Handels-Riesen wollen "Mythen zum Einwegpfand" entkräften

Drexel, Haraszti, Leitner und Will fordern "nachhaltiges Kreislaufwirtschaftssystem statt Zwangspfand für Konsumenten" – Einwegpfand mache Einkaufen teurer.

In Österreich fallen jährlich pro Person 42 Kilogramm Plastikmüll an. Dass das zu viel ist, darüber sind sich alle Expertinnen und Experten einig. Große Uneinigkeit besteht jedoch darüber, wie dieses Problem am besten gelöst werden könnte.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler hat Anfang September einen Drei-Punkt-Plan gegen die Plastikflut präsentiert. Um Plastikmüll in Zukunft zu vermeiden, sollen neben verpflichtenden Mehrwegquoten für den Einzelhandel auch ein Pfandsystem und eine Herstellerabgabe für die Erzeuger von Plastikverpackungen eingeführt werden. Bei den heimischen Handelsunternehmen stoßen Gewesslers Pläne jedoch auf wenig Gegenliebe.

In einer gemeinsamen Aussendung wollen Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will, Rewe International-Vorstand Marcel Haraszti, Hofer-Generaldirektor Horst Leitner und Spar-Vorstandsvorsitzender Gerhard Drexel jetzt mit "Mythen zum Einwegpfand" aufräumen.

Getrenntsammlung in Wien ausbauen, statt "bundesweitem Zwangspfand"

So widersprechen die Handelsvertreter der These, dass eine 90-Prozent-PET-Getrenntsammelquote, die von der EU bis 2029 vorgeschrieben wird, nur mit Einwegpfand erreicht werden könne. In Österreich kommen jährlich 1,6 Milliarden Plastikflaschen in Umlauf. Davon werden heute rund 70 Prozent gesammelt und getrennt. Drei Bundesländer – Tirol, Vorarlberg und das Burgenland – liegen schon über den anvisierten 90 Prozent. In Wien wird derzeit hingegen nur ein Drittel aller Plastikflaschen getrennt gesammelt, was den nationalen Durchschnitt nach unten drückt.

"Warum sollen wir ein Abfallsystem schwächen, das in acht Bundesländern wunderbar funktioniert und um das uns ganz Europa beneidet, nur weil ein Bundesland seine Hausaufgaben noch nicht gemacht hat?", fragt Rainer Will deshalb. Seiner Ansicht nach wäre es sowohl sinnvoller als auch kostengünstiger, die Getrenntsammlung in Wien auszubauen, anstatt ein "bundesweites Zwangspfand" einzuführen. 

Mülltrennung so "bequem und einfach wie möglich" machen

Littering, das achtlose Wegwerfen von Abfällen in der Umwelt, ist ein globales Problem. Auch in Österreich werden, trotz gut funktionierender Entsorgungsangebote, Abfälle oft achtlos weggeworfen. Gewessler möchte die Vermüllung des öffentlichen Raums unter anderem durch die Einführung eines Einwegpfandsystems verhindern.

Auch das halten der Handelsverband und die großen Handelsketten für keine gute Idee. "PET-Flaschen machen nämlich lediglich rund sechs Prozent der Littering-Menge aus. Langjährige Erfahrungen in Deutschland und Skandinavien haben zudem gezeigt, dass viele Getränkegebinde trotz Pfand nicht zurückgegeben werden, sondern achtlos in der Umwelt 'entsorgt' werden", teilt der Handelsverband mit. Gerhard Drexel ergänzt: "Sollte das Zwangspfand auf Plastikflaschen von der Bundesregierung tatsächlich beschlossen werden, gäbe es nur Verlierer: Die Konsumenten, die jedes gebrauchte Flascherl in den Supermarkt zurückbringen müssten, um ihr zuvor bezahltes Pfand von 30 Cent zurückzufordern; die Lebensmittelhändler, die sämtliche zurückgebrachten gebrauchten Plastikflaschen pressen müssten und dadurch aufgrund der ausströmenden Flüssigkeit ein Hygieneproblem bekämen; und letztlich die Umwelt, weil das vorbildliche österreichische Sammelsystem, für das uns ganz Europa bewundert, durch den Aufbau eines unnötigen Parallelsystems auf Dauer beschädigt würde."

