Interview mit TSA-CEO Robert Tencl
"Wir müssen weg von der Doktrin, dass Unternehmen immer die Inflation der Belegschaft abzugelten haben"

Im LEADERSNET-Interview erklärt TSA-CEO Robert Tencl u.a., wie sich das Unternehmen zum weltweit führenden Hersteller von E-Motoren, Generatoren und Getrieben für Schienen- und Straßennutzfahrzeuge entwickeln konnte, weshalb der heimische Wirtschaftsstandort an Attraktivität verloren hat, wo die Unterschiede zwischen den Märkten China und USA liegen, wie TSA auf den Fachkräftemangel reagiert, welchen Stellenwert die Nachhaltigkeit einnimmt und mit welchen Innovationen man die Technologieführerschaft behalten will.

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Tencl, Traktionssysteme Austria (TSA) ist ein weltweit führender Anbieter für Spezialmotoren. Was macht Ihr Unternehmen so erfolgreich auf internationaler Ebene, und welche Faktoren haben dazu beigetragen, dass TSA als "Hidden Champion" gilt? Sehen Sie darin eher eine Stärke oder eine Herausforderung?

Robert Tencl: TSA hat sich in den letzten 25 Jahren zum weltweit führenden Hersteller von elektrischen Motoren, Generatoren und Getrieben für Schienen- und Straßennutzfahrzeuge etablieren können. Dies war nur möglich, weil wir uns voll und ganz auf das konzentriert haben, was wir am besten können. Zudem sind wir als "Hidden Champion" noch in einer Unternehmensgröße, wo uns unsere Kund:innen persönlich kennen und wodurch wir unsere Vorteile in Bezug auf Flexibilität und Zuverlässigkeit ausspielen können. Unsere Kund:innen können mich rund um die Uhr erreichen und wenn etwas ansteht, entscheiden wir direkt, pragmatisch und zuverlässig. Das hat sich in unserer Branche herumgesprochen. Unsere Kund:innen merken, dass sie es nicht mit einem übergroßen, gesichtslosen Konzern zu tun haben, sondern mit einem Partner, mit dem sogar Freundschaften über die Geschäftsbeziehung hinaus entstanden sind.

LEADERSNET: Wie wettbewerbsfähig ist der Wirtschaftsstandort Österreich im internationalen Vergleich? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für industrielle Hidden Champions in Europa?

Tencl: Österreich hat in den letzten Jahren aufgrund geopolitischer Entwicklungen stark an Attraktivität verloren. In den letzten drei Jahren sind unsere Lohnstückkosten um fast 30 Prozent gestiegen. Zwar konnten wir etwas bei Produktivitätsverbesserungen aufholen und teilweise auch Kostensteigerungen betreffend unsere Preise weitergeben, aber bei weitem nicht alles. Das macht uns durchaus zu schaffen. Hier brauchen wir rasch wieder mehr Vertrauen in den Wirtschaftsstandort, eine deutliche Reduktion der momentan drückenden Bürokratie in der Verwaltung, raschere Entscheidungen bei Behördenverfahren und – ich sage es ganz offen – eine gewisse Zurückhaltung bei künftigen Lohnabschlüssen. Wir müssen weg von der herrschenden Doktrin, dass Unternehmen immer die Inflation der eigenen Belegschaft abzugelten haben. Unsere internationalen Kund:innen verstehen das nicht und sind auch nicht bereit, dies zu tun.

LEADERSNET: In den letzten Jahren haben sich geopolitische Spannungen und wirtschaftliche Rivalitäten zwischen der EU, den USA und China verstärkt. Wie beeinflusst das TSA und die gesamte europäische Industrie? Welche Strategie verfolgen Sie, um in diesem Umfeld erfolgreich zu bleiben?

