Am Zug: Johann Feindert, CEO GATX Rail Europe & Präsident der UIP

Johann Feindert ist seit über drei Jahrzehnten im Schienengüterverkehr zuhause. Als CEO von GATX Rail Europe und Präsident der UIP – Internationale Union der Wagenhalter vertritt er die Interessen der privaten Wagenhalter in ganz Europa. Er kennt die Branche wie kaum ein anderer – und sagt klar, was sich ändern muss.

Herr Feindert, Sie sind seit über 30 Jahren in der Branche aktiv – und seit diesem Jahr auch Präsident der UIP. Was möchten Sie in dieser Rolle bewegen?

Ich sehe drei zentrale Aufgaben: Erstens wollen wir die UIP als Organisation weiter stärken – personell, inhaltlich und strukturell. Zweitens brauchen wir mehr Sichtbarkeit und eine stärkere Stimme auf europäischer Ebene. Und drittens: Wir müssen gezielt Möglichkeiten nutzen, um EU-Unterstützung für Projekte zur Weiterentwicklung des Schienengüterverkehrs zu bekommen – vor allem bei der Digitalisierung und Automatisierung und der Interoperabilität.

Der Schienengüterverkehr steht vor enormen Herausforderungen. Welche spüren Sie am stärksten?

Die Auslastung sinkt, Margen stehen unter Druck, Vertragslaufzeiten werden kürzer. Energiepreise, Inflation und geopolitische Unsicherheit belasten nicht nur unsere Kund:innen – sondern schlagen auch bei uns als Wagenhalter voll durch. Viele Bahnen stellen Investitionen zurück, Transportvolumina brechen in Schlüsselindustrien wie der Chemie oder Baustoffbranche weg. Gleichzeitig fehlen Stellflächen für nicht eingesetzte Waggons – ein teures Problem für alle Anbieter:innen. Die wirtschaftliche Lage ist angespannt. Die Auslastung in der Branche ist deutlich zurückgegangen.

Welche Entwicklung bereitet Ihnen derzeit am meisten Sorge?

Neben dem bekannten Thema hoher Trassenpreise und der Baustellenproblematik des europäischen Schienennetzes sehe ich aktuell zwei ganz kritische Punkte:

  1. Der Schweizer Alleingang bei Wageninspektion in Bezug auf Radsätze nach dem Gotthard-Unfall. Die neuen, unabgestimmten und sehr pauschalen Vorschriften zerstören faktisch die europäische Interoperabilität – obwohl bereits EU-weite Lösungen erarbeitet wurden und werden.
  2. Langsames Tempo bei Harmonisierung und Digitalisierung – das zieht sich durch viele EU-Mitgliedsstaaten. Dabei wäre die Bahn wie gemacht für grenzüberschreitende Lösungen.

Was ich mir wünsche: klare, faire und europäisch abgestimmte Spielregeln – statt nationaler Sonderwege.

naturail – die neue Plattform für den Schienengüterverkehr – wie sehen Sie diese Initiative?

Ich begrüße das sehr. naturail gibt der Branche eine gemeinsame Stimme – sichtbar, koordiniert, lösungsorientiert. Diese Initiative muss Signalwirkung haben: eine starke Allianz der Beteiligten des Schienengüterverkehrs wie Wagenhaltern, Anschlussbahnen und Eisenbahnverkehrsunternehmen u.a., die sich gemeinsam positioniert. Das ist genau die Art von Zusammenarbeit, die wir europaweit brauchen. Nur wenn wir geschlossen auftreten, werden wir politisch gehört – und können den Schienengüterverkehr dorthin bringen, wo er hingehört: in die Mitte der Verkehrs- und Klimapolitik.

Was braucht es noch, damit der Schienengüterverkehr europäisch erfolgreich bleibt?

Mehr Marktanteil. Aber das geht nur mit einem besseren Angebot und besseren Rahmenbedingungen. Wir müssen technische Hürden abbauen, Prozesse vereinfachen, Standards vereinheitlichen und vor allem in Innovationen investieren, Stichwort "Digitale Automatische Kupplung (DAK)" Die Schiene muss für Kund:innen einfacher, transparenter, berechenbarer werden.

Wenn Sie eine Vision für 2030 malen dürften: Wie sieht der Schienengüterverkehr dann aus?

Ich sehe ein Netzwerk, das voll integriert ist in multimodale Lieferketten. Waggons, die ihren Zustand selbst melden. Grenzübertritte ohne Verzögerung. Und Plattformen, die den gesamten Supply-Chain-Status in Echtzeit liefern. Kurz gesagt: digitaler, flexibler, effizienter. Dann wird der Schienengüterverkehr seinen Platz im europäischen Logistikmix auch behaupten und ausbauen können.

Und persönlich: Was gibt Ihnen Energie für Ihre Aufgaben?

Klarer Kopf durch klare Umgebung – das ist mein Motto. Ich gehe viel Radfahren, Wandern, bin gern draußen. Und meine Familie ist mein Rückhalt – sie erdet mich und erinnert mich daran, was wirklich zählt.


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