"Das große Drama für Schanigärten kommt 2021"

Dobcak, Obmann der Fachgruppe Gastronomie WKW, im exklusiven Interview über die Zukunft der Wiener Gastronomie, Preiserhöhungen von mindestens 25 Prozent, bürokratische Hürden und warum Geiz nicht mehr geil ist.

Die österreichische Kulinarik gehört zu den weltbesten. So vielfältig und individuell wie die Gäste in der Bundeshauptstadt präsentiert sich auch die Wiener Gastronomielandschaft. Überregulierung und Kontrollwahn seitens des Gesetzgebers  hindern die Gastronomen in Wien aber daran, ihr wahres Potential ausschöpfen zu können. Welche Herausforderungen hat die Branche zu meistern und wo geht die Reise hin? Peter Dobcak, Obmann der Fachgruppe Gastronomie Wirtschaftkammer Wien, stand LEADERSNET Rede und Antwort.

LEADERSNET: Wie steht es um Wien als Hotspot für Gastronomie und Tourismus?

Dobcak: Der innovative aber doch behutsame Umgang mit unserem Kulturerbe beschert Wien laufend neue Nächtigungsrekorde. Die große Vielfalt an gastronomischen Konzepten vom weltbekannten Wiener Würstelstand über die österreichischen Küche bis zur typischen Wiener Küche, ob neu interpretiert oder nach alten Rezepten, trägt wesentlich zum touristischen Erfolg dieser Stadt bei.

LEADERSNET: Aufsehen erregte die Fachgruppe Gastronomie der WKW als sie forderte, die Gastronomiepreise in Österreich um 25 bis 30 Prozent anzuheben. Waren die miserablen Gewinnspannen Ursache für die erstaunliche Forderung?

Dobcak: Die Gewinnspannen waren nicht immer miserabel. Anders wäre die im Verhältnis zu Fläche und Einwohnerzahl sehr hohe Anzahl an Gastronomiebetrieben sowohl in Wien als auch in Österreich nicht zu erklären. Die sich radikal verändernden Rahmenbedingungen auf der Kostenseite hat die Spannen dramatisch sinken lassen. Wir arbeiten derzeit mit einer Gewinnspanne von 0, ich wiederhole Null, bis 8%. Sehr straff geführte Betriebe etwas darüber. Um kostendeckend arbeiten zu können und trotzdem einen dem Arbeitseinsatz entsprechenden Gewinn zu machen, ist am Ende eine Preiserhöhung um mindestens 25% notwendig oder die Kostenbelastung wird seitens des Gesetzgebers verringert.

LEADERSNET: Welches Echo ist da wohl von den Kunden und Gästen zu erwarten?

Dobcak: Auf einen Schlag die Preise derart zu erhöhen, ist dem Gast nicht zumutbar, das ist klar. Eine Erhöhung in mehreren Schritten über die nächsten Jahre wird wohl der richtige Weg sein. Diesen Weg einzuschlagen ist für den nachhaltigen Erhalt der Branche eine Überlebensfrage.

LEADERSNET: Kann überhaupt eine branchenspezifische Solidarität für eine generelle Regelung erwartet werden?

Dobcak: Wenn Sie so direkt fragen, dann lautet die Antwort „nein“. Erstens sind Preisabsprachen verboten, zweitens sind Gastronomen Einzelkämpfer, die, ganz Unternehmer, gewohnt sind auftretende Herausforderungen selbst zu lösen. Dass es gemeinsam oft leichter wäre, wird nicht immer genügend und vor allem rechtzeitig erkannt.

LEADERSNET: Vom Wiener Beisl bis zum exklusiven Gourmet-Restaurant bietet Wien Genießern aus aller Welt Spitzenleistungen im Tourismus und der Gastronomie. Sind hier besondere Entwicklungen vermerkbar bzw. welche Erfolgsszenarien werden angestrebt?

Dobcak: Die Bekenntnis zur Top-Qualität bei Lebensmitteln, gepaart mit hervorragender Ausbildung ist eine klar erkennbare Entwicklung, die am Ende das Ergebnis ausmachen. Egal welches gastronomische Konzept dann realisiert wird. Es ist unser aller Aufgabe dem Gast die redlich verdiente Wertschätzung für diese Leistung abzuverlangen. Ich sage das bewußt so, denn viele Gäste haben keine Ahnung, welcher Aufwand notwendig ist um jene Qualität zu liefern, die zu Recht erwartet wird. Aber dann erwarten wir auch zu Recht den angebrachten Respekt und eben besagte Wertschätzung. Erfolgsszenario sind zufriedene Gäste, die ihre Gastronomen über den bezahlten Preis und durch Anerkennung wertschätzen.