Tencl: Hier muss man klar zwischen China und den USA unterscheiden. China ist für unsere Produkte geschlossen und es zeichnet sich auch keine längerfristige Änderung gegenüber den letzten zehn Jahren ab. Im Gegenteil, chinesische Hersteller drängen verstärkt auf den für sie freien europäischen Markt. Hier ist es an der Politik, für Chancengleichheit zu sorgen. Oft haben chinesische Anbieter den "politischen Auftrag", in Europa Marktanteile zu holen. Sie werden dementsprechend vom Staat subventioniert. Bei Rohmaterialien haben sie klare Preis- und somit Wettbewerbsvorteile, da China über 80 Prozent aller Vorkommen an Seltenen Erden verfügt, die für die Herstellung von Hochleistungsmagneten gebraucht werden. Auch gelten in China andere gesetzliche Normen bezüglich Umweltschutzvorschriften oder soziale Standards. Dies gilt es bei Produktentscheidungen im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen verstärkt zu bewerten. In den USA haben wir ein gänzlich anderes Bild. Hier sind wir aufgrund unserer Fertigungsmöglichkeiten direkt vor Ort in der Lage, speziell für den amerikanischen Markt maßgeschneiderte Produkte anzubieten. Chinesische Hersteller wiederum sind derzeit de facto von Auftragsvergaben der öffentlichen Hand in infrastrukturkritischen Bereichen, wie etwa dem öffentlichen Verkehr, ausgeschlossen. Hier haben wir als europäisches Technologieunternehmen mit entsprechenden internationalen Partnerunternehmen durchaus einen Marktvorteil.

LEADERSNET: Der Fachkräftemangel ist ein drängendes Problem, insbesondere in technischen Berufen. Wie stark spüren Sie das bei TSA, und welche Lösungen sehen Sie? Setzen Sie verstärkt auf Ausbildung oder Internationalisierung?

Tencl: Nun, es ist leider Tatsache, dass wir immer schwerer an gut ausgebildete Fachkräfte und Absolvent:innen technischer Universitäten, speziell in der Forschung und Entwicklung, herankommen. Das ist aber kein spezifisch österreichisches Problem. Wir antworten auf diese Situation mit einer breiten Palette an Ausbildungsprogrammen im Rahmen unserer TSA-Akademie, einem attraktiven Paket an Benefits. Aber das Wichtigste: wir bieten einen sicheren Arbeitsplatz sowie eine interessante Tätigkeit in einer spannenden Branche, bei der auch der Spaß nicht zu kurz kommt. Nicht umsonst haben wir den Award für das "Humorvollste Unternehmen Österreichs" gewonnen.

Speziell im Bereich der Forschung und Entwicklung setzen wir zudem auf vernetzte, internationale "Engineering-Hubs". So haben wir etwa in unserem Tochterwerk in Indien ebenfalls gut ausgebildete Techniker:innen, die in unsere Produktentwicklungen integriert sind und mit unserem Team hier in Österreich gemeinsam arbeiten.

LEADERSNET: TSA ist ein Innovationsführer im Bereich elektrischer Antriebstechnologien. Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in Ihrer Entwicklung? Sehen Sie hier Chancen für den europäischen Markt, global eine Vorreiterrolle einzunehmen?

Tencl: Das Thema Nachhaltigkeit ist de facto in unserer DNA verankert. Unsere Produkte sind langlebig, was bedeutet, dass Motoren in Schienenfahrzeugen bis zu 40 Jahre in Betrieb sind. Weiters sind bis zu 97 Prozent der verarbeiteten Materialien recyclebar und tragen zu einer umweltfreundlichen Fortbewegung von Menschen und Waren bei.

Auch in der Unternehmensentwicklung nimmt das Thema Nachhaltigkeit einen breiten Raum ein. Beispielsweise werden 15 Prozent unserer Energie mithilfe einer Photovoltaikanlage direkt auf unserem Firmengelände produziert, und bei Heiz- und Prozesswärme sind wir komplett auf Fernwärme umgestiegen. Ich denke, dass wir hier zukünftig sehr gut aufgestellt sind.
Nachhaltigkeitskriterien finden zudem immer stärker auch Eingang in Bewertungskriterien bei öffentlichen Ausschreibungen, und da können europäische Hersteller gegenüber Mitbewerbern aus anderen Regionen der Welt durchaus einen Marktvorteil haben.

