Wiesbauer-CEO Thomas Schmiedbauer im Interview
"Ich kämpfe für die Wertschätzung des Lebensmittels"

| Wolfgang Zechner 
| 29.05.2025

Thomas Schmiedbauer, Geschäftsführer des Wiener Wurstproduzenten Wiesbauer, spricht im großen KEYaccount-Interview über die Marktmechanismen im Lebensmitteleinzelhandel, die Herausforderungen für die Branche und warum er trotz Dauerkrise nicht in vegane Produkte investiert. Ein Gespräch über Haltung, Markenwert – und Käsekrainer mit Charakter.


KEYaccount: Wie hat sich die wirtschaftliche Lage für die Fleisch- und Wurstbranche zuletzt entwickelt?

Thomas Schmiedbauer: Die Rahmenbedingungen sind nach wie vor schwierig – für die Lebensmittelbranche insgesamt, aber auch ganz konkret für uns als produzierenden Betrieb. Die Energiepreise, die Rohstoffe, die Instandhaltungskosten, das Personal – alles ist teurer geworden. Wir haben heute Instandhaltungskosten von rund sechs Millionen Euro jährlich, früher waren es zwei bis drei. Die Löhne sind in drei Jahren um über 20 Prozent gestiegen, heuer kommen weitere Erhöhungen hinzu. Aber: Wir bekommen seit Jahren keine allgemeinen Preisanpassungen durchgesetzt.

KEYaccount: Keine Preisanpassungen – trotz dieser massiven Teuerungen?

Schmiedbauer: Genau. Die letzte signifikante Preiserhöhung war im April 2021. Das ist in dieser Inflationsphase Wahnsinn. Unsere Branche wird von den großen Handelsketten bei den Preisen kurzgehalten. Gleichzeitig werden von uns Nachhaltigkeit, Tierwohl und Qualität verlangt – zu Dumpingpreisen.

KEYaccount: Wie lange kann ein Unternehmen das durchhalten?

Schmiedbauer: Man sieht ja, was passiert. Traditionsbetriebe verschwinden oder geraten massiv unter Druck. Und es geht nicht immer um unternehmerische Fehler – es ist oft einfach das System. Ich verlange keine Preiserhöhungen, weil ich ein größeres Auto fahren will, sondern weil wir gestiegene Kosten abbilden müssen und weiterhin in gute Mitarbeiter:innen investieren müssen. Rindfleisch ist etwa so teuer geworden, dass viele Kollegen es bereits aus ihren Rezepturen streichen. Ich habe da bewusst nicht mitgemacht. In unserem Kernprodukt Bergsteiger wird auch weiterhin ein hoher Anteil Rindfleisch verarbeitet. Da gibt es keine Kompromisse.

KEYaccount: Gibt es denn Marktteilnehmer, die die Preise aktiv unterbieten?

Schmiedbauer: Leider, ja. Es gibt große Player, die entweder quer finanzieren oder sich mit aggressiven Preisen Marktanteile sichern wollen, um so Fixkosten zu reduzieren. Das schadet dem Wettbewerb. Wenn zwei, drei große Anbieter mit Unterpreisstrategien agieren, warum sollte der Handel dann von der restlichen Branche eine Preiserhöhung akzeptieren?

KEYaccount: Wiesbauer hat sich dennoch wirtschaftlich stabil gezeigt – ohne "Umsatz um jeden Preis", wie Sie gerne betonen.

Schmiedbauer: Richtig. Wir könnten locker wesentlich mehr Umsatz machen, wenn wir bei den Preisen mitgehen würden. Aber das ist nicht unser Weg. Ich kämpfe für die Wertschätzung des Lebensmittels. Wir wollen hochwertige Produkte produzieren, die halten, was sie versprechen. Wer Schinken mit echtem Tierwohl und echter Nachhaltigkeit will, muss dafür auch einen vernünftigen Preis zahlen. Das wäre auch nicht plausibel erklärbar!

