Stimmübungen

| 07.03.2019

expressis verbis von Raffaela Bartik

Man(n) sagt meinem Geschlecht vieles nach, unter anderem auch eine vortreffliche Intuition. Diese gesteht man Frauen bereitwillig zu – schade, dass es mit ihrer Stimme schon wieder ganz anders aussieht.

Unsere Stimme ist etwas, das wir Frauen uns hart erkämpft haben und immer noch mit jedem Tag erkämpfen müssen. Und ich spreche hier nicht von unserer Stimme in Sachen Wahlrecht. Nein, ich spreche davon, dass die weibliche Stimme oft und gern überhört, übertönt, nicht für voll genommen oder sogar gänzlich ignoriert wird. Das beginnt bei Kleinigkeiten im Alltag und zieht sich bis zu zukunftsweisenden und zutiefst persönlichen Entscheidungen. Und das ist nicht okay.

"Bitte mit scharf" – auch wenn’s nicht jedem schmeckt

Ich spreche nicht von Banalitäten wie der Tatsache, dass ich bis heute von Kebap-Verkäufern belächelt werde wenn ich "mit viel Scharf" bestelle und das in Diskussionen ausartet, ob ich blondes, zartes Mädchen auch wirklich weiß was ich da essen will. Ja, die junge Frau weiß das, Danke für die Sorge um meine Geschmacksknospen.  Das nehme ich mit Humor. Worüber ich allerdings nicht lachen kann, ist, dass wir immer noch darüber diskutieren müssen dass unsere Arbeit gleich viel wert ist wie die eines theoretisch gleichgestellten, männlichen Kollegen und – Achtung unangenehm – über die Frage unseres eigenen Körpers. Ich kann nicht akzeptieren, dass in Amerika ein ausschließlich aus Männern bestehendes Gremium darüber entscheidet, wann und ob Frauen abtreiben dürfen. Ganz unabhängig davon wie man zu diesem Thema steht: Man(n) spricht und entscheidet über Frauenkörper und hört nicht einmal eine einzige weibliche Stimme an, um unter Umständen in Erwägung zu ziehen, was eine Person mit Uterus dazu zu sagen hat? Nun wurde auch hierzulande diese Debatte neu entfacht  – höchste Zeit, um sicherzugehen dass die weibliche Stimme gehört wird.

Die kleine Meerjungfrau hat etwas zu sagen

Doch meine Damen, um unsere Stimme hörbar zu machen, müssen wir sie teilweise erst einmal finden. Denn ich nehme Frauen, und vor allem mich selbst, hier nicht aus der Verantwortung. Wie können wir gehört werden, wenn wir unserer eigenen Stimme nicht vertrauen oder sie als nicht wichtig genug erachten? Es ist noch gar nicht lange her, dass ich dieses Problem bei mir selbst erkannt habe und darum stelle ich es zum Diskurs in den digitalen Raum.

Arielle die Meerjungfrau hat ihre Stimme eingetauscht, um ihren Schwanz in Beine zu verwandeln und dem geliebten Prinzen an Land zu folgen. Ich selbst habe meine Stimme zwar nie so drastisch negiert, sie aber sehr, sehr oft moderiert, Dinge "diplomatisch" formuliert und ja, auch einfach geschwiegen. Aus vielerlei Gründen, zum Beispiel weil es unangenehm hätte werden können – nicht (nur) für mich, sondern auch für andere. Damit bin ich nicht allein. Ein "weibliches" Thema also, wenn man so will, welches letzten Endes auch viel mit weiblichem Erfolg zu tun hat. Darum nehme ich den heutigen Tag zum Anlass, uns Frauen daran zu erinnern, unsere wertvollen Stimmen hör- und, wie in dieser Kolumne, sicht- bzw. lesbar zu machen. Ich habe kein Interesse mehr daran, mich anzupassen um jemandem – sei es Prinz oder Gesellschaft – zu gefallen, sondern widme mich lieber meinen Stimmübungen: mal laut, mal leise – aber immer unüberhörbar. (rb)

Illustration © Raffaela Bartik

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