability nicht entspricht.

Ein Mikrochip wird sowohl in Beatmungsmaschinen als auch für Boden-Luft-Raketen eingesetzt. Und über die qualitativen ESG-Aspekte – die Definition von Nachhaltigkeit ebenso wie tadellose Governance – kann man sich erst recht vortrefflich streiten. Atomstrom ist in Frankreich wünschenswert, bei uns in Deutschland verpönt. Dann unterscheiden wir seit dem Ukrainekrieg plötzlich zwischen guter und böser Rüstungsindustrie. Auch die E-Autos sind definitiv hinterfragenswert, denn der Energieverbrauch für die Herstellung, der Raubbau von seltenen Erden in Drittländern und ebenso die Entsorgung der Batterien sind aktuell noch nicht nachhaltig.

æhre: Gibt es neutrale Bewertungsparameter?

Bredow: Was ESG und Sustainable Investing so verworren macht, ist der Umstand, dass es kein allgemeingültiges Rating, keine einheitlichen Standards für ESG-Kriterien gibt. So schneiden die Unternehmen in verschiedenen Ratings unterschiedlich gut ab. Und Firmen, die mehr Daten publizieren, erhalten schlicht aus diesem Grund bessere Ratings – wodurch größere Unternehmen bevorteilt werden. Dann sind beispielsweise die "hellgrünen" und "dunkelgrünen" Kriterien nach Artikel 8 und 9 für europäische ESG-Fonds so komplex angelegt, dass auch deren Überwachung eine richtige Herausforderung wird.

»Über tadellose Governance lässt sich vortrefflich streiten.« Leo von Bredow

Um es kurz zu machen: Sogenannte Feel-Good-Anlageprodukte, die behaupten, komplett nachhaltig zu sein, sehe ich grundsätzlich skeptisch. Aber sich Gedanken darüber zu machen, auf welche Weise die Unternehmen ihre Gewinne erzielen und welche Konsequenzen diese für die Welt haben, ist richtig und wichtig.

æhre: Welche Auswirkungen hatte oder hat das Ausrufen der ESG-Ziele in der Wirtschaft?

Bredow: Es ist in der Tat eine elementare Frage, was es langfristig für Folgen hat, wenn die Selektion für Geldanlagen ausschließlich in Richtung Clean Companys geht. Eine eher naheliegende Tendenz könnte nämlich sein, dass börsennotierte Unternehmen für ein besseres Rating einfach diejenigen Unternehmenssparten veräußern, die ihnen die ESG-Bilanz "versauen". Damit sind diese belastenden Aktivitäten allerdings in keinster Weise aus der Welt geschafft, sondern nur vom Radarschirm der Öffentlichkeit verschwunden. Wenn es uns wahrhaftig um eine bessere Wirtschaft geht, müssten wir konsequenterweise in die "schmutz­igsten" Unternehmen investieren, die die größten Anstrengungen machen, ihre ESG-Bilanz zu verbessern.© aehre/ Wolf Lux
Leo von Bredow hofft, dass die Big Brains nur noch zu nachhaltigen Unternehmen gehen © Wolf Lux

æhre: Man sagt, dass nachhaltig agierende Unternehmen langfristig auf jeden Fall eine bessere Performance bringen. Stimmt das?

Bredow: Meines Wissens gibt es bislang keine Studie, die das eindeutig beweist. Realistisch werden wir das wohl erst in einigen Jahren beurteilen können. Sicher ist, dass ESG-Fonds, die einem sogenannten "Sector Bias" unterliegen, überproportional in quasi saubere Bereiche investieren. So geschehen in den Jahren von 2017 bis 2021 – da sind Sustainable Fonds aufgrund der höheren Gewichtung in zum Beispiel Tech-Aktien sehr gut gelaufen und waren ein echtes Wachstumssegment im Markt. Aber als 2022 die Performance sank, gab es prompt auch höhere Outflows von Kapital und das Segment ist wieder geschrumpft. 2023 und nun 2024 hat sich das Ganze stabilisiert, und laut J.P. Morgan pendelte sich die in diesen Fonds verwaltete Geldmenge bei circa drei Trillionen (3.000 Milliarden) US-Dollar an sogenannten "Assets under Management" (AUM) ein. Das sind etwa 6 Prozent des gesamten Marktes und damit sind ESG-Fonds ein etablierter Bestandteil des Investment-­Uni­versums.

Meine private Meinung oder vielleicht auch nur mein Wunschdenken ist es, dass die "Brains" nur noch zu Arbeitgebern gehen, mit denen sie sich identifizieren können – dass also die nachhaltigen Unternehmen die engagierteren und reflektierten Talente für sich gewinnen können und dadurch langfristig besser abschneiden als die Konkurrenz. 

æhre: Macht ESG-Rating also Sinn, oder nicht?

Bredow: Kurze Antwort: Ja! Wir sollten uns nur bewusst sein, dass sie einen Kompromiss darstellen. Und bezüglich einheitlicher Standards, Transparenz und Monitoring sollten wir wohl einfach guter Hoffnung bleiben.  – 

Mehr zum Thema Nachhaltigkeit finden Sie im neuen Nachhaltigkeits-Businessmagazin aehre auf www.aehre.media und in der neuen Ausgabe.

aehre – das Nachhaltigkeits-Businessmagazin

Themen: Environmental-, Social- und Governance

Geschäftsführerinnen: Maria-Grazia Nordberg und Annabel Köle-Loebell

Gründung: März 2023

Praterstrasse 66/5

1020 Wien

Tel.: +43 1 890 44 06

Kontakt: hello@aehre.media

Homepage: www.aehre.media

aehre Expert:innen-Tipp

Wo die besten Recherchen, Analysen und ESG-Indexe zu finden sind 

Das New Yorker Finanzdienstleistungsunternehmen 
MSCI Inc. bietet zwar auch eigene nachhaltige Fonds in seinem Portfolio an. Jedoch gilt deren Plattform in der Börsen- und Bankenbranche als recht neutrale und hervorrangende Informationsquelle, wenn es um Recherche zu ESG-Investments, um Risikoanalysen und aktuelle Aktienindices geht – und zwar global wie europaweit. Für eine erste Orientierung im Carbon- und Climate-Investitionssektor siehe Research & Insights auf der Website von MSCI 
www.msci.com

Info zur Fürst Donnersmarck-Stiftung: www.fdst.de

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