Es war ruhig um mich die letzten Wochen liebe Leserschaft, und das nicht ohne Grund: je nachdem aus welchem Blickwinkel man die Welt betrachtet, könnte man sagen, dass sich mystische, ja epische Dinge ereignet haben, die sich in dieser Konstellation so nur selten oder vielleicht auch nur "once in a lifetime" in dieser Art begeben können – oder man könnte auch einfach sagen, dass ich jetzt offiziell "alt" geworden bin. Ich für meinen Teil halte es nicht nur im Zweifelsfall ja immer gern mit der rosaroten Variante, allerdings habe ich wirklich kein Problem damit, die Dinge beim Namen zu nennen: ich bin jetzt 30.
Vollmond, Fake News und X-Faktor
Ja es ist wahr, ich habe mich am 14.September, als kleine Horoskophexe bezeichnenderweise zu einem Vollmond, wirklich und endgültig von meinen Zwanzigern verabschiedet. (Auch wenn ich nicht so aussehe, ha! – Sorry, der musste sein.) Und es hat gar nicht mal wehgetan!
Und das ich mich nicht vor Schmerzen winde ist so unüberraschend nicht, denn um die per se recht hübsche, runde Zahl "30" ranken sich ja besonders in Damenkreisen gar grausliche Mythen. Wo Männer angeblich erst "richtig gut" werden, da soll mein Geschlecht so langsam aber sicher seinen Marktwert verlieren, so heißt es. Und es wird noch schlimmer: wer jetzt noch nicht verlobt, verheiratet oder zumindest in einer mehr oder weniger stabilen, in jedem Fall aber auf Social Media gut affichierten und perfekt in Szene gesetzten Beziehung lebt, der kann sich gleich "alte Jungfer" tätowieren lassen und ein Crazy-Cat-Lady-Abo abschließen.
Wenn das so ist, hätte ich wohl auf meinen ersten Freund hören sollen, der schon mit 19 Jahren orakelte, dass er mit 30 –ich zitiere –"innerlich tot" sein würde. Was auch immer das heißen mag, unterm Strich hatte offenbar sogar er keine allzu hohe Meinung von den Dreißigern. Einige Freundinnen von mir hatten oder haben so ihre Themen mit diesem ominösen Geburtstag und jetzt habe ich selbst die Schwelle zu unbekanntem Terrain überschritten und fühle mich ein bisschen wie Jonathan Frakes bei X-Factor wenn ich mich frage: ist es wahr, was man sich über die 30er erzählt, oder handelt es sich vielleicht doch nur um Fake News?

Barbie Girl und ihr Traum vom Leben
Schon Fran Drescher in "The Nanny" wurde konsequent mehrere Jahre in Folge 29, und ich, sowohl die Serie als auch die Schauspielerin vergötternd, hatte vor ein paar Jahren scherzhaft überlegt es ihr gleichzutun, mich der dunklen 3 vor meiner Doppelziffer zu verweigern und ewig 29 zu bleiben. Denn seien wir uns ehrlich: irgendwie gelten die Dreißiger für viele Frauen ja als der "Anfang vom Ende" und überhaupt ziemlich "pfui". Lange hab ich nicht viel darüber nachgedacht wie mein Leben so sein würde, mit 30. Noch vor gar nicht allzu langer Zeit schien er noch in so weiter Ferne. War es nicht erst gestern, dass ich in der Volksschule zu "Barbie Girl" von Aqua im Kassettenrekorder tanzte? (No judgment für meinen Serien- und/oder Musikgeschmack bitte, ich schätze kultivierten 90ies-Trash.)

Als unverbesserliche Romantikerin war ich schon in sehr jungen Jahren davon ausgegangen, dass das Leben für mich mit 30 gewisse "Rahmenbedingungen" erfüllen würde, dass ich viele "Meilensteine" bereits erreicht haben würde. "Mocht ma hoit so, gö?". Die Liebe des Lebens hat man da doch bestimmt schon gefunden, genauso wie den Traumjob und die tolle Karriere die Weltreisen und das Malibu-Barbie-Traumhaus und hm, eigentlich iwäre damit eh schon so gut wie jedes Life-Goal abgehakt. Huch.
Schrödinger's Geburtstag
Aber jetzt ist alles anders. Jetzt, wo ich quasi kurz davor bin, mich in staubige Partikel aufzulösen, darf ich in meinem Schrödinger'schen Zustand noch schnell klugscheißen bevor ich runzlig und für meine Umwelt schließlich unsichtbar werde. Mit nicht ganz so taufrischen 30, nachdem ich über Nacht in einer Mischung aus Weisheit und Anti-Falten-Creme gebadet habe, kenn ich mich endlich aus. Da meine faltigen Fingerchen dank meiner altersbedingten Erfahrungswerte für ein renommiertes Wirtschaftsmedium tippseln, ergreife ich die Chance nun aus dem Nähkästchen plaudern und verraten, wie das so ist, in meinem neuen Leben. Quasi als mein Vermächtnis. Jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, wird es mir nämlich erst so richtig bewusst: geht man nach dem Märchen, so bin ich quasi der wandelnde Alptraum: eine 30jährige Frau ohne Kerl aber mit –zumindest schriftlich – großer Klappe.
Wer sich noch auf der sine-Kerl-Sache aufhängt, dem sei gesagt: dafür aber mit Karriere und Kolumne und einem platzenden Kleiderschrank. Moment, das kommt mir bekannt vor. Sex and the City, anyone?

