Interview mit Yvonne Moynihan
"Bei uns reden wir nicht nur über den Wandel – wir handeln auch danach"

Im LEADERSNET-Interview spricht Yvonne Moynihan, Corporate & ESG Officer von Wizz Air, unter anderem über ihre Aufgabenbereiche, über den Frauenanteil im Unternehmen sowie über Initiativen zur Förderung von Inklusion, Gleichberechtigung und Diversität. 

LEADERSNET: Sehr geehrte Frau Moynihan, Sie sind Wizz Air Corporate & ESG Officer. Seit wann gibt es Ihre Position bei Wizz Air und was darf man sich darunter vorstellen?

Yvonne Moynihan: Als Corporate & ESG Officer von Wizz Air ist meine Rolle seit ihrer Einführung im Jahr 2022 ein wesentlicher Bestandteil unserer Tätigkeit. Sie vereint die Bereiche Recht, Nachhaltigkeit und Kommunikation unter einem Dach. Diese Position wurde als Teil des umfassenderen Engagements von Wizz Air für Nachhaltigkeitsgrundsätze geschaffen, die die Unternehmensführung mit Synergien im Bereich Umwelt, Soziales und Governance (ESG) verbinden.

In meiner Rolle beaufsichtige ich unsere Nachhaltigkeitsstrategie und stelle sicher, dass wir in der Luftfahrtindustrie führend sind, wenn es darum geht, die Kohlenstoffemissionen zu reduzieren, die Vielfalt zu fördern und eine erstklassige Unternehmensführung zu gewährleisten. Meine Verantwortung geht über die Einhaltung von Vorschriften hinaus – ich setze mich dafür ein, Nachhaltigkeit in unsere Entscheidungsprozesse einzubinden. Durch die enge Zusammenarbeit mit Teams in ganz Europa und darüber hinaus möchte ich sinnvolle Veränderungen innerhalb unserer Organisation anregen und vorantreiben.

In dieser Position möchte ich sicherstellen, dass Wizz Air nicht nur die regulatorischen Anforderungen erfüllt, sondern auch neue Maßstäbe für Nachhaltigkeit in der Luftfahrtindustrie setzt. Meine Vision und mein Engagement sind darauf ausgerichtet, eine nachhaltigere Zukunft für die Luftfahrt zu schaffen.

LEADERSNET: Haben Sie sich schon immer für diese Themen interessiert oder sind Sie da erst in den letzten Jahren reingewachsen?

Moynihan: Ich arbeite seit mehr als zehn Jahren in der Luftfahrtbranche und bin mir daher meiner eigenen Emissionen auf Reisen sehr bewusst. Im Jahr 2018 habe ich am Cambridge University Institute for Sustainability Leadership studiert. Das hat mir die Augen für die dringende Notwendigkeit geöffnet, unnachhaltige Systeme und Praktiken zu verändern. Diese Erfahrung hat mich dazu inspiriert, einen Rahmen für Mainstream-Leadership zu entwickeln, der darauf abzielt, eine nachhaltige Zukunft für die Luftfahrt zu schaffen – ein Sektor, der bekanntermaßen schwer zu dekarbonisieren ist.

Seitdem hat sich die Luftfahrtindustrie verpflichtet, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, und ist damit die einzige Branche weltweit, die sich ein solch ehrgeiziges Ziel gesetzt hat. Dieses klare und aussagekräftige Ziel treibt meine Bemühungen als Führungskraft an, Verhaltensänderungen und Veränderungen in der Organisationskultur zu fördern, die diese Vision unterstützen.

LEADERSNET: Wie hoch ist der aktuelle Frauenanteil derzeit bei Ihrer Fluglinie auf Österreich bezogen?

