LEADERSNET: Lieber Herr Dobcak, Sie waren nun rund zehn Jahre Obmann der Fachgruppe Gastronomie. Wenn Sie auf diese Zeit zurückblicken, woran erinnern Sie sich gerne und was werden Sie vermissen?
Peter Dobcak: Während meines 17-jährigen ehrenamtlichen Engagements, davon zehn Jahre als Obmann, habe ich großartige und weniger großartige Menschen innerhalb der Kammerorganisation und unter meinen Mitgliedern kennen- und schätzen gelernt. Mit einigen davon – und das über Parteigrenzen hinweg – haben sich wunderbare Freundschaften entwickelt. Diese werden über meine aktive Zeit hinaus bestehen bleiben. Somit werde ich gar nichts vermissen, denn ab nun steht es mir frei, mit jenen lieben Menschen Kontakt zu halten, und die anderen werden mir nicht abgehen.
Aufregend und anstrengend waren diese zehn Jahre allemal. In dieser Zeit – und das kann man so sagen – hat in der Gastronomie ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Wesentliche Rahmenbedingungen haben sich geändert, sodass sich die Branche auf vielen Ebenen neu erfinden musste, um erfolgreich zu bleiben. Viele sind und werden dabei auf der Strecke bleiben.
Erinnern wir uns: Einführung der Allergenverordnung 2014, Einführung der Registrierkassenpflicht samt Belegerteilungspflicht im Jahr 2016, Einführung des generellen Rauchverbots in der Gastronomie im November 2019 – und dann, obendrauf, die Corona-Pandemie, die sowieso alles auf den Kopf gestellt hat. Das war wahrlich keine leichte Zeit, auch für mich als Obmann nicht.
LEADERSNET: Und wenn Sie ehrlich sind: Was wird Ihnen nicht abgehen?
Dobcak: Da komme ich gleich nochmals auf die Pandemie zu sprechen. Diese Zeit war einfach irre – auch persönlich. Wie gehst du mit der Situation um, wenn dich Mitglieder um Mitternacht völlig fertig anrufen und ihren Selbstmord ankündigen, weil sie die Familie nicht mehr ernähren können, nicht mehr wissen, wie sie den Betrieb retten sollen, da zum Beispiel die angekündigten COFAG-Zahlungen nicht und nicht kommen, der Antrag wieder und wieder neu geschickt werden muss, weil irgendwo ein – verzeihen Sie – Scheiß-Beistrich fehlt? Das Gleiche gilt im Übrigen für die Kurzarbeit!
Das waren Monate – eigentlich Jahre –, die ich zwar nicht vermisse, da es eine harte Lehrzeit war, die mich auch persönlich weitergebracht hat, doch nochmals möchte ich das nicht mehr mitmachen. Ich denke, so bald wird das auch kein Obmann oder keine Obfrau nach mir erleben – hoffe ich jedenfalls.
LEADERSNET: Was denken Sie nach all den Jahren, was bereitet den heimischen Gastronom:innen die größten Schwierigkeiten?
Dobcak: Genau die gleichen Effekte, die unser Land in gröbere wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht haben: zu viel Bürokratie, verfehlte Energiepolitik, zu hohe Besteuerung von Arbeit und Unternehmen, stark sinkender Leistungswille, Fachkräftemangel und noch einiges mehr.
Auf der Unternehmerseite gibt es allerdings ebenfalls Hausaufgaben zu erledigen. Das Arbeitsumfeld für Mitarbeitende muss sich weiter verbessern, manche Unternehmer sollten ihr Führungsverhalten überdenken, und richtiges Controlling muss für alle zur Selbstverständlichkeit werden.
Was den USP betrifft, genügt es heute zum Beispiel nicht mehr, einfach zu sagen "Gute Wiener Küche". Der Gast will genau wissen, wofür das Lokal steht und was ihn dort erwartet.
LEADERSNET: Was würden Sie sich zur Lösung dieser Probleme von der neuen Regierung wünschen?
Dobcak: Ich denke, inzwischen haben die politischen Akteure aller Coleurs verstanden, dass der Hut gewaltig brennt.
Mein Wunsch ist ganz einfach: Die von der neuen Regierung angekündigten Maßnahmen tatsächlich umsetzen – und das rasch. Und vielleicht das vom Gesetzgeber so geliebte "Gold Plating" auch einmal bei der Umsetzung anwenden und uns alle mit der Übererfüllung der Vorhaben positiv überraschen.
LEADERSNET: Wie geht es jetzt in der Kammer ohne Sie weiter?
Dobcak: Präsident:innen kommen und gehen. Funktionär:innen kommen und gehen. Die Wirtschaftskammer als die Interessenvertretung der Selbständigen gab es vor meiner Zeit, und es wird sie hoffentlich auch nach meinem Abgang von dieser Welt noch geben.
Nach mir persönlich wird daher kein Hahn krähen, denn egal in welcher Funktion – es ist geliehene Macht auf Zeit.
Eines muss allerdings in Erinnerung gerufen werden: trotz aller manchmal berechtigter Kritik ist die Einrichtung der Sozialpartnerschaft und damit der Interessenvertretungen eine der – wenn nicht die – wichtigste Errungenschaft der Zweiten Republik als Grundlage für ein prosperierendes Land. Abgesehen von unseren Großeltern und Eltern, die es nach dem Krieg wieder aufgebaut haben.
Im Bewusstsein dieser Verantwortung gibt man das Zepter weiter – in der Hoffnung, seinen Beitrag geleistet zu haben.
LEADERSNET: Was geben Sie ihrem:r Nachfolger:in mit auf den Weg?
Dobcak: Meine beiden potenziellen Nachfolger:innen, Wolfgang Binder und meine Stellvertreterin Martina Haslinger-Spitzer, sind beide langgediente erfahrene Funktionär:innen. Ihnen brauche und werde ich nichts auf dem Weg mitgeben, außer ihnen viel Glück zu wünschen.
LEADERSNET: Und wie werden Sie Ihre neugewonnene Freizeit nutzen?
Dobcak: Von 100 auf 0 ist nicht so meine Sache – und auch der Gesundheit nicht förderlich. Es wird eine gute Ausgewogenheit zwischen einer neuen Aufgabe, Zeit mit der Familie und in der Weltgeschichte herumgondeln werden. Denn wie heißt es so schön: "Wer rastet, der rostet."
LEADERSNET: Vielen Dank!
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