Interview mit Oliver Kanzi
"Meine Erfahrung ist, dass in den allermeisten Menschen viel mehr steckt, als sie sich selbst zutrauen"

Oliver Kanzi, Unternehmer und Miteigentümer von Kanzi Kaffee, bezeichnet sich selbst gerne als nördlichster italienischer Kaffeeröster. Im LEADERSNET-Interview spricht er u. a. über seine Vergangenheit und über die Gründung der Kaffeerösterei, warum es ihm die Triestiner Art angetan hat, wie wichtig Nachhaltigkeit ist und darüber, was er und sein Team künftig erreichen wollen. 

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Kanzi, Sie sind Miteigentümer der Kaffeerösterei Kanzi. Wie lange existiert Ihr Unternehmen schon? Wie kam es zur Gründung? Und wer ist daran heute alles beteiligt?

Oliver Kanzi: Meine – inzwischen Ex-Frau – und ich haben das Unternehmen 2016 aus Leidenschaft für das gute Leben, Genuss und dem Wunsch nach Selbstbestimmtheit und persönlicher Freiheit gegründet. Dazu kam, dass wir damals die Chance und Marktlücke in Österreich sahen, mit einem Kaffee, der tatsächlich aus den besten Rohkaffees kreiert und einem traditionellen, handwerklichen Herstellungsverfahren geröstet wird, reüssieren zu können. Der Erfolg gibt uns recht, die Nachfrage nach unserem Kaffee ist größer als unsere Möglichkeiten, diese zu decken. Dementsprechend gibt es unseren Kaffee nur entweder direkt bei uns oder ausgewählten Partnern im Handel und in der Gastronomie. Das Unternehmen gehört zwar nach wie vor meiner Ex-Frau Doris und mir zu gleichen Teilen und wird von uns geführt, aber Kanzi Kaffee wäre nichts ohne unsere Mitarbeiter:innen und Geschäftspartner, die jeden Tag dafür sorgen, dass wir nicht nur allerbesten Kaffee rösten, sondern auch Kaffeeliebhaber:innen so schnell wie möglich ihren frischen Kaffee erhalten können.

LEADERSNET: In einem Podcast erzählen Sie, dass Sie früher im Tech-Sektor aktiv waren. Was führte dazu, dass Sie diesen verlassen und sich umorientiert haben?

Kanzi: Nach vielen Jahren in Großkonzernen, unzähligen Flugmeilen und mehrmaligem Übersiedeln des Berufs wegen wuchs über viele Jahre bereits der Wunsch nach größerer Freiheit, Unabhängigkeit und damit verbunden einer unternehmerischen Tätigkeit. Aber wie so oft blieb es lange Zeit bei dem Wunsch, da das Arbeiten in Großkonzernen ja auch seine angenehmen Seiten hat. Man agiert immer mit dem Geld anderer Leute, trägt keinerlei persönliches Risiko und das Gehalt kommt pünktlich. Erst eine schwere, lebensbedrohliche Erkrankung, die eine echte Zession in meinem Leben war, hat mich dazu gebracht, dann tatsächlich was zu ändern und diesen langgehegten Wunsch Realität werden zu lassen. Das Leben ist keine Generalprobe.

LEADERSNET: Und wieso haben Sie sich dann für die Kaffeeröstung nach Triestiner Art entschieden?

Kanzi: Einerseits zeichnet sich der Triestiner Kaffee durch seine schonende Verarbeitung aus, die nur in kleinen Chargen auf traditionellen Trommelröstmaschinen möglich ist. Dabei wird der Kaffee – im Gegensatz zu industriellem Kaffee – bei niedrigeren Temperaturen lange geröstet, was nicht nur die Aromen wesentlich schöner ausbildet, sondern den Kaffee auch besonders bekömmlich macht, da sämtliche Reizstoffe dabei zur Gänze abgebaut werden. Andererseits wird in der Triestiner Röstung darauf geachtet, dass neben besonders hochwertigem Rohkaffee (Triest war ja eine reiche Stadt, im Gegensatz zu Neapel – die Bürger konnten sich besseren Kaffee leisten) auch mit der Röstung selbst versucht wurde, möglichst harmonische Kaffees zu erzeugen, die weder zu bitter noch zu sauer waren.

LEADERSNET: Was macht Ihren Kaffee so besonders?

Kanzi: Wir haben diese triestiner Tradition aufgegriffen, um einen Kaffee zu schaffen, der einfach und auf vielfältige Weise, auch zu Hause zuzubereiten ist, der ein Gaumen und Magenschmeichler ist und bei dem man sich bereits auf die nächste Tasse freut. Wir machen das mit viel Liebe und persönlichem Einsatz und wollen damit kleine Genussmomente im Alltag schaffen, egal ob zu Hause oder auch am Arbeitsplatz. Sehr viele Unternehmen, vom kleinen Handwerksbetrieb bis zum Großunternehmen, haben bereits erkannt, dass ein guter Kaffee am Arbeitsplatz die Mitarbeiterzufriedenheit enorm steigert und setzten dabei auf Kanzi Kaffee. Wir können heute Firmenlösungen inklusive Maschinen – egal ob Kauf oder Miete – in allen Größenordnungen umsetzen und tun das auch.

LEADERSNET: Was bedeutet Ihnen das Thema Nachhaltigkeit?