Das wirksamste Mittel gegen Littering sei, dem Konsumenten die Mülltrennung und Entsorgung so "bequem und einfach wie möglich" zu machen. Will: "Daher müssen wir endlich eine einheitliche Sammelstruktur für ganz Österreich schaffen und für Haushalte direkt am Wohnort den gelben Sack oder die gelbe Tonne zur Verfügung stellen. Das Sammelsystem muss für die regelmäßige Entleerung bzw. Abholung sorgen. Darüber hinaus brauchen wir separate Sammelbehälter auch in allen Parks und öffentlichen Gebäuden. Das bedeutet größtmöglichen Sammelkomfort und ist der effizienteste Weg zu einer höheren Sammelquote. Der Handel ist Versorger, nicht Entsorger. Für letzteres haben wir schon das österreichische Getrenntsammelsystem aufgebaut."

Sensibilisierungs- und Kommunikationsmaßnahmen

Während Gewessler und zahlreiche NGOs der Meinung sind, dass der bundesweite Aufbau eines Einwegpfand-Systems die effizienteste und kostengünstigste Möglichkeit sei, um die von der EU vorgeschriebene Kunststoff-Recyclingquote von 50 Prozent bis 2025 und 55 Prozent bis 2030 zu erreichen. Der Handel ist hingegen überzeugt, dass das von der österreichischen Wirtschaft ausgearbeitete Konzept die Erreichung sämtlicher EU-Quoten ermögliche und dabei um "mindestens 60 Millionen Euro" pro Jahr günstiger sei, als das von der Umweltministerin angekündigte Pfandsystem.

"Wir versuchen seit jeher, ein angenehmes und vor allem unkompliziertes Einkaufserlebnis zu bieten. Positiv an der aktuellen Entsorgung ist die Tatsache, dass PET-Flaschen jederzeit entsorgt werden können und das in über 2 Millionen Abgabemöglichkeiten österreichweit. Durch ein Pfandsystem könnten Konsumentinnen und Konsumenten PET-Flaschen nur noch zu Filialöffnungszeiten in ca. 6.000 Geschäften zurückgeben", gibt Hofer-Chef Leitner zu bedenken.

Einige Konsumentinnen und Konsumenten würden dies jedoch nicht umsetzen, da dadurch der persönliche Aufwand steige. Leitner: "In Deutschland werden zum Beispiel rund fünf Prozent der PET-Flaschen nicht zurückgegeben." Deshalb sei es sinnvoller, dieses Geld in Sensibilisierungs- und Kommunikationsmaßnahmen rund um die Themen Entsorgungshinweise auf Produktverpackungen und Littering zu investieren. Darüber hinaus würde sich die Einführung des Einwegpfands auch negativ auf Mehrweg auswirken. "Einwegpfand in Österreich einzuführen, heißt ökologisch mit Kanonen auf Spatzen zu schießen: fühlt sich vermeintlich gut an, löst aber nur einen kleinen Teil des großen Plastik-Problems. Und ist ein K.O.-Schlag für Mehrweg", erklärt Marcel Haraszti. Das Beispiel Deutschlands zeige, dass nach Einführung des Einweg-Pfands der Mehrweg-Anteil binnen sieben Jahren von knapp über 70 auf rund 43 Prozent gesunken sei.

Appell an Umweltministerin

"Das ganzheitliche Kreislaufwirtschaftskonzept der österreichischen Wirtschaft ist der effizienteste, kostengünstigste und konsumentenfreundlichste Weg, um sämtliche EU-Abfallsammel- und Recycling-Quoten zu erreichen", so der Appell der Handelsbranche. Deshalb richte man den Wunsch an die Umweltministerin, dieses Modell zu wählen und nicht "aus ideologischen Gründen" am Pfandsystem festzuhalten. (red)

www.handelsverband.at

Christian Holzer
Leider fallen hier die Pfandgegner auf ein von der ARA (Sammel- und Verwertungssystem) verbreitetes Märchen herein, wonach in etlichen Bundesländern schon nahezu 100% gesammelt würden, was dezidiert falsch ist. Insbesondere die Städte, nicht nur Wien, weisen Sammelquoten von um die 50% aus. Das Aussortieren von PET-Flaschen aus dem Restmüll zur Erreichung der Sammelquoten kostet ein Vielfaches. Die Kosten dafür müssten die kommunalen Abfallwirtschaftsverbände tragen, nicht der Handel, und liegen um ein Vielfaches über jenen vom Handel angeführten Kosten bei Einführung eines Pfandsystems.

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