"Es geht zunächst um Performance in all ihren Aspekten auf der persönlichen, organisatorischen und der gesellschaftlichen Ebene"

Richard Straub, Gründer und Präsident des Global Peter Drucker Forum, spricht im LEADERSNET-Interview über die ursprüngliche Idee hinter der Veranstaltung, die Veränderungen, die im Laufe der Zeit stattgefunden haben, und das diesjährige Programm des Forums.

LEADERSNET: Sie haben das Peter Drucker Forum vor 14 Jahren gegründet, was hat sich im Verlauf der Jahre geändert und was waren die größten Umbrüche?

Straub: Meine Frau Ilse und ich sind durch einen Zufall in das Drucker-Forum hineingestolpert. Wir haben im Jahr 2009 lediglich jemanden gesucht der die Jahrhundertfeier für Peter Drucker übernehmen sollte. Allerdings sind wir nach einige Iterationen zum Schluss gekommen, dass wir das wohl selbst in Angriff nehmen müssen, wenn wir sicher sein wollen, dass es eine Konferenz im Sinne von Peter Drucker sein würde. Und es ist uns tatsächlich gelungen – ohne Konferenzerfahrung – eine Weltklasse-Konferenz zusammenzustellen. Das hat auch Doris Drucker, die Witwe von Peter so gesehen und hat uns nach der Konferenz gebeten ein jährliches Global Peter Drucker Forum zu veranstalten.

LEADERSNET: Gleichzeitig wurden Drucker-Foren in anderen Kontinenten – sogar in den USA an der Drucker Business School – aufgelassen. Was hat sich seither geändert?

Die Konferenz ist kräftig gewachsen und hat sich vom Festsaal der Industriellen Vereinigung mit 300 Teilnehmern, über die Aula der Wissenschaften mit 500 Teilnehmern, in die Hofburg mit 1000 Teilnehmern entwickelt. Im Laufe der Jahre wurde die Konferenz schneller getaktet und mit mehr interaktiven Formaten versehen.

Die Covid-Periode haben wir genutzt, um unsere digitalen Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Wir haben im vergangenen Jahr ein innovatives Konferenzformat kreiert – wir nennen es "in-person first" - bei dem wir den Kern der Präsenzveranstaltung intakt halten und ein Streaming TV-Programm parallel laufen lassen, mit Interviews, Kurzberichten aus den Sessions und Kurzvideos von vergangenen Foren.

Das Drucker-Forum-TV-Programm kann weltweit über YouTube gestreamt und auch in Replays gesehen werden. Es ist aber kein Live-Stream der Konferenz selbst sondern ein ergänzendes Programm. Was sich seit dem ersten Forum nicht geändert hat: die Motivation der Management-Denker aus aller Welt, in Wien dabei zu sein.

LEADERSNET: Was sind die Schwerpunkte des diesjährigen Global Peter Drucker Forums?

Straub: Es geht zunächst um Performance, also Leistung, in all ihren Aspekten auf der persönlichen, organisatorischen wie auch gesellschaftlichen Ebene. Die Leistung des Einzelnen ist mit dem Wohlstand einer Gesellschaft verbunden und umgekehrt: Wie eine Gesellschaft Leistung fördert und belohnt, wird auch den Einzelnen zu Leistung anregen. Natürlich werden wir uns dabei auch mit den Schattenseiten des Leistungsbegriffs beschäftigen, beispielsweise auf der persönlichen Ebene (Burn-out). Zweitens geht es uns auch darum, Leistung im Zusammenhang mit Innovation und Unternehmertum zu sehen. Letzteres ist die Zukunftsbasis für Unternehmen, aber wird noch immer zu wenig gelebt. Vielleicht auch, weil sie im Gegensatz zu einem zu sehr auf Effizienz und Schlagzahl konzentrierten Leistungsbegriff stehen.

Wie müssen wir als Führungskräfte unseren Leistungsanspruch vermitteln und leben, damit dieser nicht als modernes Sklaventum erlebt wird, sondern Sinn vermittelt und zu Innovation und Unternehmertum führt? Das wird eine der zahlreichen spannenden Fragen sein. Jim Collins, einer der großen Drucker Schüler, hat es so ausgedrückt: Drucker’s Idee war, die Gesellschaft als Ganzes gleichzeitig leistungsfähiger und menschlicher zu machen.

LEADERSNET: Welche kann als die relevanteste Zielgruppe des Forums betrachtet werden?

Straub: Das Forum richtet sich an Top-Führungskräfte und an alle, die an Fragen des Managements im Kontext seiner gesellschaftlichen Verantwortung interessiert sind. Dazu gehört für uns aber auch die junge Generation. Deshalb organisieren wir zu jedem Forum eine sogenannte Drucker Challenge, wo die junge Generation, also vorwiegend Student:innen, einen Essay zu einem definierten Thema schreiben und die Gewinner zu der Hauptveranstaltung im November eingeladen werden.

