Holz schreibt Stadtgeschichte
Die schönsten Holzbauten in Wien

| Julia Weninger 
| 24.09.2025

Ob mehrgeschossiger Wohnbau, Bildungsbau oder Sporthalle: Holz ist längst in der Stadt angekommen. wienwood 25 zeigt mit seinen diesjährigen Preisträgern, wie konsequent, vielseitig und visionär mit dem natürlichen Baustoff gebaut wird. 

Holz ist kein Nischenbaustoff mehr. Inmitten wachsender Städte, schwindender Ressourcen und immer strengerer Klimaziele erlebt Holz eine Renaissance – nicht als romantischer Rückgriff, sondern als hochmoderner Werkstoff mit technischem und gesellschaftlichem Potenzial. Lange Zeit vor allem im ländlichen Raum und im Einfamilienhausbau verortet, tritt der Holzbau heute mit voller Präsenz in die urbane Arena: mit großvolumigen Wohnanlagen, öffentlichen Bauten und hybriden Nutzungskonzepten, die ökologische, ökonomische und soziale Anforderungen gleichermaßen adressieren.

Holz ist leicht, speichert CO₂, wächst nach, ermöglicht schnelle Bauzeiten und schafft ein angenehmes Raumklima. Aber vor allem: Holz hat Haltung. Es steht für eine andere Art zu bauen – klimasensibel, ressourcenschonend und menschengerecht. Genau diese Qualitäten machen Holz zum Baustoff einer Zeit, in der Städte dringend neue Antworten brauchen.

Wie solche Antworten aussehen können, zeigt der wienwood – Holzbaupreis Wien, der 2025 bereits zum vierten Mal verliehen wurde. Im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung im Architekturzentrum Wien würdigte eine hochkarätige Jury vier Hauptpreisträger, ein Sonderprojekt sowie drei Anerkennungen – und damit Bauwerke, die das enorme Potenzial des Holzbaus für die Stadt beispielhaft demonstrieren.

Die ausgezeichneten Projekte im Überblick

"Holz ist jener Baustoff, der in Zeiten des Klimawandels für einen Paradigmenwechsel steht. Dies spiegelt sich auch in den prämierten Bauten wider, die für eine neue Bau- und Denkweise stehen und einen wichtigen Beitrag zur innovativen Weiterentwicklung des Holzbaus in der Stadt leisten", so die Jury unter dem Vorsitz von Arno Ritter.

Woody – M: Nachverdichtung aus Holz im großen Maßstab

Im dicht bebauten 12. Wiener Gemeindebezirk zeigt das Projekt Woody – M, was der Holzbau heute im urbanen Maßstab leisten kann: 85 Mietwohnungen wurden über einem mineralischen Sockel mit Supermarkt und Tiefgarage in Brettsperrholzbauweise errichtet – mitten in der Stadt. Die vier Baukörper sind quer zur umgebenden Bebauung orientiert, wodurch neue Blickachsen und ein luftiges Ensemble entstehen.

Die Konstruktion setzt auf Sichtdecken aus Holz, eine variierende Deckenstärke zur Materialreduktion und vorgestellte Balkone aus Betonfertigteilen, die zugleich statisch aussteifend wirken. Eine innovative Fassadenlösung mit vorstehenden Fensterschürzen übernimmt brandschutztechnische Funktionen und unterstreicht das gestalterische Niveau.

Das Projekt, realisiert von Palmers Immobilien und Freimüller Söllinger Architektur, beweist, dass innerstädtische Nachverdichtung in Holz nicht nur möglich, sondern gestalterisch hochwertig und funktional überzeugend ist.

Trainingsschwimmhalle Großfeldsiedlung: Bäderbau neu gedacht

Die Stadt Wien verfolgt mit ihrer Bäderstrategie 2030 ambitionierte Ziele – unter anderem die ökologische Sanierung bestehender Bäder. Ein herausragendes Beispiel ist die neue Trainingsschwimmhalle in der Großfeldsiedlung, entworfen von der ARGE illiz Wien/Zürich und umgesetzt in einem präzise geplanten Brettschichtholztragwerk mit weitspannenden Trägern und Dach aus Brettsperrholz.

