FMVÖ Financial Breakfast
Unzufriedenheit kostet Unternehmen eine Million Kunden

| Redaktion 
| 15.04.2025

Beim FMVÖ Financial Breakfast standen Banken und Versicherungen im Vordergrund. Dabei erläuterten Experten, wie die Institute den Anteil an unzufriedenen Dienstleistungsnehmer:innen durch richtiges Beschwerdemanagement verringern können.

Der Finanz-Marketing Verband Österreich (FMVÖ) ging im Rahmen eines Financial Breakfasts der Frage nach, wie Banken und Versicherungen durch die Vermeidung unzufriedener Kund:innen ihre Kundenbindung stärken können. Robert Sobotka, FMVÖ-Vorstand und Geschäftsführer Telemark Marketing, lieferte dazu Datenmaterial aus der aktuellen FMVÖ-Recommender-Umfrage und anderen Erhebungen. Der Inhaber der servmark Unternehmensberatung, Wolfgang Seidel, erläuterte, wie die Unternehmen den Anteil an unzufriedenen Kund:innen durch richtiges Beschwerdemanagement verringern können.

Detraktor:innen müssen verhindert werden

Im Bewertungssystem für Kundenzufriedenheit, dem Net Promoter Score (NPS), unterscheidet man zwischen Detraktor:innen und Promotor:innen. Dabei werden jene Kund:innen als Detraktor:innen bezeichnet, die Unternehmen eine negative Bewertung ausstellen. Promotor:innen sind auf der anderen Seite jene Personen, die hingegen angeben, das jeweilige Unternehmen ihrer Familie oder Freund:innen weiterzuempfehlen.

Telemark Marketing hat im Auftrag des FMVÖ vor diesem Hintergrund über einen Zeitraum von 19 Jahren auf Basis des NPS eine Umfrage unter 8.000 Kund:innen österreichischer Banken und Versicherungen durchgeführt, die der FMVÖ zur Kür der Preisträger:innen des alljährlichen FMVÖ-Recommender-Awards heranzog.

In diesem Zeitraum lag der Prozentsatz der Befragten, die keine Weiterempfehlung für ihr Institut aussprechen, konstant bei circa 20 Prozent der Kund:innen. Auf die erwachsene Gesamtbevölkerung hochgerechnet sind dies 1,5 Millionen, wobei Versicherungen tendenziell besser abschneiden als Banken.

"Unternehmen achten meist nur darauf, die Zahl der Promotor:innen zu steigern. Nicht zu unterschätzen ist allerdings die Auswirkung von Detraktor:innen auf die Kundenbindung. Während positiv gestimmte Kund:innen ihre Erfahrung maximal drei Personen weitererzählen, sind es bei Unzufriedenen sieben bis 15 Leute. Ein Multiplikationsfaktor, der äußerst relevant ist – diese 1,5 Millionen Detraktor:innen müssen daher verhindert werden", warnt Studienleiter Robert Sobotka.

Unzufriedenheit führt massiv zu Kündigungen

Laut der Versicherungsmarkt-Basisstudie 2025 haben circa ein Viertel der Kund:innen im letzten Jahr eine Versicherung gekündigt, davon 29 Prozent, weil sie die Leistung nicht mehr benötigt hatten. Die weiteren Kündigungsgründe hängen jedoch allesamt mit der Unzufriedenheit der Kund:innen zusammen, sei es aufgrund von zu hohen Kosten (25 Prozent), oder aber auch wegen Problemen bei der Schadensabwicklung (elf Prozent) oder mit dem:r Betreuer:in (neun Prozent) sowie schlechtem Kundenservice (rund neun Prozent).

"Unterm Strich bedeutet dies, dass pro Jahr bei circa einer Million Kund:innen die Unzufriedenheit zur Kündigung führt", so Sobotka.

