Am Mittwoch fand das alljährliche Tiroler Wirtschaftsforum im Congress Innsbruck statt. Dieses Jahr bot die Tagung, die wichtige Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik verein, dem Spitzenforscher Josef Penninger, der im Bereich Life Sciences forscht, um den immer älter werdenden Menschen ein schönes Leben zu bereiten, und dem CEO von Roche, Severin Schwan, der die Medikamente dazu liefert, eine Bühne.
Warum es doch auf die Größe ankommt
"In unserer Branche, den Life Sciences, kann keiner ohne den anderen", erklärte der CEO der Roche-Gruppe am Podium und führte weiter aus: "Es braucht Top-Universitäten, Start-ups, Finanziers und auch große Unternehmen." Jeder sei abhängig vom anderen. "Hier umso mehr", denn was Österreich im Gegensatz zu Top-Standorten wie den USA oder China fehle, sei die Größe. Schwan wünscht sich daher, dass die öffentliche Hand ihr gesamtes Geld in die Grundlagenforschung an den Universitäten steckt", denn "the winner takes it all". Derzeit bekomme aber jeder ein bisschen: "Das ist fein, wir sind alle freundlich und jeder kriegt etwas. Das ist aber kein Rezept für Spitzenleistung."
Um Spitzenleistung geht es auch Josef Penninger, dem Direktor des Life Science Institute der University of British Columbia in Vancouver: der gebürtige Österreicher lobt seine Ausbildung in seinem Heimatland, stimmte Schwan aber zu: er selbst habe immer viel Geld auf wenige Spitzenforscher aufgeteilt. Mittlerweile sei Vieles möglich: "Wir können Gene lesen und Gene aktiv verändern. Wir können die biologische Zeit zurückdrehen, mit Stammzellen menschliche Organe nachbauen und dadurch auch Krankheiten erklären und Medikamente entwickeln", erklärte Penninger.
Mäuse und die Forschung für ein schönes Leben
Der Mensch sei nicht dazu gemacht, 90, 95 oder gar 100 Jahre alt zu werden. Typische Alterserkrankungen wie Demenz, Arthrosen, Krebs oder Diabetes sollen in Zukunft einem langen, schönen Leben nicht mehr im Wege stehen: "Wir forschen für ein schönes Leben", so Penninger, der am Beispiel Diabetes den Erfolg seiner Forschung erklärte. Ein Hauptproblem der Krankheit sei die schlechte Wundheilung durch die Veränderung der Blutgefäße. Seit menschliche Blutgefäße aus Stammzellen "gezüchtet" und in Mäuse eingepflanzt wurden, könnten Medikamente entwickelt werden.
Die Entwicklung von Medikamenten müsse jedoch "in langen Zyklen gedacht werden", so Schwan. Es dauere zehn bis 15 Jahre, bis ein Medikament entwickelt ist, und: "Nur zehn Prozent aller entwickelten Medikamente kommen überhaupt beim Menschen an." Doch es brauche nicht nur Geld für Grundlagenforschung, sondern auch Geld durch Investments.
Investments für die Reise über das "Tal des Todes"
Einer dieser Financiers in Pharmaforschung ist Hubert Birner, Managing Partner von TVM Capital. Seine Investmentfirma istaktuell besonders im kanadischen Quebec aktiv. Dort investiert er in Start-ups und Hochrisikofirmen im Life-Science-Bereich. Die Forschung in der Pharmaindustrie werde gerade zurückgefahren, meint Birner und betont, dass es umso wichtiger sei, innovative Start-ups über das so genannte "Tal des Todes" zu finanzieren – also die Spanne zwischen Tierversuchen und klinischen Studien.
TVM Capital geht nach strengen Richtlinien vor, so wird nach vier Jahren in jedem Fall verkauft. Das "Modell Quebec", also die Förderung der Life-Science-Branche, um weniger abhängig von traditioneller Industrie zu sein, hält er auch in Tirol für möglich. "Auch hier gibt es ein aktives Umfeld, akademische Institute, starke Unternehmen." Auch Schwan sieht in Tirol durchaus Potenzial. Er verweist auf die Biotech-Firma Vir Therapeutics, die der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim im September 2018 um 210 Millionen gekauft hat. Die Zukunft liegt für Schwan auch im Gesundheitswesen in der Digitalisierung. Denn was dem einen hilft, kann dem anderen wenig bis nichts nützen. Krankheiten seien unterschiedlich und Medikamente wirkten bei jedem Menschen anders.
Die Ethikfrage
Die Digitalisierung der Gesundheitswelt sei eine große Chance, neue und wirkungsvolle Medikamente zu entwickeln, "um länger zu leben und gesünder alt zu werden". So erklärte Penninger, das wenn Patientenakten vernetzt und ausgewertet werden, dann wäre das vergleichbar mit einer klinischen Studie mit sehr vielen Personen sein könnte.
Auch Birner sieht große Vorteile der Digitalisierung für die Life Sciences. So könnten beispielsweise Krebspatienten mit Apps beobachtet werden und deren Gesundheitsdaten mit anderen Daten verglichen werden. Die daraus gewonnenen Daten könnten wiederum zu neuen Erkenntnissen führen. Doch spätestens jetzt sollten die Alarmglücken bei Datenschützern klingeln. Wo bleibt der Datenschutz, wo die Ethik bei dieser Zukunftsmusik?
Darauf antwortete Spitzenforscher Penninger, dass es sich bei medizinischer Forschung immer um ein "Grenzgebiet" handle und ergänzte:"Oft kapieren wir zuerst gar nicht, was möglich ist." Roche-CEO Schwan äußerte sich vorsichtiger und meinte: "Ich lasse mich überraschen, was die Zukunft bringt."
Eindrücke des Tiroler Wirtschaftsforum 2019 im Congress Innsbruck finden Sie in unserer Fotogalerie. (red)
www.tiroler-wirtschaftsforum.at