LEADERSNET: Wie viele Besucher:innen erwarten Sie für die heurige Veranstaltung?

Straub: Wir rechnen mit über 500 Teilnehmer:innen und man kann sich ab Juli anmelden.

LEADERSNET: Welche Sprecher:innen stehen für das diesjährige Forum fest?

Straub: Wir freuen uns auf inspirierende Management Denker und Praktiker wie etwa Amy Edmondson, von der  Harvard Business School, die 2021 den ersten Platz in der Reihe der Management Gurus von Thinkers 50 zugesprochen bekam, Rita McGrath – die Nummer 2 in eben derselben Liste, oder Roger L. Martin. Auch wichtige europäische Denker werden mit von der Partie sein, wie Avivah Wittenberg-Cox und von der jungen Generation Guila Clara Kessus und Rahf Harfoush um nur einige zu nennen.

Mit Jeffrey Sachs werden wir einen der profiliertesten Beobachter und Mitgestalter der geopolitischen Entwicklung dabeihaben. CEOs von wichtigen Unternehmen werden ihre tägliche Praxis einbringen. Die Zusammensetzung unsere Teilnehmer und Thought Leader aus unterschiedlichen Bereichen (Wirtschaft, Wissenschaft, Beratung, Journalismus) sichert vielfältige Perspektiven, Erfahrungen und Meinungen.

LEADERSNET: Kürzlich hat der Auftakt zum Forum im Herbst stattgefunden: das Global Peter Drucker Summer Forum. Aus welchem Grund haben Sie sich hier für eine digitale Veranstaltung entschieden?

Straub: Das Digitale Drucker Summer Forum, an dem dieses Jahr 630 Managementinteressierte aus 53 Ländern teilgenommen haben, ist die vorbereitende, virtuelle Komponente des Forums im November 2022. Wir richten uns bewusst an eine internationale Audience und hier bietet eine digitale Veranstaltung natürlich viele Vorteile, organisatorischer Natur und für die Teilnehmer.

Die Präsenzveranstaltung im November, die den Höhepunkt unserer "Journey" für das Jahr 2022 darstellt, bietet dann genug qualitativen Raum, um sich persönlich auszutauschen, neue Kontakte aufzubauen und sich zu vernetzen – das schätzen unsere Gäste immer sehr. Digitale Formate bleiben aber ein wichtiger Bestandteil unseres Angebots, um den Dialog, der in diesen Zeiten noch wichtiger geworden ist, weiter zu fördern.

LEADERSNET: Mit welchen Herausforderungen waren der private und der öffentliche Wirtschaftssektor im Zuge von Covid-19 konfrontiert?

Straub: Eine sehr breite Frage, auf die man vielfältig antworten kann und muss. Ein roter Faden hinter all den Herausforderungen ist für alle Sektoren der Wirtschaft und Gesellschaft der Umgang mit Umbrüchen und das Hinterfragen von Gewissheiten. Selbst wenn Covid-19 in den Hintergrund getreten ist, wird uns der Umgang mit Umbrüchen auch weiterhin beschäftigen. Die gesamte westliche Gesellschaft steht vor einer Zeitenwende.

Aber Covid-19 war ja nicht nur eine schwierige Zeit, sie war auch eine Zeit der Innovationen und der Besinnung auf das Wesentliche – auf vielen Gebieten. Das darf man nicht übersehen und es gilt zu hoffen, dass wir nicht wieder zurückfallen, z. B. im Bereich Büroarbeit und der Führung von Mitarbeiter:innen, insbesondere den Wissensarbeiter:innen. Hier stehen wir noch vor großen Fragestellungen, aber auch Potenzialen.

LEADERSNET: Wie sieht eine Performance Kultur in Unternehmen post-COVID aus?

Straub: Das herauszuarbeiten wird die Aufgabe des November-Forums sein. Bereits das Digital Summer Forum zeigte, wie viele Aspekte diese Frage umfasst. Wir sind wirklich gespannt auf die vielen Perspektiven und Beiträge unserer Redner:innen zu diesem Thema. Bereits im Digital Summer Forum hat sich jedoch herauskristallisiert, dass sich eine Performance-Kultur nach Post-Covid-19 stärker auf das Wesentliche konzentrieren muss: Welche Leistung benötige ich tatsächlich und welche nicht?