Nun aber Scherz beiseite. Tatsächlich habe ich vorsorglich beschlossen, es mir zu meinem Geburtstag gut gehen zu lassen, und zwar nicht (nur) weil ich mir nicht sicher sein konnte, welche Art der Ageism-Apokalypse sich meinem Ehrentag auf den Fersen heften könnte. Darum habe ich mir Urlaub genommen und war an dem für mich unbestritten schönsten Fleckchen Erde das man sich vorstellen kann: an der Côte d'Azur. Ein paar Tage alleine, ein paar Tage mit besonderen Menschen habe ich viel Zeit zum Entspannen, jede Menge Rosé Trinken und vor allem zum Nachdenken, Sinnieren und Philosophieren in der Sonne gehabt. Und das ist dabei herausgekommen:
Harter Stoff brennt gut
30 Jahre alt werden ist harter Stoff. Wirklich. Für mich zumindest, denn sowas passiert nicht einfach über Nacht, auch nicht in Frankreich, wo ja angeblich Gott wohnen soll, der ja Wunder wirken kann. Oder so. Nein, 30 Jahre wird man nur wenn man jedes dieser Jahre auch lebt. Und ich habe die letzten 30 Jahre damit verbracht, Pingpong mit Gedanken zu spielen, Träume zu spinnen, alternierend für etwas zu brennen und dann wieder auf Sparflamme zu schalten, zu rennen bis ich außer Atem war, still zu stehen, mich im Kreis zu drehen, laut zu lachen und still zu weinen, zu lernen und zu lesen, zu zeichnen und zu radieren, zu warten und vorzupreschen, zu fragen und zu wissen, mal bäuchlings ins kalte Wasser zu springen und dann nichtmal den kleinen Zeh ins lauwarme Wasser zu strecken, zu schweigen und aufzubegehren, zu suchen und zu finden, zu inspirieren und mich inspirieren zu lassen, an Dingen festzuhalten und schließlich loszulassen, zu zweifeln und zu vertrauen, zu leben und zu lieben.
Manches davon machte und macht bis heute mal mehr, mal weniger Sinn, mal verstehe ich alle um mich herum und nur mich selbst nicht, mal sind meine Worte klar und leicht bekömmlich und dann verwischt ihre Bedeutung wie Nebel, in der Hoffnung dass sie doch ankommen und ihre Botschaft wie ein kleines Pflänzchen Wurzeln schlagen und wachsen darf.
Stichwort Wachsen: 30 oder 3 Jahre alt, ich bin nach wie vor in einem Wachstumsprozess und kann heute wie selten zuvor aus tiefstem Herzen dankbar für ihn sein, ebenso wie dafür, dass die junge Frau im Spiegel gestern wie heute und auch morgen fleißig weiter Stoff sammelt um ihn zu Geschichten zu verweben, für die sie brennt und die sie mit anderen teilen kann. Und der eine oder die andere, der meine Zeilen aufmerksam liest, erkennt sich vielleicht wieder, nimmt eine Botschaft für sich auf und schickt ein Zeichen zurück, dass sie angekommen ist. So wie ich, heimlich, still und leise, mit 30 bei mir selbst angekommen bin: im zu genießenden Moment, der schließlich alles ist, was wir je wirklich haben – und bei meinem ewigen Hochseilakt zwischen dem Kopf in den Wolken, mal mehr und mal weniger trockenen business matters, magischen Momenten und pretty, pretty deep shit.
30 Jahre sind 30 Jahre Leben, und niemand sagt es so wie die Franzosen: La vie est belle, meine Lieben: das Leben ist schön. Gott sei Dank ist mein Leben mit 30 noch nicht vorbei und ich habe noch nicht alles abgehakt. Gott sei Dank ist da noch mehr. Kleiner Teaser: ich habe noch viele Ziele, Pläne,Träume, Hoffnungen und Wünsche, an deren Erfüllung ich gerade arbeite – manche alt, manche neu. Auf ein schönes neues Lebensjahr und noch viele Kolumnen mit euch!

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