LEADERSNET: Machen auch bürokratische Hürden bei der positiven Entwicklung der Branche Probleme?

Dobcak: Überregulierung und Kontrollwahn seitens des Gesetzgebers, exekutiert durch die Behörden, sind das Haupthindernis für eine blühende Gastronomie. Machen wir keinen Fehler, nur weil immer wieder tolle Lokale eröffnen, heißt das noch lange nicht, dass es der Branche gut geht. Diese beiden Faktoren sind der Grund warum die Branche in Wien niemals ihr wahres Potential erreichen kann. Ich möchte gar nicht damit beginnen, was gastronomisch alles möglich wäre, gäbe es diesbezüglich mehr Freiheiten. Leider leben wir in einem Land, das eher von Verboten geprägt ist, als von kreativer Freiheit.

LEADERSNET: Ein vielfältiges Bild vermitteln die Wiener Bezirke, was kann zu einer Belebung dieser Wohn- und Kulturstätten beitragen?

Dobcak: Auf der Wiener Innenstadt, als kulturelles Zentrum von Wien, liegt auch ein besonderer gastronomischer Nutzungsdruck. Zirka 800 der 9000 Lokale und Kaffeehäuser die es in Wien gibt findet man im 1. Bezirk. Um Wien flächendeckender für den Touristen interessanter zu machen und so etwas Druck von der Innenstadt zu nehmen, werden im aktuellen Konzept des Wien Tourismus Sehenswürdigkeiten in den Bezirken, die bisher als Geheimtipp galten, aktiv in die Vermarktung der Stadt aufgenommen. Das wird zweifelsohne mit einer vermehrten Werbung und damit einem steigenden Bekanntheitsgrad auch der in der Umgebung befindlichen Gastronomiebetriebe einhergehen. Bedingt durch die Dichte des gastronomischen Angebots quer durch die Stadt muss man allerdings sagen, dass eine gezielte Belebung für den Wiener an sich nicht wirklich notwendig ist. De facto in jedem Bezirk findet sich ein vielfältiges gastronomisches Angebot.

LEADERSNET: Eine Besonderheit sind die Wiener Schanigärten, es gibt sogar einen „goldenen Schani“ als Auszeichnung. Sind Genehmigungen und Gebühren für die Betreiber eine Hürde?

Dobcak: Das ist ja fast schon eine Suggestivfrage. Das große Drama für Schanigärten erwarte ich für 2021. Dann laufen laut Verordnung der Stadt alle Dauergenehmigungen für Schanigärten aus. All diese müssen neu beantragt werden. Natürlich unter den sich über die Jahre verschärften Auflagen. So genügte noch vor wenigen Jahren eine sogenannte Restgehsteigbreite von 1,5m. Das heißt, nach dem Aufstellen der Tische und Sessel auf dem Gehsteig mussten noch 1,5m Breite für den Fußgängerverkehr frei bleiben. Dies wurde vor einiger Zeit auf 2m erhöht. Auf belebten Strassen, kann diese Breite auch auf 3,5m und mehr angehoben werden. Das heißt alleine wegen dieser Regelung werden viele Schanigärten nicht mehr genehmigt werden. Was in Folge für den Sommer unter Umständen einen existenzgefährdenden Umsatzrückgang nach sich zieht.

Vor ca. 3 Jahren hat die Stadtregierung die Tarife der Schanigärten nach Zonen neu eingeteilt. Das hatte zur Folge, dass sich zum Beispiel in der Praterstrasse und der Taborstrasse die Tarife pro m² verzehnfacht haben. Um das bezahlen zu können wurden die Schanigärten entweder verkleinert oder Mitarbeiter entlassen um so mit dem eingesparten Geld die Gebühr zahlen zu können. Wie sinnvoll ist das denn?

Betreffend der Lärmsituation muss ich schon sagen, dass wir für eine internationale Großstadt recht überzogene Anrainerrechte haben. Oft hat man das Gefühl wir leben in einem Kurort und nicht in einer Großstadt. Ein einziger Anrainer, der sich subjektiv belästigt fühlt, kann ein ganzes Lokal, egal wie lange schon vor Ort, zum Schließen zwingen. Da läuft einiges verkehrt.

LEADERSNET: Überstunden und harte Arbeit prägen oft das Bild der Arbeitsplätze in der Gastronomie. Wie steht es um die Wertschätzung für die besonderen Anforderungen in diesen Berufen?