LEADERSNET: Viele Unternehmen denken über eine stärkere Rückverlagerung von Produktion nach Europa nach (Reshoring). Ist das auch für TSA ein Thema, oder sind globale Lieferketten für Ihr Geschäft unverzichtbar?

Tencl: Die Produktion unserer Elektroantriebe findet in Österreich statt. Mittlerweile haben wir das Headquarter in Wiener Neudorf auf drei Werke ausgebaut. Gemeinsam mit unserer verlängerten Produktion in Bosnien und Herzegowina sind das die einzigen Produktionsstätten.

Unsere internationalen Lieferketten sind über längere Zeit entwickelt und aufgebaut worden, die kann man auch so schnell nicht wieder verlagern. Zudem kommt, dass wir mit unserem Tochterunternehmen in Indien lokale Lieferanten und Partner gewinnen konnten, die vermehrt auch an den österreichischen Standort liefern. Weiters haben wir beispielsweise in den USA aufgrund des "Buy America Act" lokale Partner aufgebaut, um die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben bei bundesfinanzierten Aufträgen erfüllen zu können.

LEADERSNET: Wie sieht Ihre Wachstumsstrategie für die nächsten fünf bis zehn Jahre aus? Wo sehen Sie die größten Märkte und Chancen für TSA?

Tencl: Wir werden in unserem Kerngeschäft "Rail" um ungefähr vier bis fünf Prozent pro Jahr wachsen. Diese Sparte steht momentan für ca. 75 Prozent unseres Volumens. Der aktuell noch kleinere Bereich "Road" mit Elektromotoren für Straßennutzfahrzeuge wird in den nächsten Jahren definitiv ebenfalls weiter ansteigen. Hier vor allem im Bereich der Stadtbusse und der leichten Fahrzeuge im Nahverkehrsbereich. In den letzten zwei Jahren haben wir unsere Road-Aufträge beinahe verdoppelt. Geografisch ist natürlich Europa als Absatzmarkt trotz Wegfall des russischen Marktes dominierend, eine stark steigende Nachfrage bemerken wir jedoch auch in Indien, wo wir mit einem eigenen Werk vertreten sind.

LEADERSNET: Was treibt Sie persönlich als CEO an, und welche langfristige Vision haben Sie für TSA? Welche Meilensteine möchten Sie in den nächsten Jahren erreichen?

Tencl: Es macht mir auch nach 30 Jahren in diesem Unternehmen täglich Spaß, mich mit meinem Team auszutauschen und an neuen Ideen zu arbeiten. Wir wollen TSA als weltweit führenden Hersteller für elektrische Motoren, Generatoren und Getriebe im Bahnbereich und auf der Straße sowie das dazugehörende Service- und After-Sales-Geschäft mit innovativen Ideen ausbauen. Um diese Ziele zu erreichen, haben wir in unserer Strategieausrichtung bis 2030 zahlreiche Meilensteine festgesetzt. Dazu zählt, dass wir bis 2030 am Standort in Wiener Neudorf insgesamt 35 Millionen Euro investieren und diesen zur "TSA-City" ausbauen. Außerdem wird der Personalstand in den nächsten fünf Jahren um ca. 20 Prozent steigen.

www.tsa.at

Über Traktionssysteme Austria (TSA)

Traktionssysteme Austria mit Sitz in Wiener Neudorf ist laut eigenen Angaben der führende Hersteller elektromechanischer Antriebe für Schienen- und Straßennutzfahrzeuge. Mit über 60 Jahren Erfahrung und einem breiten Produktportfolio bietet man den Kunden individuelle Lösungen. Als Technologieführer sieht man sich als perfekter Partner für Betreiber und Hersteller von Schienen- und Straßennutzfahrzeugen weltweit.

"Unsere Lösungen machen Elektromobilität zuverlässiger, effizienter und leistungsfähiger", zeigt man sich beim Unternehmen überzeugt.

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