Kanzi: Uns geht es nicht nur um ökologische, sondern im Besonderen auch um soziale und ökonomische Nachhaltigkeit. Kaffee ist ein Naturprodukt, das aus dem Globalen Süden zu uns gebracht wird und dementsprechend gibt es hier natürlich Herausforderungen, sowohl ökologischer Natur (z. B. Einsatz von Pestiziden, Abholzung des Regenwaldes, Transport etc.) als auch sozialer Natur (z. B. Ausbeutung der Landbevölkerung, Spekulation an Rohstoffbörsen etc.)

LEADERSNET: Und wie lebt Kanzi Kaffee diese Nachhaltigkeit im Unternehmen?

Kanzi: Erstens: Wir versuchen zuerst einmal, die Lieferwege so kurz wie möglich zu halten. Unser Zollfreilager befindet sich in Triest, was durch die Streikfreudigkeit italienischer Hafenarbeiter manchmal etwas herausfordernd ist, aber näher als Hamburg oder Bremen, von wo die meisten österreichischen Röstereien ihren Kaffee beziehen. Zweitens: Wir sind Mitglied einer Energiegenossenschaft, die ihre eigene Windkraft im Ort produziert und ihren Mitgliedern den Strom dann zur Verfügung stellt. Wir können einen großen Teil unseres Stromverbrauchs bereits darüber decken, und die Kapazitäten der Genossenschaft werden kontinuierlich ausgebaut. Drittens: Gemeinsam mit Partnern vergrößern wir ständig den Anteil an direkt gehandelten Kaffees. Dabei gehen wir langfristige Abnahmeverträge direkt mit Kaffeebauern bzw. bäuerlichen Genossenschaften ein. Dadurch erhalten wir volle Transparenz zur Herkunft des Kaffees, den Anbaumethoden und Arbeitsbedingungen vor Ort. Das hilft nicht nur uns, Zugang zu den besten Rohkaffees zu haben und unseren Kund:innen, um ihren Lieblingskaffee mit gutem Gewissen genießen zu können, sondern ganz besonders auch den Farmen – nicht nur um bessere Lebens- und Einkommensbedingungen für sich und ihre Familien zu haben, sondern auch um in landwirtschaftliche Ausbildung, Innovation und Ressourcenschonung investieren zu können. Und viertens: Wir versuchen von Anfang an aus der eigenen Kraft und in einem menschlichen Maß zu wachsen. Wir haben keine Investoren an Bord und überschaubare Bankverbindlichkeiten. Heute würde man sagen, wir sind 100 Prozent Bootstrapped. Dieser Weg ist zwar ein langsamerer und beschwerlicherer, aber in unseren Augen ist er auch nachhaltiger. Uns geht es nicht darum, möglichst schnell, möglichst stark zu wachsen, sondern ein gesundes Unternehmen zu bauen, das auch in schwierigeren Zeiten bestehen kann. Dazu kommt, dass ich keine Lust habe, Angestellter in meinem eigenen Unternehmen zu sein, weil mir nichts mehr gehört.

LEADERSNET: Welche Pläne hat Kanzi Kaffee für 2025?

Kanzi: Wir wollen heuer wieder etwas wachsen und noch mehr Menschen für unseren Kaffee begeistern. Dazu arbeiten wir neben der ständigen Verbesserung unserer Kaffees auch daran, Kanzi Kaffee zu einer Love Brand zu entwickeln. Auch das ist etwas, das nicht am Reißbrett entsteht, sondern Zeit braucht und nur durch das Erleben, das Interagieren mit und die Weiterempfehlung von Kanzi Kaffee durch unsere Kund:innen passieren kann. Gleichzeitig sind und bleiben die Zeiten unsicher, die Versorgungslage mit Rohkaffee ist geprägt von massiven Ernteausfällen bzw. Qualitätseinbußen durch den Klimawandel. Dem Entgegnen wir durch verstärkte direkte Zusammenarbeit mit Kaffeebauern und Kooperativen in den Anbauländern, wo wir auch langfristige Kontrakte abschließen, als auch durch die Rückführung einiger Bankverbindlichkeiten, um unsere Eigenkapitalbasis weiter zu stärken. Starke Kundenbeziehungen, kurze Lieferketten, direkte Handelsbeziehungen, eine solide wirtschaftliche Basis und der beste Kaffee, den wir machen können, sind unser Rezept, um in unsicheren Zeiten bestehen zu können.

LEADERSNET: Gibt es etwas, das Sie gerne anderen Kaffeeröstereien bzw. Unternehmer:innen mit auf den künftigen Weg geben würden?

Kanzi: Ich möchte vor allem gerne Menschen, die den Wunsch in sich verspüren, einen – wirtschaftlich-unabhängigen Weg zu gehen, um ein Leben nach ihrer eigenen Facon zu gestalten, Mut machen. Natürlich sollte man das kleine betriebswirtschaftliche 1x1 beherrschen und sich ein paar Dinge gut überlegen, auch in Szenarien planen (es gibt nicht nur einen Weg zum Ziel) und zumindest ein paar Monate ohne das Geld ins Haus kommt, über die Runden kommen, aber es dann auch einfach probieren. Wenn der erste Schritt ins Unternehmertum einmal gesetzt ist, gibt es auch kein Zurück mehr. Ich selbst – obwohl ich 20 Jahre lang Angestellter war – kann mir nicht mehr vorstellen, dahin zurückzukehren. Meine Erfahrung ist, dass in den allermeisten Menschen viel mehr steckt, als sie sich selbst zutrauen und man oft durch Erwartungshaltung anderer, Angst sowie mangelndem Selbstbewusstsein zurückgehalten wird, tatsächlich auf eigenen Beinen zu stehen und ein Leben führt, das viel reicher, freier und befriedigender sein könnte. Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!

LEADERSNET: Vielen Dank!

www.kanzikaffee.at

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