KI-Kolumne von Jürgen Bogner
KI 2026: Zwischen Genie-Kollektiv und Kontrollverlust

| Redaktion 
| 25.06.2025

Im Rahmen unserer KI-Serie, bei der KI-Profi Jürgen Bogner (CEO & Gründer von biteme.digital) regelmäßig einen Beitrag rund um das Thema Künstliche Intelligenz verfasst, erfahren LEADERSNET-Leser:innen dieses Mal, was 2026 im Bereich KI auf uns zukommt – und was Führungskräfte konkret tun müssen, um die Technologie zu kontrollieren, anstatt sich von ihr kontrollieren zu lassen. 

Mitte 2025 habe ich mir einen halben Tag gegönnt – keine Mails, keine Meetings, keine Calls. Stattdessen: Deep Dive in die Zukunft. Was erwartet uns 2026 wirklich im Bereich Künstlicher Intelligenz? Welche Technologien stehen unmittelbar vor dem Durchbruch, und was bleibt bloß visionäre Schaumschlägerei?

Meine Erkenntnis nach diesem Ausflug: Klingt nach Science-Fiction? Falsch. Klingt nach Dienstag.

Diese Kolumne ist eine Momentaufnahme – und ein Blick in den Rückspiegel der Zukunft. Sie fasst zehn zentrale Entwicklungen zusammen, die uns im Jahr 2026 sehr konkret bevorstehen könnten.

1. Der neue Dirigent der Softwarewelt

Beginnen wir mit dem Offensichtlichen: Programmieren, wie wir es kennen, ist bald Geschichte. Wenn Dario Amodei und Mark Zuckerberg recht behalten – und das tun sie leider häufiger, als uns lieb ist – schreibt KI ab 2026 den Großteil unseres Codes. Entwickler:innen? Werden zu Orchestrator:innen. Dirigent:innen digitaler Sinfonien, komponiert von Maschinen. Wir starten in die Ära des Prototypings, in der jeder seine Idee zur App machen kann.

2. AGI – das Genie im Rechenzentrum

Noch beängstigender (oder faszinierender, je nach Blickwinkel) ist der Schritt zur Allgemeinen Künstlichen Intelligenz – AGI. Laut Elon Musk steht sie praktisch schon vor der Tür, metaphorisch gesehen, mit einem IQ von 250 und einer Agenda, die niemand so recht kennt. Denken Sie an ein ganzes Land voller Genies – digital, skalierbar, unermüdlich und völlig unemotional.

3. Humanoide Helfer oder menschliche Ersatzteile?

Tesla plant Roboter, die Ihre Kinder abholen, den Geschirrspüler ausräumen und nebenbei Französisch unterrichten. Doch wenn Maschinen den Alltag übernehmen, was bleibt uns Menschen dann eigentlich noch übrig? Die zentrale Frage lautet also nicht, was Roboter können – sondern wofür wir dann noch gebraucht werden. Und tatsächlich bereiten sich einige Länder dafür schon vor, mit z. B. eigenen Gesetzen, die es Robotern gestatten, sich selbstständig in der Stadt zu bewegen.

4. Die neue Teamstruktur: Ich, du, zehn KI-Instanzen

Sam Altman malt uns ein Szenario virtueller Super-Teams, die komplexe Aufgaben lösen, noch bevor wir sie vollständig verstanden haben. Klingt effizient – aber auch nach einem Albtraum für das mittlere Management, das plötzlich gar nicht mehr so genau weiß, wer eigentlich wem Bericht erstattet.

5. Multimodale Omnimodelle – KI mit allen fünf Sinnen

DeepMind entwickelt Modelle, die Text, Bild, Video und Ton vereinen – sogenannte Omnimodelle. Diese KI versteht unsere physische Welt ganzheitlich und interagiert komplexer als je zuvor. Eine Revolution für alles, was sich nicht allein mit Sprache erklären lässt – und eine Chance für jene Unternehmen, die frühzeitig erkennen, wie wertvoll solche Systeme sein können.

6. Der große KI-Schub – powered by Rubin & Co.

Unterdessen kündigt Nvidia mit Rubin eine Hardwaregeneration an, die alles in den Schatten stellt: 900-fache Leistung, 14-fache Effizienz. Wer braucht da noch Cloud-Lösungen, wenn bald das eigene Smartphone intelligenter ist als das gesamte Bundesrechenzentrum?

7. KI lernt laufen – und hört nie wieder auf

Statische Modelle sind bald Geschichte. Die neuen KI-Systeme lernen kontinuierlich – aus Fehlern, Kontexten, aus dir. Das klingt gut, solange sie nicht irgendwann besser lernen als wir selbst. Führungskräfte müssen lernen, ihre Rolle neu zu definieren, bevor die KI es für sie tut.

8. Energieeffizienz: KI wird grün und global

KI-Modelle, die weniger Strom brauchen als ein Toaster? Klingt nach Utopie, ist aber laut Imad Mustak bald Realität. Der Zugang zur KI demokratisiert sich dadurch – eine riesige Chance, aber auch ein Umbruch für traditionelle Geschäftsmodelle.

9. Wirtschaftliche Disruption: Denken statt Tippen

Wenn KI unsere Arbeit übernimmt, bleibt uns dann nur noch das Denken? Oder übergeben wir auch das irgendwann an die Maschinen? Fest steht: Der Wandel in der Arbeitswelt wird radikal. Kreativität, Strategie und Zieldefinition werden wichtiger als das bloße Abarbeiten von Aufgaben.

10. Zwischen Vision und Verkaufsstrategie

Ob AGI nun 2026 oder 2030 kommt, ist fast zweitrangig. Entscheidend ist, dass kommerzielle Interessen die Realität verzerren könnten. Wer Investor:innen braucht, liefert optimistische Prognosen. Wer zögert, wird überrollt. Vielleicht ist die größte Gefahr also nicht die KI selbst – sondern, dass wir nicht mehr wissen, wem wir noch glauben können.

Fazit: KI beherrschen lernen, bevor sie uns beherrscht

2026 wird zum Wendepunkt. Eine Zeit, in der Führungskräfte klar entscheiden müssen, wie sie KI nutzen wollen: als bloßes Werkzeug oder als ernstzunehmenden Sparringspartner. Es wird darum gehen, wer wen kontrolliert – wir die KI, oder die KI uns?

Konkret heißt das für Führungskräfte:

  • Verstehen, nicht delegieren: Wer KI strategisch nutzen will, muss sie tiefgehend verstehen und selbst mitentwickeln – anstatt sich von der IT-Abteilung erklären zu lassen, warum etwas nicht funktioniert.
  • Klare Grenzen ziehen: Ethische Leitlinien und Verantwortung können nicht an Algorithmen delegiert werden. Führungskräfte müssen selbst festlegen, welche Entscheidungen niemals automatisiert getroffen werden dürfen.
  • Wirklich menschlich führen: Je intelligenter KI wird, desto wertvoller wird Empathie, Kreativität und menschliche Inspiration. Führungskräfte, die das verstehen, schaffen den echten Wettbewerbsvorteil – indem sie das fördern, was KI nie kopieren kann: Menschen, die wissen, warum sie tun, was sie tun.

Denn so faszinierend die KI-Zukunft auch sein mag – sie braucht einen klaren Gegenpol. Und dieser Gegenpol sind und bleiben wir selbst.

www.ahoi.biteme.digital


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