Der lichtdurchflutete, fast sechs Meter hohe Innenraum öffnet sich mit großflächiger Verglasung zur bestehenden Baumkulisse. Das Gebäude ist nicht nur atmosphärisch stark, sondern auch funktional prototypisch: In Simmering wird es bereits als Modell für weitere Bädererweiterungen übernommen.

Die Jury sieht hier ein architektonisches Konzept mit hohem Multiplikationseffekt – ein Modell, das sich städteweit anwenden lässt und dem kommunalen Bauwesen neue ökologische Wege aufzeigt.

Rudolf-Steiner-Schule Wien-Mauer: Pädagogik in Holz und Lehm

Das Erweiterungsprojekt der Rudolf-Steiner-Schule im 23. Bezirk verbindet auf exemplarische Weise pädagogisches Konzept und bauliche Umsetzung. Der neue Baukörper ergänzt das bestehende Schulensemble und vereint Alt- und Neubau mit einem großzügigen, alles überspannenden Dach.

Die Materialwahl – vorrangig Holz und Lehm – folgt dem Prinzip der Waldorfpädagogik und schafft eine natürliche Lernumgebung. Besonders nachhaltig: Der Lehmputz wurde aus dem Aushubmaterial der Baustelle gewonnen. Die neue Turnhalle wurde halb eingegraben, darüber entstanden Klassenräume – statisch verbunden durch ein komplexes Deckensystem, das Rippenplattendecke und Hohlkastendecke kraftschlüssig kombiniert.

Geplant wurde das Projekt von Dietrich Untertrifaller Architekten und Andi Breuss. Die Jury würdigt insbesondere die bautechnische Präzision, die pädagogische Idee und Raumwirkung zu einem harmonischen Ganzen verschmelzen lässt.

Villa Minimale: Kleine Fläche, große Idee

Im Kleingartenverein Michaelerwiese im 17. Bezirk steht ein Bauwerk, das auf nur 35 m² Grundfläche zeigt, wie weit man mit guter Architektur kommen kann. Die Villa Minimale, entworfen von Clemens Kirsch Architektur, erfüllt nicht nur die strengen Wiener Kleingartenvorgaben, sondern interpretiert sie als Chance für räumliche Innovation.

Vier identische Holzboxen gruppieren sich um ein zweigeschossiges Atrium, über das Licht und Kommunikation in den Raum strömen. Die Materialwahl – innen Seekiefersperrholz, außen hinterlüftete Lärchenholzlatten – schafft Atmosphäre und Klarheit. Inspiriert von Palladio und Schindler entwickelt das Projekt ein eigenes Vokabular für das Bauen auf kleinster Fläche mit maximaler Wohnqualität.

Die Jury lobt das Haus als architektonisches Denkmodell für eine verdichtete, lebenswerte Zukunft – und als Beispiel für die poetische Kraft des Holzbaus.

Sonderpreis für SchloR: Architektur als kollektiver Prozess

Das Projekt SchloR – Schöner Leben im 11. Bezirk wird nicht für bautechnische Innovation, sondern für eine grundlegend neue Haltung zum Bauen ausgezeichnet. Entstanden ist ein kollektives Wohn- und Betriebsprojekt, das nach dem Modell des Mietshäuser Syndikats realisiert wurde. Das Ensemble besteht aus einer revitalisierten Zirkushalle, aufgestockten Werkstätten und einem neuen Wohntrakt – in Holz-Lehm-Bauweise, teilweise im Selbstbau.

"Ein großer Vorteil des Holzes, nämlich sein Potenzial für den Selbstbau, wird intelligent in die prozessualen Bahnen eines Kollektivs gelenkt, in denen sich Mitbestimmung und professionelle Gestaltung die Hand reichen", begründet die Jury.

Die Auszeichnung ehrt die Idee, dass Architektur nicht nur gebaut wird, sondern gesellschaftlich produziert wird – kollaborativ, solidarisch und transformativ.

"Die prämierten Projekte demonstrieren eindrucksvoll, wie vielseitig und hochwertig Holz heute in der Stadt eingesetzt wird. Der klimapositive Baustoff Holz bietet enormes Potenzial – besonders im großvolumigen Bauen, bei Aufstockungen und Nachverdichtungen", betont Richard Stralz, Obmann von proHolz Austria.

https://www.proholz.at/wienwood

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