Würth gilt als Spezialist im Handel mit Montage- und Befestigungsmaterial für die professionelle Anwendung. Die Produktpalette umfasst über 120.000 Artikel. Das Unternehmen beschäftigt über 900 Mitarbeiter:innen und erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2020 einen Umsatz von 223,7 Millionen Euro. Wie das trotz Krise möglich ist und warum der richtige Zeitpunkt ist, das Niederlassungsnetz groß auszubauen, verrät Alfred Wurmbrand, CEO von Würth, im Interview.
LEADERSNET: Service für seine B2B-Kunden steht für Würth Österreich an oberster Stelle. Kann dieses Ziel auch in Krisenzeiten aufrechterhalten werden?
Wurmbrand: Gerade in Zeiten der COVID-19 Pandemie war es für Würth enorm wichtig den Service für unsere Kundinnen und Kunden aufrechtzuerhalten. Noch dazu, weil ein Großteil davon im Versorgungsbereich tätig ist. Auch wenn sich das Wort systemrelevant bereits ein wenig abgenützt hat, war es von großer Wichtigkeit solchen Bedarfen nachzukommen. Auf den ersten Blick war das kein Problem, aber aufgrund des Lock-Downs sind wir natürlich organisatorisch vor großen Herausforderungen gestanden. Nachdem klar war, dass und wie das Handwerk, der Bau und die Industrie wieder weiterarbeiten darf, konnten anfängliche Umsatzrückgänge wieder geglättet werden.
LEADERSNET: Gibt es Pläne für den weiteren Ausbau von Standorten in Österreich?
Wurmbrand: Unser Ziel ist es, unseren Kundinnen und Kunden ein erweitertes Lager vor ihrer Haustüre anzubieten und so die Erreichbarkeit der Würth Shops sukzessive zu verbessern. Damit einhergehend ergibt sich ein ganz klarer Auftrag zur Erweiterung unserer Standorte.
LEADERSNET: Wie ist das in der Pandemie möglich?
Wurmbrand: Die Expansion an sich wird durch die COVID-19 Pandemie nicht beeinflusst, da wir unsere Shops unabhängig davon errichten bzw. einrichten können. Für den Shop direkt haben wir immer entsprechende Sicherheitskonzepte erstellt, die einen Einkauf problemlos möglich gemacht haben. Ebenso verfügen unsere Standorte flächendeckend über ein Click & Collect Service, das eine kontaktlose Abholung von Waren nahezu in allen Shops auch außerhalb der Öffnungszeiten ermöglicht. Diese bereits vorhandenen Strukturen haben uns in diesen Zeiten den Zugang zu unseren Kundinnen und Kunden erleichtert.
LEADERSNET: Können Sie ein kurzes Resümee ziehen?
Wurmbrand: Um die positiven Aspekte zu betrachten, kann ich sagen, dass es sehr viele gute Lerneffekte gegeben hat. Unsere Firmenwerte haben dabei in jedem Fall dazu beigetragen, dass wir uns in einer solchen Situation als Organisation schnell orientieren und auch entsprechend agieren können. Wichtige Themen wie Verbindlichkeit, intern wie extern, Geschwindigkeit, also eine schnelle Reaktion auf unterschiedliche Herausforderungen und die Klarheit, was unseren Auftrag betrifft, haben uns dabei sehr geholfen. In Summe konnten wir das Jahr 2020 etwa auf dem Niveau von 2019 abschließen.
LEADERSNET: Wie steht es um die Beschaffung in Zeiten einer weltweiten Krise?
Wurmbrand: Nach über 30 Jahren bei Würth Österreich kann ich sagen, dass ich tatsächlich so eine Situation noch nicht erlebt habe. Die Schwierigkeit mit den Beschaffungsmärkten ist, dass hier unterschiedliche Themen aufeinandertreffen wie beispielsweise der Rohstoffmangel und Logistikprobleme, weil Frachtcontainer krisenbedingt eingeschränkt verfügbar sind. Die Lage am Suezkanal hat diese Problematik zusätzlich verschärft. Man kann aktuell gar nicht prognostizieren, wo Engpässe als nächstes auftreten. Und ich denke, diese Herausforderungen werden noch eine Weile andauern.