Dobcak: Solange die Arbeitnehmervertretung sich in ihrer Öffentlichkeitsarbeit hauptsächlich darauf konzentriert, zu verbreiten wie mies die Branche ist, dürfen wir uns nicht wundern, dass immer weniger Menschen im Tourismus arbeiten wollen. Seit Jahren höre ich nur Forderungen, gepaart mit negativen Kommentaren, aber keine konstruktiven Vorschläge, wie wir gemeinsam als Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Situation verbessern können. Am Ende kommen immer neue Forderungen, werden diese nicht erfüllt, dann wird der Unternehmer als Ausbeuter hingestellt. Dass die Mitarbeiter, wenn sie gut sind, auch dementsprechend Trinkgeld bekommen wird dabei gerne verschwiegen. Wir sollten uns endlich von diesem überholten Klassenkampf wegbewegen und gemeinsam den Gesetzgeber dazu bringen Rahmenbedingungen zu schaffen, die die gigantischen Kosten der Bürokratie senken. Dieses Geld kann dann an die Mitarbeiter in Form einer erhöhten Bezahlung weitergegeben werden. Bei den Verhandlungen sage ich immer, wir sollten uns auf den unsichtbaren Dritten am Tisch, nämlich die Regierung, konzentrieren und uns nicht gegenseitig schwächen. Auch gemeinsam dem Kunden klar zu machen, was wir leisten und damit adäquate Preise zu rechtfertigen, wäre eine feine Sache.

Nehmen wir das Beispiel der Arbeit am Sonntag. Die Arbeitszeiten im Tourismus können nicht mit anderen Berufen verglichen werden. Wenn unsere Mitbürger am Sonntag frei haben, arbeiten wir. Das weiß jeder, der in dieser Branche arbeitet. Jetzt den Mitarbeitern einzureden sie sind so arm, weil sie auch am Sonntag arbeiten müssen und daher einen Zuschlag verdienen geht gar nicht. Das ist so wie wenn sich ein Arzt aufregt, dass er bei einer Operation Blut sehen muss und daher einen Gehaltszuschlag wegen besonderer Belastung verlangt.

LEADERSNET: Wie sehen Sie die Problematik von Stornogebühren bei Reservierungen?

Dobcak: Besonders in der Hochsaison, wie zu Weihnachten oder zu Feiertagen, sind Mehrfachreservierungen ein Problem. Es zeigt, wie wenig unsere Leistung geschätzt wird. Bleibt ein Tisch frei, kann dieser nicht mehr verkauft werden. Der Umsatz ist verloren. Eine Kollegin von mir hatte eine Reservierung für eine Firmenfeier mit einem Budget von € 300,— pro Person. Dementsprechend hat sie Ware für ein Top-Menü eingekauft. Die Firma hat 24 Stunden vorher die Reservierung storniert und tatsächlich diskutiert warum eine Stornogebühr fällig ist. Stornogebühren dem Gast fair kommuniziert halte ich für absolut notwendig und richtig. Bei einer Auslandsreise wird das Abfragen der Kreditkartennummer sowohl im Hotel als auch bei einer Restaurantreservierung kommentarlos akzeptiert. Nur Zuhause regen sich die Leute darüber auf. Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis. Am Ende geht es wieder um die Wertschätzung für unsere Leistung.

LEADERSNET: Wo liegen eigentlich die Herausforderungen in der Branche, wenn nahezu immer Erfolgsmeldungen dominieren?

Dobcak: Die Herausforderungen sind vielfältig und in den bereits gestellten Fragen ausreichend beschrieben. Die Erfolgsmeldungen beziehen sich meist auf die Anzahl der Übernachtungen oder den Umsatz den die Betriebe machen, aber nie auf den Ertrag. Das wäre mal interessant nachzufragen. Denn wir lernen hoffentlich schon in der Schule: Umsatz ist nicht gleich Gewinn!

LEADERSNET: Welche Visionen haben Sie für die Wiener Gastronomie?

Dobcak: Die wunderbare Kreativität meiner Kolleginnen und Kollegen, die Wiener Bevölkerung mit neuen Gastronomiekonzepten überraschen zu wollen wird nicht durch überbordende Auflagen und Verbote im Keim erstickt.

Unsere Gäste haben die „Geiz ist geil“ Mentalität überwunden, sie erwarten qualitativ hochwertige Nahrungsmittel, gepaart mit gutem Service und sind bereit dafür leistungsgerecht zu bezahlen.

Wir haben innerhalb von fünf Jahren ein Preisniveau erreicht, das es möglich macht, unsere Mitarbeiter angemessen zu bezahlen und wir als Unternehmer auch wieder ausreichend verdienen.

Die überwiegende Mehrheit meiner Kollegen und Kolleginnen in der Branche vertraut mir und schätzt meine engagierte Tätigkeit als Interessenvertreter.

 

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