Wer nicht hören will, bekommt ein Geschenk!?

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.  

In der COVID-Pandemie ist ja schon einiges schiefgelaufen, ob wider besseren Wissens oder sehenden Auges sei dahingestellt – es macht ja im Ergebnis doch keinen Unterschied. Ja, wir sind in einer vorher noch nicht dagewesenen Situation und den Entscheidungsträgern fehlen Erfahrungswerte, alles gut und schön. Aber allein die Idee, die Einführung der COVID-Impfpflicht mit einer Impflotterie zu verknüpfen, hat in meinen Augen das Fass zum Überlaufen gebracht und ich frage ganz offen: „Geht's noch?"

Ich bin ein offener Befürworter der Impfung und, weil die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung bis dato nicht zur gewünschten Durchimpfungsrate geführt haben, auch durchaus für eine Impfpflicht. Von diversen Oppositionspolitikern wird diese seit Wochen fälschlicherweise als Impfzwang tituliert. Wenn man dieser gesetzlich festgeschriebenen Pflicht nicht folgt, kommt es zu einem Verwaltungsverfahren, aber nicht zu einer Zwangsimpfung. Wie bei fast jedem Gesetz, das man nicht befolgt, wird dann u.U. eine Verwaltungsstrafe fällig. Wenn man dem Gesetz folgt, was die Basis und den Rahmen unserer Gesellschaft definiert, gibt es grundsätzlich keine Belohnung, weil die Einhaltung von gesellschaftlichen Standards (Gesetzen) die Basis des Zusammenlebens und damit Bürgerpflicht ist. Doch hier wird man für die Einhaltung eines Gesetzes mit einem Lotterielos belohnt... Ich wiederhole: „Geht's noch?"

Wenn ich mich ins Auto setze und den Sicherheitsgurt anlege, erhöhen sich bei einem Verkehrsunfall die Chancen, dass es glimpflich für mich ausgeht. Ich befolge die Gurtenpflicht, trotzdem reicht mir niemand am Ende der Autofahrt ein Lotterielos.

Wenn ich im Restaurant eine Speise bestelle, von der ich sicher sein kann, dass sie keine allergische Reaktion auslöst, ist das nicht nur schön, sondern in Einzelfällen lebensrettend. Der Gastronom oder die Gastronomin hat die Allergenkennzeichnungspflicht erfüllt, doch niemand legt ihnen zur Tageslosung ein Lotterielos dazu. Wenn ich nicht über eine rote Ampel fahre, bekomme ich dann jeweils ein Lotterielos?

Sie merken, worauf ich hinauswill?

Für pflicht-, gesetzes- oder regelkonformes Verhalten Gewinne auszuloben, ist in meinen Augen – zurückhaltend ausgedrückt – Blödsinn und ein absoluter politischer Tabubruch! Hat irgendjemand ernsthaft darüber nachgedacht, wohin das führt? Schülerinnen, die nur dann zumindest neun Jahre den Unterricht besuchen, wenn sie an der Verlosung eines Geldbetrags teilnehmen können? Junge Männer, die erst dann Präsenz- oder Zivildienst leisten, wenn am Ende die Möglichkeit auf ein Auto rausschaut?

So gibt es 1000 von Gesetzen und Beispielen. Wollen wir hier überall nur noch belohnen? Die Impflotterie kostet schon 750 Mio. Euro, ich mag gar nicht ausrechnen, was dies alles dann kosten würde. Oder allein in diesem konkreten Fall. Kommt man zum Schluss, dass es hier jährlich einer Auffrischungsimpfung bedarf, haben wir dann jedes Jahr eine Impflotterie. Ganz zu schweigen von dem Nebeneffekt, dass die, die sich eigentlich eh impfen lassen wollten, nun einfach abwarten bis eine Belohnung ausgelobt wird, womit man den gegenteiligen Effekt erzielt und wichtige Zeit verliert.

Bürgerpflichten

Insgesamt konterkariert dies doch sämtliche Bürgerpflichten, die aber für den Zusammenhalt und das Funktionieren einer Gesellschaft absolut essentiell sind. Denken Sie auch an Menschen, die ehrenamtlich arbeiten! Wenn sie das nur noch für eine Belohnung tun, kommen viele Institutionen ganz schön ins Strudeln – insbesondere jene, die gerade jetzt in der Pandemie besonders gefordert sind. Oder wenn Eltern oder Lehrkräfte ihre Sorgfalts- und/oder Aufsichtspflicht nur noch dann erfüllen, wenn eine Gegenleistung dabei rausspringen könnte. Puh, dann wird es aber ganz schön finster.

Die Gesellschaft ist schon gespalten genug, daran wird auch die Tatsache nichts ändern, dass auch jene, die bereits verantwortungsvoll gehandelt und sich haben impfen lassen, ebenfalls von der Lotterie profitieren sollen. Was aber wiederum die „Gewinnchancen" der Skeptiker reduziert und damit deren Bereitschaft. Mir ist schon klar: Außergewöhnliche Umstände erfordern manchmal außergewöhnliche Maßnahmen, das war auch in der 238-jährigen Unternehmensgeschichte von JTI Austria immer wieder der Fall. Aber von dieser Maßnahme – das muss ich in aller Klarheit sagen – bin ich nicht überzeugt. Werde ich trotzdem an der Lotterie teilnehmen? Ja sicher! Und sollte ich gewinnen, werde ich es ehrenamtlich arbeitenden Menschen zur Verfügung stellen, denn diese haben sicherlich diese einmalige „überraschende" Anerkennung verdient.

www.jti.com


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