Moynihan: Bei Wizz Air reden wir nicht nur über den Wandel – wir handeln auch danach. Wizz Air ist ein im Vereinigten Königreich börsennotiertes Unternehmen mit Hauptsitz in Budapest und Fluggesellschaften in Ungarn, dem Vereinigten Königreich, Malta und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Unsere Präsenz erstreckt sich daher über ganz Europa und darüber hinaus. Wir haben 30 operative Basen, darunter eine Basis in Wien mit fünf Flugzeugen. Weltweit liegt unser Geschlechterverhältnis bei fast 50–50 Prozent.

Wir sind stolz auf unsere Initiativen zur Förderung der Vielfalt, wie z. B. das Erreichen eines Frauenanteils im Vorstand von 33 Prozent bis 2026 - ein Ziel, das wir mit 36 Prozent bereits übertroffen haben. Wir sind auch kurz davor, unser Ziel von 40 Prozent Frauen im Management bis 2026 zu erreichen. Im Cockpit haben wir mit einem Frauenanteil von fünf Prozent den Branchendurchschnitt übertroffen. Durch Programme wie "She Can Fly" wollen wir diese Zahl bis 2030 auf sieben Prozent erhöhen.

In Österreich und in unserem gesamten Netzwerk arbeiten wir aktiv daran, den Frauenanteil in traditionell männerdominierten Positionen zu erhöhen, insbesondere im Cockpit. Derzeit sind über 50 Prozent unserer Mitarbeiter:innen in Österreich Frauen. Wir haben zwei weibliche Kapitäne und drei weibliche Erste Offiziere in unserer Crew.

LEADERSNET: In welchen Positionen sind besonders viele Frauen anzutreffen und wo gibt es noch Nachholbedarf?

Moynihan: Wizz Air hat einen hohen Frauenanteil im Kabinenpersonal und in den Unternehmensbereichen. Wie der Rest der Branche sind wir uns jedoch der Notwendigkeit bewusst, den Frauenanteil in technischen Positionen wie Pilot:innen, Flugzeugingenieur:innen sowie Wartungspersonal zu erhöhen.

Im Jahr 2024 haben wir eine Diversitäts-Initiative mit dem Namen "Women on Air" ins Leben gerufen, die weibliche Führungskräfte innerhalb der Wizz-Organisation vorstellte und Frauen aus dem gesamten Ökosystem der Luftfahrt einbezog, wie z. B. Regulierungsbehörden, Flugzeugleasingunternehmen, Hersteller und Flugsicherung. Ziel war es, mehr weibliche Angestellte für unser "She Can Fly"-Programm zu gewinnen und die Crew zu ermutigen, sich für Führungspositionen im Büro zu bewerben.

Die Veranstaltung war ein großer Erfolg und bot Frauen eine Plattform, um sich über die vielfältigen Möglichkeiten in der Luftfahrt zu informieren. Sie hat die Leistungen von Frauen in der Branche hervorgehoben und viele dazu inspiriert, Karrieren in technischen und leitenden Positionen anzustreben. Durch die weitere Förderung solcher Initiativen wollen wir ein integratives Umfeld schaffen, in dem sich Frauen entfalten und in der Luftfahrt eine Vorreiterrolle spielen können.

LEADERSNET: Und mit Blick auf Inklusion: Wie hoch ist der Anteil der Menschen mit Behinderung in Ihrem Unternehmen und welche Aufgaben übernehmen sie?

Moynihan: Wir bei Wizz Air sind stolz auf unsere vielfältige und integrative Belegschaft, die Mitarbeiter:innen aus 110 verschiedenen Nationalitäten umfasst. Diese Vielfalt an Meinungen und Hintergründen bereichert unsere Unternehmenskultur und treibt Innovationen voran.

Obwohl die Luftfahrtindustrie einzigartige Herausforderungen mit sich bringt, insbesondere in Positionen, die umfangreiche Reisen und körperliche Anforderungen erfordern, sind wir bestrebt, ein integratives Umfeld für alle zu schaffen. Zwar sind die Möglichkeiten für Menschen mit Behinderungen in einigen Positionen, z. B. im Flugbetrieb und bei der Bodenabfertigung, aufgrund von Sicherheitsbestimmungen und betrieblichen Zwängen begrenzt, doch sind wir uns der Bedeutung der Inklusion bewusst.