Welche neuartigen Bedürfnisse muss ich für meine Mitarbeiter:innen abdecken, um ein Hochleistungs-Team zu ermöglichen? Welche KPIs sind noch relevant? Deswegen haben wir auch den Nachsatz: "Performance That Matters" in unserem Titel und nicht nur "Performance". Man wird sich auch viel stärker auf den Output konzentrieren als auf die Inputfaktoren, also das Ergebnis zählt, nicht die Präsenzzeit, die man aufgewendet hat.

LEADERSNET: Wie können Unternehmen innerhalb eines Teams die bestmögliche Leistung aus den einzelnen Teammitgliedern holen?

Straub: Auch da gibt es viele Antworten. Für Peter Drucker - und unsere Diskussionen am Digital Summer Forum haben, das bestätigt - waren für den „spirit of performance“ gemeinsame Leistungsstandards, Werte und Integrität zentral. Letztlich geht es um gegenseitigen Respekt, Anerkennung und Verantwortung füreinander. Hierfür muss eine gemeinsame Sprache im Team entwickelt werden, die Platz für und kollektive Übereinkunft über Diversität, Achtsamkeit und Respekt und Leistung schafft.

LEADERSNET: Woran kann Leistung im Unternehmen eigentlich gemessen werden?

Straub: Hier wäre die Frage, ob wir nicht bescheidener werden sollten. Gerade die Diskussionen im Digital Summer Forum zeigten die Grenzen der Leistungsmessung auf. Wir können Leistung bestenfalls einschätzen und die KPIs sind das, was ihr Name sagt, Indikatoren und nicht mehr. Wir brauchen also einen ganzheitlicheren und zugleich bescheideneren Zugang zum Management. Je eher sich die Mitarbeiter:innen nicht mehr einem sturen und versklavenden Zahlensystem unterworfen sehen, werden sie ihr volles Leistungspotenzial und Kreativität entfalten.

LEADERSNET: Auf welche Art kann die langfristige Wertschöpfungskraft im Unternehmen gesichert werden?

Straub: Dazu passt der Titel unseres diesjährigen Forums sehr gut: erstens, durch Performance und zweitens durch Innovation und Unternehmertum. Leistung ist für die Qualität, Effizienz und die Umsetzung von Zielen wichtig, also für den heutigen Erfolg. Innovation und Unternehmertum schaffen die Basis für jenen Mehrwert, der einem Unternehmen auch morgen noch die Existenz sichert.

LEADERSNET: Welche Herausforderungen ergeben sich dadurch für das Management und zum diesjährigen Forum?

Straub: Auch darauf lässt sich sehr viel sagen, aber was sich viel stärker abzeichnet als bisher, ist der Prozess der Entscheidungsfindung. Zeiten des Umbruchs verlangen Entscheidungen ab, mehr denn je und sie sind schwieriger geworden. Die Führungskräfte der Zukunft müssen stärker darauf achten, wie und mit wem sie Entscheidungen treffen, wie sie für sich Klarheit gewinnen, wie sie Einseitigkeiten vermeiden, wie sie ihre Entscheidungen vermitteln. Wie Suzie Welch in einem Panel gesagt hat, der CEO ist auch ein Chief Meaning Officer. Darüber sollten sie sich viel stärker bewusst werden. Das wird entscheidend sein.

LEADERSNET: Was würden Sie sich für die Zukunft des Forums wünschen?

Straub: Wir haben in den letzten Jahren sehr viel erreicht, gerade auch dank der Bereitschaft vieler großartiger Redner:innen und Sponsoren, uns zu unterstützen, unseres Teams und vieler Freiwilliger. Die erreichte Qualität ist weltweit anerkannt, jetzt geht es für uns darum, noch mehr Menschen zu begeistern, mit uns über Management als eine der wesentlichsten Aufgaben in Organisationen und Gesellschaft nachzudenken. Wir möchten noch stärker zu einem globalen Zentrum des Austauschs über Management und dessen Innovation werden. Dafür gründen wir im September ein eigenes neues Zentrum in Wien – mehr dazu werden wir Ende August kommunizieren.

Eines unserer großen Anliegen ist, die überragende Bedeutung von Management-Qualität nicht nur in der Wirtschaft, sondern in allen gesellschaftlichen Institutionen bewusst zu machen. Ohne solides Management kann man kein Krankenhaus erfolgreich führen, kann man keinen Sportverein an die Spitze bringen und kann die Energiewende nicht erfolgreich durchziehen. All das fordert den Realitätsbezug und die systematische Vorgangsweise, die eine solide Management-Praxis mit sich bringt. Wunschdenken und Ideologie leisten das nicht – das sollte heute klarer sein als je zuvor. Die Besinnung auf das Wesentliche, und dazu gehört eben Management-Qualität, ist die einzige Chance den Weg aus der Krise zu finden. (tk)

www.druckerforum.org/home

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