Der anhaltende Handelsstreit der USA, verursacht durch die von Donald Trump verhängten Strafzölle, trifft die Weltwirtschaft offenbar deutlich härter als bisher angenommen. Das legt eine aktuelle Studie des Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII) gemeinsam mit dem Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) nahe. Demnach könnte der globale Wohlstand innerhalb eines Jahres im Schnitt um 1,1 Prozent sinken, was einem Verlust von rund 62 Milliarden US-Dollar entspricht. Grund seien steigende Preise durch neue US-Strafzölle, die laut Studie vor allem importabhängige Länder besonders belasten.
"Der politische Protektionismus der USA trifft viele Volkswirtschaften hart, weil sie stark von US-Importen abhängig sind. Die Auswirkungen des Handelskonflikts können sich in den kommenden Monaten noch deutlich verschärfen, weil sie für unterbrochene Lieferketten, steigende Kosten und eine sinkende Nachfrage sorgen, die ganze Branchen ausbremsen. Das führt zu weniger Produktion, drückt Einkommen und Konsum und schwächt den Wohlstand", erklärt Asjad Naqvi, ASCII Researcher und Senior Economist am Wifo.
Wer am stärksten leidet
Am stärksten leiden der Studie zufolge Länder, die viele Vorprodukte und Konsumgüter aus den USA beziehen und diese kaum ersetzen können. Mexiko drohe laut Modellberechnung ein Wohlstandsverlust von -4,1 Prozent, Kanada von -3,4 Prozent. Auch kleinere Staaten wie Fidschi oder asiatische Schwellenländer wie die Malediven, Sri Lanka oder Indien könnten spürbare Einbußen verzeichnen. Deutschland und China hingegen bleiben mit Verlusten von unter einem Prozent vergleichsweise stabil, so die Studienautor:innen. Die USA selbst spürten mit -0,15 Prozent die Folgen am wenigsten, da sie einen großen Teil ihrer Nachfrage aus heimischer Produktion decken.
"Viele Länder sind heute deutlich stärker von importierten Vorleistungs- und Endprodukten abhängig als noch vor wenigen Jahren, im Schnitt zwischen acht und neun Prozent, weil heimische Alternativen fehlen. Das macht sie besonders anfällig für Preisschocks wie Zölle. Steigen die Preise, fehlt oft die Möglichkeit, rasch auf heimische Alternativen umzusteigen. Um sich die teureren Importprodukte leisten zu können, müssen Unternehmen und Verbraucher:innen ihre inländischen Ausgaben reduzieren. Das verringert die Kaufkraft, bremst Wachstum und Produktion – und schadet der gesamten Wirtschaft", so Naqvi.
Auswirkungen auf Österreich
Österreich komme vergleichsweise glimpflich davon. Der prognostizierte Wohlstandsverlust liegt laut Studie bei lediglich -0,33 Prozent. Zwar sind die USA nach Deutschland der zweitgrößte Exportmarkt Österreichs, ihr Anteil am gesamten Außenhandel sei jedoch kleiner als jener anderer europäischer Partner. Die Studie warnt aber vor indirekten Folgen durch teurere Vorprodukte und Engpässe, die wichtige exportorientierte Branchen treffen könnten.
Naqvi sagt dazu: "Österreich bleibt von unmittelbaren Zollschocks aufgrund einer stabilen Binnenwirtschaft vorerst weitgehend verschont – doch die Gefahr kommt durch die Hintertür: Wenn Zulieferteile teurer oder knapper werden, geraten auch heimische Exporteure unter Druck. Die eigentlichen Risiken liegen in den indirekten Dominoeffekten. Was heute stabil wirkt, kann morgen Wachstum und Arbeitsplätze kosten."
Warnung Gegenzölle
Besonders kritisch sieht die Studie die Reaktionen vieler Länder, die als Antwort Gegenzölle auf US-Produkte eingeführt haben. Diese Maßnahmen könnten laut Berechnungen der Forscher:innen der eigenen Wirtschaft mehr schaden als den USA selbst. Kanada etwa verliere durch Gegenzölle schätzungsweise fünf Prozent seines Einkommens, Finnland 1,8 Prozent, Deutschland 1,02 Prozent und Österreich 0,48 Prozent. In den USA hingegen würden sich die Gegenzölle kaum bemerkbar, mit einem erwarteten Verlust von nur -0,03 Prozent machen.
"Gegenzölle wirken oft wie ein Bumerang – sie sollen Druck auf die USA ausüben, treffen aber in vielen Fällen die eigene Wirtschaft härter. Besonders exportabhängige Länder zahlen am Ende selbst den höchsten Preis", erklärt Naqvi. Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer hat Anfang der Woche bekräftigt, dass er für harte Gegenmaßnahmen seitens der EU ist, falls es bis Anfang August keine Lösung im Zollstreit mit den USA geben sollte (LEADERSNET berichtete).
Umbau der Wirtschaftsstrukturen
Langfristig rät die Studie zu einem strategischen Umbau der Wirtschaftsstrukturen. Neben dem Ausbau heimischer Produktion sollten Länder ihre Lieferketten breiter aufstellen und neue Exportmärkte erschließen, um Abhängigkeiten zu reduzieren. Kurzfristige politische Maßnahmen wie Gegenzölle könnten zwar symbolischen Druck erzeugen, gefährden aber nachhaltige Handelsbeziehungen.
"Nur wer versteht, wie anfällig die eigene Wirtschaft für Preis- und Lieferschocks ist, kann resilient und vorausschauend handeln. In einer zunehmend protektionistisch geprägten Weltwirtschaft sind internationale Kooperationen und faire Handelsabkommen der verlässlichste Weg zu Stabilität und nachhaltigem Wachstum", fasst ASCII-Direktor Peter Klimek zusammen.
www.ascii.ac.at
www.wifo.ac.at
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