Ja ist denn der Knigge schon auf Urlaub???

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Die Wettervorhersage meldet 30 Grad plus, stehen Sie da nicht auch manchmal vor Ihrem Kleiderschrank und fragen sich, wie Sie den Tag im Business-Outfit überstehen sollen? Das sind jene Tage im Jahr, an denen Frauen den ungeteilten Neid der Männer genießen, denn ein Kleid ist bei großer Hitze sicher das angenehmere Kleidungsstück – und in den meisten Fällen ein sehr kleidsames noch dazu. Bei hohen Temperaturen ist es oft gar nicht so einfach, das Passende anzuziehen, und zwar im Sinne von Etikette UND Wohlfühlen.

Wir haben es im Grunde genommen ja gut. So richtig strenge Kleidervorschriften gibt es nur noch selten. Die großen Ausnahmen sind natürlich Bälle, die – hoffentlich!! – ab dem Herbst wieder in gewohnter Weise stattfinden können. Große Ballrobe, Frack bzw. Smoking – da weiß man, was Frau und Mann zu tragen hat. Viel großzügiger und gleichzeitig verwirrend sind dann Angaben wie smart oder business casual, die im Prinzip nichts dezidiert verbieten oder erlauben. Und dann gibt es natürlich Berufsgruppen, die Uniformen tragen, oder denen der Arbeitgeber einheitliche Berufs- und/oder Schutzkleidung vorschreibt und zur Verfügung stellt. Das erleichtert die Wahl, lässt aber auch sehr wenig Bewegungsspielraum. Der Feuerwehrmann kann natürlich im eigenen Interesse nicht in Bermudashorts ins brennende Haus vordringen...

Dem Anlass gemäß

Aber wir "Büromenschen"? Uns kann diese Freiheit dann und wann auch zum Verhängnis werden. Vor allem in Hinblick auf das Arbeiten im Homeoffice kann schon einmal der Schlendrian einziehen. Das sprichwörtliche Hemd zur Pyjamahose oder die Ausrede der schwachen Internetverbindung, um die Kamera nicht einschalten zu müssen, weil es im Bademantel einfach gemütlicher ist als im Dreiteiler.

Aber nun, wo wir glücklicherweise wieder zu "richtigen" Meetings gehen können, gilt es wieder, die Auswahl der Kleidung dem Anlass gemäß treffen. Zum wichtigen Business-Meeting wird Mann nicht in der kurzen Hose und Frau nicht im luftig-bunten Strandkleidchen erscheinen. An Tagen, die man aber mehr oder minder alleine und ohne den sogenannten "Parteienverkehr" im Büro zubringt, da darf es natürlich auch einmal legerer sein. Viel wichtiger ist es da wahrscheinlich, die ohnehin beeinträchtigte Produktivität durch Wohlfühlbekleidung zu unterstützen. Nicht umsonst hat es etwa den Casual Friday aus Nordamerika herübergespült, der in vielen Unternehmen praktiziert und zelebriert wird.

Kleiderwahl als Ausdrucksmittel

Ich persönlich bin ein großer Fan des gepflegten Auftretens und bin auch daran gewöhnt, Tage in Anzug und Krawatte zuzubringen. Dem jeweiligen Anlass entsprechend ist angemessene Kleidung meines Erachtens nämlich auch Ausdruck von Respekt, den man seinem Gegenüber damit zollt. Und man kann mit dem eigenen Stil auch dazu beitragen, wie man wahrgenommen und behandelt wird. Kleider machen Leute! Ein alter, aber immer noch sehr wahrer Satz. Stellen Sie sich vor, Ihr:e Vorgesetzt:e kommt in Joggingshorts ins Büro. Wenn Sie nicht gerade bei einem Sportbekleidungshersteller arbeiten, kann einen das schon irritieren, meinen Sie nicht?

Meiner Wahrnehmung nach ist Kleiderwahl insgesamt ein ganz starkes Ausdrucksmittel und sagt sehr viel über einen selbst aus. Mit Kleidung kann man Zugehörigkeit ausdrücken oder sich auch ganz klar abgrenzen. Denken Sie an ein Krankenhaus: Jede:r weiß, dass Herr und Frau Doktor im weißen Kittel unterwegs sind und die in den bunten Anzügen entweder direkt aus dem OP kommen oder eben dem Pflegepersonal angehören. Das Outfit, egal ob selbst gewählt oder vorgegeben, ist immer ein Statement, bewusst wie unbewusst. Vor wenigen Tagen etwa war mir nach Lederhose zumute – ein Kleidungsstück, das ich einfach sehr gerne trage, und zwar nicht nur in den Bergen oder zu Anlässen, zu denen jede:r Tracht trägt, sondern auch im Alltag. Die Lederhose ist bequem, fesch und – ein Wort, das ich eingangs schon verwendet habe – ungemein kleidsam. An einem super-heißen Tag habe ich jedoch einfach ganz keck Flipflops dazu kombiniert – die mir als einzige Möglichkeit erschienen, nicht vor Hitze umzukommen. Ich denke – bei all meiner Achtung für Traditionen und dem Hochschätzen des gepflegten Auftritts – können wir uns das heutzutage ab und zu erlauben.

Ausgesendete Signale

Das wäre nicht immer denkbar gewesen und im Umgang mit Kleidung, Frisuren, Schmuck oder auch zum Beispiel der Sichtbarkeit von Tätowierungen hat sich allerhand getan, allein in den vergangenen 20, 30 Jahren. Männer mit langen Haaren, ja gar Dutts und Ohrringen? Frauen im Hosenanzug und Kurzhaarschnitt? Da hätten meine Großeltern, wahrscheinlich sogar meine Eltern noch, bestenfalls den Kopf drüber geschüttelt und sich gefragt, ob der Knigge denn schon in den Urlaub gefahren ist. Dabei heißt es nicht automatisch, wenn jemand einen Anzug anhat, dass er auch gleich gut angezogen ist. Manche Anzüge, kurzärmelige Hemden und Krawatten lassen eher wünschen, der Herr hätte vielleicht besser eine gutsitzende Hose und ein Polohemd angezogen.

Darum: bei aller Freiheit, die wir uns heutzutage in Sachen Kleidung bzw. äußerem Erscheinungsbild herausnehmen dürfen, denken wir auch immer darüber nach, dass wir damit Signale aussenden, und das nicht zu knapp! In diesem Sinne: bleiben Sie cool und gut gekleidet!

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