Weltweit haben ein Prozent der Beschäftigten in der Luftfahrt nach eigenen Angaben eine Behinderung, was eine erhebliche Chancenlücke darstellt. Bei Wizz Air werden wir immer nach Möglichkeiten suchen, unseren Arbeitsplatz zugänglicher zu machen. Unser Engagement für Vielfalt und Inklusion geht über körperliche Fähigkeiten hinaus und stellt sicher, dass jeder eine Stimme und einen Platz in unserem Unternehmen hat.

LEADERSNET: Und wie fördert Wizz Air unternehmensintern die Diversität, Inklusion und Gleichberechtigung? Bieten Sie Weiterbildungen oder Förderprogramme an?

Moynihan: Vielfalt und Integration sind in unserer Kultur verankert, und wir unterstützen aktiv die berufliche Entwicklung aller Mitarbeiter:innen. Unsere Programme umfassen die Wizz Air Pilot Academy, die eine strukturierte Ausbildung für angehende Pilot:innen bietet, einschließlich eines "She Can Fly"-Programms, das speziell für weibliche Kadetten entwickelt wurde – außerdem das Program Cabin Crew to Captain, ein einzigartiger Karrierepfad, der es Mitgliedern des Kabinenpersonals ermöglicht, Pilot:innen zu werden. Oder auch das Crew to Office Program. Dieses bietet Flug- und Kabinenbesatzungen die Möglichkeit, in Büropositionen zu wechseln.

Darüber hinaus gibt es Programme zur Entwicklung von Führungskräften, wie beispielsweise ein Führungskräftetraining und MBA-Patenschaften, um zukünftige Führungskräfte zu fördern. Durch diese Initiativen bauen wir eine Belegschaft auf, die die Vielfalt unserer Passagiere und Gemeinschaften widerspiegelt.

LEADERSNET: Was wünschen Sie sich für die Zukunft – politisch, gesellschaftlich und natürlich mit Blick auf Ihre Position bei Wizz Air?

Moynihan: Wir sind eine stolze europäische Airline-Gruppe und sehen die EU als Vorreiter in der Klimapolitik. Gesetzliche Rahmenbedingungen sind entscheidend für die Förderung von Investitionen und Innovationen. Der Luftverkehr ist nicht nur ein Treiber der wirtschaftlichen Entwicklung, sondern spielt auch eine zentrale Rolle bei der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen wie dem Klimawandel. Die Regierungen müssen in einen grünen Übergang investieren und politische Maßnahmen ergreifen, die Anreize für ein nachhaltiges Wachstum schaffen. Einfach ausgedrückt: Ohne den Luftverkehr fehlt uns die soziale und wirtschaftliche Entwicklung, die für die Gesellschaft von entscheidender Bedeutung ist, denn der Luftverkehr ist das Lebenselixier für Konnektivität und Fortschritt.

Aus Sicht der EU ist es von entscheidender Bedeutung, den EU-Binnenmarkt zu fördern und nationale Steuermaßnahmen zu vermeiden, die das Wachstum behindern könnten. Bewährte wirtschaftliche Grundsätze zeigen, dass das, was man besteuert, schrumpft, und das, was man fördert, wächst. Daher sehe ich die Position des Corporate & ESG Officer als eine der Interessenvertretung von Unternehmen, die sich für realistische Wege für Fluggesellschaften einsetzen, um nachhaltige Praktiken zu verbreiten. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die EU weiterhin eine Vorreiterrolle in der Klimapolitik einnimmt, und mit dem Clean Industrial Deal scheint sie bereits einen entsprechenden Plan zu haben.

LEADERSNET: Danke Ihnen!

www.wizzair.com

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