KEYaccount: Herr Kummer, wie ist es derzeit um den Logistik-Standort Österreich bestellt?
Sebastian Kummer: Der österreichische Logistik-Standort wird immer noch sehr positiv gesehen, zum Beispiel im Logistics Performance Index der Weltbank.
KEYaccount: Österreich belegte hier 2023 den siebten Platz weltweit.
Kummer: Und es gibt viele weitere Anzeichen dafür, dass der Standort grundsätzlich sehr gut ist. Wir haben im deutschsprachigen Raum insgesamt die weltweit besten Logistikunternehmen, auch wenn andere Länder aufholen. Zudem ist Österreich einer der führenden Standorte für Logistiktechnologien. Und dann, auch wenn Eigenlob stinkt, haben wir noch eine hervorragende Logistikausbildung – aber nicht nur an der WU Wien, sondern ebenfalls an den anderen Universitäten und Fachhochschulen.
KEYaccount: Und wie sieht es bei der Infrastruktur aus?
Kummer: Die ist in Österreich grundsätzlich in Ordnung. Um das hochrangige Straßennetz beneiden uns alle – im Vergleich zu den Problemen, die andere Länder haben, ist das sehr gut. Wir haben auch gute, leistungsfähige Güterverkehrsbahnen.
KEYaccount: Dann braucht man sich also keine Sorgen zu machen?
Kummer: Die Lage ist eigentlich grundsätzlich positiv, aber es gibt doch einige graue Wolken, die da am Himmel sind: Dass wir leider so stark an wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit verlieren, betrifft zum Teil auch die Logistikunternehmen, aber eher indirekt. Die hohen Kosten zum Beispiel bei der Maut werden ja von den Transportunternehmen weitergegeben. Und wenn ihre Kunden, nämlich die Industrieunternehmen, abwandern und nicht mehr in Österreich produzieren, was wir aktuell erst sehen, dann haben die Logistiker weniger zu tun. Wenn die Wettbewerbsfähigkeit leidet, werden also bestimmte Logistikleistungen in Österreich nicht mehr erbracht. Aus Kostengesichtspunkten wird es hierzulande immer schwieriger für Unternehmen, die nicht unbedingt an Österreich gebunden ist.
KEYaccount: Das gilt aber nicht für den LEH.
Kummer: Dass wer in Österreich distribuieren will, wie Rewe, Spar, Lidl oder Hofer, hier Lager hat, ist klar. Hier waren wir hierzulande grundsätzlich sehr gut und das wird weiterentwickelt.
KEYaccount: Können Sie Beispiele nennen?
Kummer: Lidl hat sich entschieden, in Graz seine Ost- und Südeuropa-Aktivitäten zu bündeln. Die Integration von See- und Bahnverkehren und der Verteilung in die Fläche, hinterlegt mit einer perfekten Informationslogistik. Das ist Weltspitze. Und soweit ich das beurteilen kann, hat auch Hofer eine sehr effiziente Logistik. Bei Rewe werden wir einen Riesensprung durch das neue vollautomatisierte Lager in Wiener Neudorf sehen, in das 600 Millionen Euro investiert werden. Und auch Spar hat einen kontinuierlich sehr guten Job gemacht mit den Konzepten, die sie gebaut haben.
KEYaccount: Um noch einmal auf die erwähnten grauen Wolken am Himmel zurückzukommen: Was muss sich noch tun, dass die Branche das drohende Unwetter übersteht?
Kummer: Wir brauchen eine besonnene Umstellung auf nachhaltige Logistik. Da sind wir aber schon auf einem guten Weg, etwa durch die Förderprogramme für batterieelektrische Lkws. Die Österreichische Post ist zum Beispiel bei der Dekarbonisierung des Fuhrparks weltweit eines der führenden Unternehmen. Eine Riesenherausforderung ist aber die Vielzahl von administrativen Hürden.
KEYaccount: Und der Personalmangel? Lässt sich dieses Problem in Zukunft, wie von manchen angedacht, mithilfe von Technologien lösen?
Kummer: Der Fahrermangel wird die Logistik früher treffen, als wir das mit der Automatisierung auffangen können. Die Unternehmen leiden ein bisschen unter ihrem schlechten Image, obwohl die Logistikbranche in der Corona-Krise einen wahnsinnigen Imagesprung gemacht hat. Die Fahrer sehen sich aber einem sehr starken Druck ausgesetzt.
KEYaccount: Das hat wohl auch mit dem Administrationsaufwand zu tun?
Kummer: Wir wollen alle sicheren und nachhaltigen Verkehr haben. Aber wenn man hört, wie die Unternehmen berichten, was zum Beispiel bei einem Sprung im Blinkerglas für hohe Strafen verteilt werden. Auch wenn viele Regelungen von der EU kommen. Da betreiben wir in Österreich schon "Gold Plating" (Anm.: Übererfüllung von Regularien).
KEYaccount: Ist die Lkw-Logistik denn überhaupt langfristig zukunftsfähig?
Kummer: Auch wenn vieles auf der Schiene geht, manche Verkehre müssen mit dem Lkw gemacht werden. Wir brauchen alle Verkehrsträger. Was aber viel wichtiger wäre, ist, dass wir die allgemeine Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Industrie verbessern. Damit ist der Logistik und letztlich dem Einzelhandel in Österreich geholfen. Wenn es der Wirtschaft gut geht, dann haben die Menschen entsprechendes Einkommen und sind wahrscheinlich auch bereit, mehr Geld auszugeben.
www.wu.ac.at/itl
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