LEADERSNET: Wie konnte die Beschaffung aufrechterhalten werden?
Wurmbrand: Wir haben den großen Vorteil, dass es in unserer Produktpalette viele Produkte gibt, die untereinander substituiert werden können. Man kann zum Beispiel im Montagebereich auf andere Dimensionen ausweichen oder auf ein anderes Anwendungsgebiet. Ein essentieller Benefit für Würth ist, dass wir vorrangig auf europäische Produzenten zurückgreifen. Wir verfügen beispielsweise über eine Schraubenproduktion in Österreich und in Deutschland. Aktuelle materialbedingte Engpässe treffen uns genauso, aber wir können sehr viel schneller reagieren als der Wettbewerb.
LEADERSNET: Warum hat die Nähe zu den Kunden so eine hohe Bedeutung für das Unternehmen?
Wurmbrand: Der direkte Kontakt zu unseren Kundinnen und Kunden ist enorm wichtig, da wir Dienstleister für unsere Kundinnen und Kunden sind. Ebenso erhalten wir nur durch die Nähe umgehendes Feedback zu unseren Produkten. Zahlreiche neue Produktentwicklungen basieren auf den Wünschen unserer Kundinnen und Kunden. Ein reiner Online-Handel könnte das nicht. Wir bieten mit unserem Hybridsystem aus Direktvertrieb, Shop und Online-Shop unseren Kundinnen und Kunden ein umfassendes Rumdum-Service.
LEADERSNET: Stimmt es, dass den Handwerkern überall ein Würth Shop zur Verfügung stehen soll, der innerhalb einer halben Stunde erreichbar ist? Wie ist das umsetzbar?
Wurmbrand: Größtenteils sind wir in Österreich schon unter dieser zeitlichen Vorgabe und von den meisten Orten in maximal 20 Minuten erreichbar. In bestimmten Ballungszentren und da spreche ich nicht nur von Großstädten, sondern auch von Industriezentren und Verkehrsachsen, haben wir teilweise eine noch höhere Dichte. Das wird sehr gut angenommen, und gerade das Handwerk ist lokal stark verankert und nutzt die Möglichkeit zum Einkauf in der Region.
LEADERSNET: Werden auch die digitalen Möglichkeiten und E-Commerce voll ausgeschöpft?
Wurmbrand: Unsere Ambitionen in diesem Bereich sind hoch und ich sehe hier im Kundensegment noch deutliches Entwicklungspotential. Der Einkaufsprozess wird sich meiner Meinung nach hybrider entwickeln, gerade im eCommerce und eBusiness gibt es viel Potential. Speziell der Bestellprozess wird zunehmend von „Maschine zu Maschine Kommunikation“ übernommen werden. Das bedeutet, dass das Verwaltungssystem der Kundinnen und Kunden bei unserem System automatisiert bestellt. Dadurch reduziert sich der Aufwand für unsere Kundinnen und Kunden erheblich.
LEADERSNET: Was steht hier auf der Agenda?
Wurmbrand: Ganz klar die Investition in die laufende Verbesserung unserer Shop-Applikationen und eine Steigerung der Verkäufe über die digitalen Kanäle. Aktuell liegen wir hier bei Steigerungsraten von ungefähr 20 Prozent. Unsere Planung bis 2026 sieht vor, dass zumindest 30 Prozent unseres Umsatzes über digitale Kanäle laufen wird.
LEADERSNET: Wie blickt Würth in die Zukunft?
Wurmbrand: Sehr positiv. Wir konnten sehr viele Learnings aus der Krisenzeit ziehen und haben gesehen, wie wichtig wir für unsere Kundinnen und Kunden in herausfordernden Zeiten sind. Die Unterstützung unserer Mitarbeiter:innen war sehr stark und erfüllt mich rückblickend mit Freude. Die Wettbewerbssituation wird sich in weniger dramatischen Zeiten wieder verstärken, aber mit unseren Voraussetzungen und unserer Ambition sehe ich dem mit Freude entgegen. (jw)
www.wuerth.at
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