Wirtschaftlicher Stillstands-Alarm
Warum die heimische Industrie weiter auf den Aufschwung warten muss

| Tobias Seifried 
| 26.10.2025

Laut dem aktuellen Konjunkturbarometer steckt die für Österreichs Wirtschaftsstandort so wichtige Branche in einer anhaltenden Stagflation fest. Ohne mutige Reformen bleibe jeder Aufschwung Illusion, so die Industriellenvereinigung.

Nach einer kurzen Phase der Stabilisierung trübt sich die Stimmung in der heimischen Industrie erneut ein. Die längste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg sei laut der Industriellenvereinigung (IV) in eine anhaltende Stagnation übergegangen. Obwohl diese als leichte Verbesserung interpretiert werden könnte, bleibe der erhoffte Aufschwung aus. Stattdessen verfestigt sich eine Stagflation – eine Kombination aus wirtschaftlichem Stillstand und Inflation – mit bekannten Konsequenzen wie Arbeitsplatzverlusten, sinkenden Realeinkommen und Investitionszurückhaltung.

"Wir sollten uns keiner Aufschwungsillusion hingeben", warnte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer anlässlich der Präsentation der aktuellen Konjunkturumfrage (siehe Infobox). Viele hätten nach Jahren der Rezession auf eine Besserung gehofft, "aber die Realität spricht leider eine andere Sprache".

Sowohl vom wirtschaftspolitischen Umfeld in Österreich als auch geopolitisch seien kaum positive Impulse zu erwarten. Einzelne Maßnahmen wie das Stromkosten-Ausgleichsgesetz oder der erhöhte Investitionsfreibetrag seien zwar Schritte in die richtige Richtung, jedoch fehlten weiterhin strukturelle Reformen. "Die Industrie steckt zwischen Stagnation und Inflation fest", betont der IV-Generalsekretär. Er sieht dringenden Handlungsbedarf bei der Politik: Ohne mutige Reformen und eine Ausgabenbremse – "die Staatsquote muss wieder unter fünfzig Prozent" – bleibe jeder Aufschwung eine Illusion.

Geopolitische Belastungen verschärfen die Lage

Der Zollkonflikt zwischen der EU und den USA setze die Industrie zusätzlich unter Druck. Europäische Exporteure sehen sich einem ungleichen Zollregime ausgesetzt, während asiatische Staaten ihre Exporte nach Europa ausweiten. Die Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar um rund acht Prozent binnen eines Jahres schwächt die Wettbewerbsfähigkeit zusätzlich. "Die Kombination aus steigenden Preisen, schwacher Nachfrage und hoher Unsicherheit untergräbt Investitionen und Wachstum", fasst IV-Chefökonom Christian Helmenstein zusammen. Österreichs Industrie habe den Boden des Tals erreicht, "aber noch keinen Weg hinausgefunden".

Stimmung kippt ins Negative

Das IV-Konjunkturbarometer fällt deutlich: Der Saldo rutscht von plus 1,0 auf minus 5,7 Punkte. Sowohl die aktuelle Lagebewertung als auch die Erwartungen für die kommenden sechs Monate verschlechtern sich. Damit verliere die Industrie laut Helmenstein "jede Hoffnung auf einen baldigen Aufschwung". Was derzeit zu beobachten sei, "ist kein Aufschwung, sondern ein Stillstand unter verschärften Bedingungen".

Auch die Auftragslage schwächt sich wieder ab. Der Gesamtauftragsbestand fällt auf einen Saldo von minus fünf Punkten, die Auslandsaufträge sinken sogar auf minus drei Punkte. Damit verliere die österreichische Industrie international weiter Marktanteile und partizipiere kaum am globalen Wachstum, das der IWF für das Jahr 2025 mit 3,2 Prozent prognostiziert.

Die Produktionserwartungen bleiben stabil, bewegen sich aber weiterhin im neutralen Bereich. Eine echte Trendwende sei laut IV frühestens 2026 zu erwarten – ausgelöst durch steigende Nachfrage im Wohnbau und mögliche Infrastrukturinvestitionen in Deutschland.

Beschäftigung und Erträge bleiben unter Druck

Der Beschäftigungssaldo verharrt auf einem Rezessionsniveau von minus 20 Punkten. Nur jedes achte Unternehmen plant Neueinstellungen, während rund jedes dritte Personal abbauen will. Trotz anhaltend hohem Kostendruck sehen 89 Prozent der Unternehmen keine Möglichkeit, ihre Verkaufspreise zu erhöhen.

Die Ertragslage bleibt angespannt: Der Saldo liegt bei minus 25 Punkten, und die Erwartungen für die kommenden Monate bleiben negativ. Vier zentrale Faktoren belasten den Industriestandort: hohe Energiepreise, die Steuer- und Abgabenlast, übermäßige Bürokratie und ungünstige Lohnstückkosten. Produktivitätszuwächse sind derzeit kaum zu verzeichnen – diese wären jedoch entscheidend, um Österreichs Wohlstand langfristig zu sichern.

Oberösterreich stark betroffen

Auch die Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ) warnt, dass die heimische Industrie weiter in der Talsohle verharrt. Oberösterreich gilt als das Industriebundesland schlechthin. Laut der auf das Bundesland bezogenen Konjunkturumfrage für das dritte Quartal 2025 haben sich Geschäftslage, Auftragsbestand und Auslandsaufträge erneut verschlechtert, während der Optimismus für die kommenden sechs Monate nur leicht steige. Fast jedes zweite befragte Unternehmen in Oberösterreich plant demnach weiterhin Personalabbau.

IV OÖ-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch betonte, dass Zuversicht nur durch konsequente Reformen entstehe: Standortprobleme müssten gelöst, Steuern gesenkt, Bürokratie abgebaut und Investitionsanreize gesetzt werden. Ohne solche Maßnahmen drohe eine langanhaltende Stagnation.

www.iv.at

Zur Befragungsmethode

An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 381 Unternehmen mit rund 263.000 Beschäftigten.

Dabei kommt folgende Methode zur Anwendung: Den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible "Saldo" aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.

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Zur Befragungsmethode

An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 381 Unternehmen mit rund 263.000 Beschäftigten.

Dabei kommt folgende Methode zur Anwendung: Den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible "Saldo" aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.

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