Ein sehr heikles Thema lässt die Wogen unter italienischen Weinproduzent:innen dieser Tage besonders hoch gehen: der Entscheid Irlands, künftig Warnhinweise auf Weinflaschen und Behältnissen für andere alkoholische Getränke anbringen zu wollen. Für die Tabakindustrie – eine der am strengsten reglementierten Branchen – ein alter Hut, und die Erinnerungen an Zigarettenschachteln ohne Warnbilder und -hinweise verblassen bereits. Doch mit dem Beispiel Irland tritt ein schon lang vorhergesehener Umstand ein, nämlich, dass die strengen Regulative der Tabakindustrie anderen Bereichen als Vorbild dienen und sich schleichend auf andere Konsumgüter ausweiten – Stichwort Slippery Slope.
Bevormundung der Bevölkerung
Dabei stehen nicht nur Tabakprodukte oder alkoholische Getränke im Zentrum des Interesses, auch Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett-, und/oder Salzgehalt rücken immer mehr in den Fokus globaler Regulierungstendenzen. Sie sind teilweise bereits höher besteuert und auch hier werden Warnhinweise diskutiert, was eine immer stärkere Bevormundung der Bevölkerung mit sich bringt. Natürlich wurde der aktuelle Anlass auch bei uns dazu genutzt, das Thema Zuckersteuer einmal mehr aus der Schublade zu holen. Ob uns das schmecken wird?
Die aktuelle Entscheidung Irlands hat – wie bereits erwähnt – nicht nur, aber vor allem, die italienischen Weinproduzent:innen auf den Plan gerufen. Die Präsidentin des Verbandes der italienischen Weinproduzenten bezeichnete die Regelung als "einseitig, diskriminierend und unverhältnismäßig". Die Verordnung sieht vor, auf alkoholischen Getränken Warnhinweise über den Zusammenhang zwischen Alkohol und dem Risiko von Krebs und Lebererkrankungen anzubringen. Auf diesem Gebiet ist Irland aber längst nicht mehr alleine, in Ländern wie der Türkei, Thailand oder Kenia sind Warnhinweise auf alkoholischen Getränken längst Usus.
Eigenverantwortung abgesprochen
Der Punkt ist – und hier kann ich im Bereich der Tabakindustrie mehr als nur aus dem Nähkästchen plaudern –, was als (kleiner) Warnhinweis beginnt, kann mit der Zeit das gesamte Packungsdesign in Beschlag nehmen und bestimmen. In Australien etwa gipfelte dies in einer Plain-Packaging-Bestimmung, also dem gänzlichen Fehlen von gestalterischen Elementen auf der Verpackung. Das ist aber noch nicht alles: Es gibt Länder, in denen Tabakwaren Plain Packaging haben und zusätzlich – im lizensierten Handel – die Waren nicht mehr in Regalen gezeigt werden dürfen. Was nebenbei Fälschern und Betrügern das Leben immens erleichtert hat. Für die Konsument:innen machen solche Auswüchse das Leben aber meist nur komplizierter, und in vielen Ländern führte dies dann nicht einmal ansatzweise zum angestrebten Ziel, also einer Reduktion des Konsums des Genussmittels. Dem Gesetzgeber fällt dann aber auch nichts Besseres ein, als es mit noch strikteren Regeln zu versuchen. Anstatt nach dem Prinzip der "Better Regulation" zu schauen, welche Regulierung aufgrund ihrer Wirkungslosigkeit wieder abgeschafft werden könnte, wird einfach eine neue draufgesattelt. Der für mich schlimmste Aspekt daran: Es wird einem defacto das Wichtigste abgesprochen, nämlich die Eigenverantwortung.
Für mich persönlich, das werden Sie inzwischen bemerkt haben, ist das ein in jeder Hinsicht sehr emotionales Thema! Wo endet die Verantwortung des Staates und wie weit soll die Freiheit und Eigenverantwortung des oder der einzelnen beschränkt werden dürfen? Sollte nicht viel eher auf Information und Selbstbestimmung gesetzt werden? Gut informierte und kritische Bürger:innen können und wollen eigene Entscheidungen treffen, darüber, ob und wieviel sie trinken, wie sie sich generell ernähren, ob, wieviel und welchen Sport sie ausüben wollen – die Bandbreite ist groß und potenziell gefährlich. Sie deshalb nieder zu regulieren halte ich als mündiger Mensch aber einfach für nicht angebracht.
Tod der eigenen Verantwortung
Wir haben in Krisenzeiten gesehen was passiert, wenn wir den Bürger:innen ihre Eigenverantwortung absprechen und daraus – wie in den COVID Zeiten oder jetzt in der Wirtschaftskrise – eine Anspruchshaltung gegenüber dem Staat entsteht. Das kann und soll der Staat nicht erfüllen!
Wir haben in unserer 239-jährigen Unternehmensgeschichte vieles gesehen und noch lachen wir über die skurrile (aber von der Realität nicht so weit entfernte) Legende, die zu einem Warnhinweis auf U.S.-amerikanischen Mikrowellen geführt haben soll, wonach diese nicht zum Trocknen von Haustieren geeignet seien. Wenn wir aber demnächst auf einem Buchrücken "Achtung, Buch enthält gewalttätige Szenen und Schimpfwörter" lesen können, dann wird uns das Lachen womöglich im Halse stecken bleiben und ganz nebenbei töten wir damit die eigene Verantwortung, Kreativität und damit den Fortschritt.
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