Bei den Geldinstituten ist hervorzuheben, dass bei den Detraktor:innen die Wechselbereitschaft zu anderen Banken mit 43,5 Prozent sehr hoch ist, während bei "neutral" gestimmten Kund:innen nur 14,5 Prozent einen Wechsel der Bank in Betracht ziehen. Weitere Hauptgründe, warum Bankkund:innen zu Detraktor:innen werden, sind hohe Kosten mit 21 Prozent, schlechte Beratung, Betreuung oder Service mit 19 Prozent sowie negative Erfahrungen und Unzufriedenheit mit neun Prozent. "Statt Kund:innen anderer Institute mit teuren Maßnahmen und Aktionen wie Rabatten oder ähnlichem abzuwerben, sollten Finanzunternehmen eher auf die Strategie setzen, die Kündigung ihrer Bestandskund:innen zu verhindern. Unsere Befragungen über die letzten Jahre zeigen deutlich, dass schlechte Beratung, fehlender Kontakt zu den Kund:innen und hohe Kosten die Top drei Gründe sind, warum Kund:innen nicht gehalten werden können", so Sobotka.

"Unvoiced Complaints" verhindern

Eine Kernfrage sei es zudem, wie es gelingen kann, die sogenannten "Unvoiced Complaints" zu verhindern und Detraktor:innen zu neutralen Kund:innen bzw. sogar zu treuen Kund:innen zu machen. "Unvoiced Complaints" ist ein Phänomen, das Kund:innen beschreiben soll, die kommentarlos abwandern, weil sie mangels Relevanz der Serviceleistung, aufgrund fehlender Ansprechpersonen, aus Scheu vor Konflikten oder aufgrund aus Ihrer Sicht mangelnder Erfolgsaussichten keine Beschwerden äußern.

Für Wolfgang Seidel, Inhaber der servmark Unternehmensberatung, ist es wichtig, den Nährboden für Detraktor:innen zu erkennen. Unternehmen müssen sich dafür detailliert mit den Anliegen ihrer Kund:innen auseinandersetzen, die täglich im Servicecenter behandelt werden. "Beschwerden sind ein Geschenk, denn die Kund:innen könnten auch anders agieren und unmittelbar kündigen oder negativ kommunizieren. Mit ihrer Beschwerde zeigen sie Interesse an der Geschäftsbeziehung und geben dem Unternehmen die Gelegenheit, mit ihren Problemen aktiv umzugehen sowie die Möglichkeit, Kunden-Feedback zu erhalten. Wichtig ist jedoch, im individuellen Kontakt das jeweilige Anliegen authentisch und empathisch zu händeln", sagt Seidel.

Kund:innen-Narrative in den Fokus rücken

Laut Seidel liegt die größte Herausforderung darin, alle Beschwerden richtig zu erkennen, zu dokumentieren und inhaltlich einzuordnen. Die Kund:innrn-Narrative müssen demnach in den Mittelpunkt gerückt werden. Bei diesem Punkt könnte Künstliche Intelligenz hilfreich sein, da Machine Learning dem Menschen beim Erkennen des Beschwerdekerns voraus ist.

"Handelt es sich um ein Problem mit einem Produkt oder mit einem:r Mitarbeiter:in? Hatten die Kund:innen Schwierigkeiten bei der Kontaktaufnahme, ist organisatorisch etwas schiefgelaufen und wie wird das emotionale Empfinden vonseiten der Kund:innen geäußert? Für all diese Aspekte wird eine sogenannte 'Narrativ-Schablone' entwickelt, die über die Kundenbotschaften gelegt wird. Damit können Gefährdungspotenziale entdeckt und gegengesteuert werden. Bevor man Kund:innen begeistern will, muss zunächst über die Minimumqualitäten nachgedacht werden. Erfolgreiche Unternehmen legen den Fokus nicht auf Zufriedenheitsmaximierung, sondern auf Unzufriedenheitsminimierung. Denn das 'Beschwerde-Paradoxon' zeigt, dass unzufriedene Kund:innen, die positiv serviciert wurden, zufriedener sind als jene, die keinen Anlass für Verärgerung haben. Und zu guter Letzt gilt es auch, sich mit der 'vergessenen Fragestellung' auseinanderzusetzen: Was muss getan werden, um Kund:innenverluste zu vermeiden? Das sorgt für die notwendige Erweiterung des Blickwinkels für tatsächlich nachhaltige Kund:innenbindung", führte Seidel abschließend als zentrale Leitlinien für den Kundenservice an.

www.fmvö.at

www.telemark-marketing.com

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