Es ist sein Markenzeichen: unrasiert und im Hoody. Wolodymyr Selenskyj ist jener Präsident, der die strategische Kriegsführung via Twitter und Co. wie sonst kein anderes Staatsoberhaupt vor ihm beherrscht. Mit seinen Videobotschaften und markigen Sagern, die die ganze Welt erreichen, ist er zur Galionsfigur des russisch-ukrainischen Konfliktes avanciert. Ein Held mit Dreitagesbart, der sich gekonnt in Szene setzt. Wer ihn wie der französische Präsident Emmanuel Macron nachahmt, erntet mediale Häme. Und das zurecht.
Neue Maßstäbe der Kommunikationsstrategie
Der russisch-ukrainische Konflikt setzt neue Maßstäbe in der Kommunikationsstrategie. Auf der einen Seite Selenskyj: menschlich, emotional und greifbar für das ukrainische Volk. Auf der anderen Seite Putin: steif, unnahbar, immer dasselbe russische Narrativ wiederholend und völlig isoliert. Putins Stil wirkt schwach, veraltet, wie aus der Zeit gefallen, während sich Selenskyj kämpferisch inszeniert und alle Mittel der modernen Kommunikation für seine und die Ziele seines Landes zu nutzen weiß.
Selenskyi kommuniziert aber vor allem über Bilder und tatsächlich nicht allein, sondern oft im Team. Und seine RegierungskollegInnen sind fast genauso aktiv wie er. Er bezieht sich bei seinen Ansprachen auf konkrete Anknüpfungspunkte, nimmt Bezug auf das Land, an das er sich wendet, wie beispielsweise auf die Berliner Mauer während seiner Rede im Deutschen Bundestag oder auf 9/11, als er im US-Kongress spricht. Er wendet sich immer direkt an die gesamte Führung und stellt konkrete Forderungen.
Auf der anderen Seite Putin, der fast nur alleine und ab und zu mit einem Armeesprecher in steifer und roboterhafter Weise auftritt.
Selneskyi setzt gekonnt auf die sozialen Medien, Putin auf das russische Staatsfernsehen.
Den Informationskrieg hat die Ukraine eindeutig für sich entschieden, über die sozialen Medien kann die gesamte Welt den brutalen Krieg in der Ukraine fast live mitverfolgen. Auch die USA mischen mit – meist via TikTok. Jene Plattform, die als Unterhaltungsmedium mit Schminkvideos von Teenies abgestempelt wurde, ist heute das virtuelle Schlachtfeld im russisch-ukrainischen Krieg ist. Videos mit dem Hashtag Ukraine gingen mehr als 22 Milliarden Mal viral.
Kommunikation in Kriegszeiten war und ist aber auch Propaganda – egal ob mit Fotografien, Postkarten und Flugblättern im Ersten Weltkrieg, erstmals via TV im Vietnamkrieg oder über soziale Medien. Es ist eine Informationsflut, ein undurchsichtiger Dschungel von News und Fake News, von Wahrheit und von Lügen, die einen objektiven Blick derzeit so unglaublich schwierig macht. Eine Verfälschung, ein Zurechtrücken von Fakten.
Und Propaganda wirkt. Auch die russische – verknüpft mit Zensur, Unterdrückung von Presse- und Meinungsfreiheit, Schließung von unabhängigen Sendern sowie mit massiven Strafandrohungen bei regierungskritischen Äußerungen oder Kritik gegen die Militäreinsätze.
Informationskrieg
Der russische Krieg in der Ukraine ist ein Krieg um Informationen, um emotionale Bilder, die ein strategisches Ziel verfolgen. Dass das erste Opfer des Krieges die Wahrheit ist, sollte man immer im Hinterkopf haben, wenn man die Berichterstattung via Twitter und TikTok teils mit brutalen Kriegsbildern verfolgt. Die Angaben sind in vielen Fällen nicht überprüfbar, unabhängige Berichterstattung und Quellen bedeutender denn je. Die Bilder und Videos haben Macht, eine Macht, die sich jeder bewusst sein muss, der sie verfolgt.
Darüber hinaus ist und muss dies auch eine Lehre sein, wie wir – nicht nur in Kriegszeiten – grundsätzlich miteinander kommunizieren. Sei es im privaten, aber auch im geschäftlichen Bereich. Empathie und Nähe sind wichtig und auch das Team ist relevant. Was wir kommunizieren muss nachvollziehbar, überprüfbar und transparent sein. Die Kommunikation muss konkrete Punkte bzw. Forderungen enthalten und zielgerichtet an das Gegenüber gerichtet sein.
Auch wenn ich versuche, in diese Lehren der Kommunikation einen positiven Punkt zu sehen, so fällt mir dies schwer. Das allerwichtigste ist und bleibt, dass dieser Krieg alsbald endet und dass wir ALLE wieder in Frieden leben können. (ca)
www.jti.com
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