KEYaccount: Bedeutet das auch: Sie können es sich leisten, Aufträge abzulehnen?

Schmiedbauer: Bis zu einem gewissen Grad, ja. Unsere Marke Bergsteiger ist über Jahrzehnte gewachsen. Bei neuen Produkten sind wir nicht angewiesen, jeden Preisnachlass zu akzeptieren, da geht es schon auch darum, dass der Handelskunde mit unserer Marke Geld verdient. Daher ist es legitim, dass auch wir mehr als eine Kostendeckung verlangen. Wir setzen bewusst nicht auf Preiskampf, sondern auf Produktqualität und Partnerschaften.

KEYaccount: Zum Beispiel mit der Berglandmilch?

Schmiedbauer: Genau. Die Kooperation mit Schärdinger war ein Meilenstein. Zwei starke Marken, zwei Produkte mit Charakter: unsere Wurst und der Bergbaron-Käse. Die „Bergsteiger mit Bergbaron" hebt sich klar vom Markt ab – visuell wie geschmacklich. Das kann kein anderer nachbauen – die Marken sind einzigartig. Hier stecken echtes Handwerk und eine gemeinsame Markenstrategie dahinter. Mit dem Wiener Unternehmen Wojnar's haben wir in den vergangenen Wochen zwei weitere für den Lebensmittelhandel chancenreiche und lukrative Artikel vorgestellt. Das Konzept ist sehr ähnlich.

KEYaccount: Welche Rolle spielt eigentlich der Export für Wiesbauer?

Schmiedbauer: Wir exportieren etwa 50 Prozent, hauptsächlich nach Deutschland. Dort haben wir seit 25 Jahren kontinuierlich aufgebaut. Interessanterweise ist der deutsche Handel in den vergangenen Jahren wertschätzender geworden – anders als in Österreich, wo die Konzentration bei wenigen Ketten den Druck verschärft hat. Aber neue Märkte wie China oder die USA? Das ist nicht unsere Welt. Da wartet niemand auf eine Dauerwurst um neun Euro pro Kilo.

KEYaccount: Und Alternativen zum Fleisch? Vegan oder vegetarisch?

Thomas Schmiedbauer: Ich sage es offen: Das ist nicht unser Thema. Wir haben viel getestet, aber geschmacklich hat uns nichts überzeugt. Wir machen Wurst – mit Leidenschaft. Ich will kein Produkt verkaufen, das künstlich wirkt oder nicht schmeckt. Unsere Marke steht für Authentizität, nicht für Trends. Und: Eine „fleischlose Fleischwurst" ist für mich ein Widerspruch in sich.

KEYaccount: Das klingt nach klarer Haltung.

Schmiedbauer: Ja. Ich bin Unternehmer mit Überzeugung. Ich brauche Sinn in dem, was ich tue.

KEYaccount: Kommen wir zur Politik. Was erwarten Sie sich von der neuen Regierung?

Schmiedbauer: Vor allem eines: weniger Bürokratie. Das ist das größte Hemmnis für Unternehmen in Europa. Wir beschäftigen heute ganze Abteilungen mit Qualitäts- und Nachhaltigkeitsberichten, die niemand liest, die aber gesetzlich verlangt und geprüft werden. Das kostet uns jährlich sehr viel Geld, das woanders sehr viel effizienter und besser eingesetzt wäre. Wir müssen uns wieder auf das Wesentliche konzentrieren dürfen: gute Produkte herstellen.

KEYaccount: Letzte Frage: Wie ist das Jahr 2025 bisher für Wiesbauer gelaufen?

Schmiedbauer: Wir liegen aktuell fast exakt auf Vorjahresniveau – beim Umsatz, beim Absatz, bei der Tonnage. In der Gastronomie konnten wir ein bisschen zulegen. Aber die Rahmenbedingungen bleiben schwierig.

www.wiesbauer.at

Kommentar veröffentlichen

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV