LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Vlaho, Sie sind mittlerweile seit über einem Jahr CEO der UniCredit Bank Austria. Was waren rückblickend die wichtigsten Entscheidungen in dieser Zeit und worauf sind Sie besonders stolz?
Ivan Vlaho: In den vergangenen 14 Monaten haben wir einige richtungsweisende Entscheidungen getroffen. Besonders hervorheben möchte ich unseren Entschluss, das Zahlungsverkehrsgeschäft deutlich auszubauen. Konkret heißt das: Wir geben Kreditkarten für unsere Privatkund:innen künftig selbst heraus und bauen das Acquiring-Geschäft für Händler:innen intern auf. Diese Entscheidung hängt eng mit dem Verkauf unseres Anteils an Card Complete zusammen.
Ein weiterer strategischer Schritt war, unser Engagement bei kleineren Firmenkunden auszubauen. Die Bank Austria hatte traditionell ihren Schwerpunkt bei größeren und mittelständischen Unternehmen. Jetzt wollen wir auch gezielt kleinere Betriebe ansprechen – und sehen hier bereits eine erfreuliche Dynamik.
Schließlich haben wir zu Beginn meiner Amtszeit beschlossen, anhängige Klagen gegen drei Banken, an denen wir maßgeblich beteiligt sind, einzustellen und stattdessen auf eine konstruktive Zusammenarbeit zu setzen. Wie sich das entwickelt, wird die Zukunft zeigen. Zusammengefasst waren das für mich die drei wichtigsten Entscheidungen meines ersten Jahres als CEO.
LEADERSNET: Wie würden Sie die aktuelle Situation der Bank Austria und der UniCredit-Gruppe insgesamt beschreiben?
Vlaho: Wenn wir auf UniCredit insgesamt blicken, ist die Entwicklung der letzten fünf Jahre wirklich bemerkenswert. Früher waren wir zwar bereits eine der größten europäischen Banken, lagen bei entscheidenden Kennzahlen wie Effizienz und Profitabilität jedoch nur im Mittelfeld. Heute, nach erfolgreicher Umsetzung des "UniCredit Unlocked"-Plans, stehen wir bei diesen Kernkennzahlen an der Spitze Europas. Das hat uns auch ermöglicht, neben organischem Wachstum zunehmend anorganische Chancen (Anm. d. Red.: mögliche Zukäufe/Übernahmen) zu prüfen.
Bei der Bank Austria haben wir unsere Kennzahlen in den letzten Jahren deutlich verbessert und tragen nun spürbar zum Erfolg der Gesamtgruppe bei. Auch das erste Quartal 2025 war ein Rekordquartal für UniCredit – und wir haben daran maßgeblichen Anteil. Insgesamt entwickeln wir uns stabil, profitabel und effizient – genau wie geplant.
LEADERSNET: Sie haben viel internationale Erfahrung gesammelt und in unterschiedlichen Ländern gearbeitet. Wie wirkt der österreichische Markt im Vergleich auf Sie?
Vlaho: Österreich ist ein sehr robuster und wohlhabender Markt. Besonders beeindruckend finde ich das ausgewogene Verhältnis zwischen den Rechten der Arbeitnehmer:innen und den Interessen des Kapitals – ein Gleichgewicht, das man so nicht überall findet. Darüber hinaus hat Österreich eine hervorragende geografische Lage als Brücke zwischen Westeuropa sowie Zentral- und Osteuropa, was sich auch im Selbstverständnis des Landes widerspiegelt. Insgesamt ist Österreich also ein stabiler Markt mit viel Potenzial.
LEADERSNET: Blicken wir in die Zukunft: Welche Rolle wird die Bank Austria Ihrer Ansicht nach künftig innerhalb der UniCredit-Gruppe spielen?
Vlaho: Die Bank Austria leistet bereits heute einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der Gesamtgruppe. Ein klares Zeichen dafür ist, dass wir seit Jahresbeginn als eigenständiger Kernmarkt innerhalb der UniCredit ausgewiesen werden – neben Italien und Deutschland. Die übrigen Länder werden zusammengefasst als Zentral- und Osteuropa geführt. Diese neue Einstufung ist eine Anerkennung unserer Leistung. Ob wir künftig noch größere Verantwortung übernehmen, hängt von uns ab: Wenn wir weiterhin starke Ergebnisse liefern, entstehen daraus neue Chancen und Gestaltungsspielräume.
LEADERSNET: Kommen wir auf das Kreditkartengeschäft zurück. Nachdem Card Complete verkauft wurde, bringen Sie eine eigene Kreditkarte auf den Markt. Warum ist der Bereich Payments für Sie so wichtig?
Vlaho: Im Rahmen unserer Konzernstrategie "UniCredit Unlocked" haben wir erkannt, dass viele Mitbewerber Partnerschaften mit Drittanbietern eingehen. Unser Ziel war es hingegen, die eigenen Fähigkeiten im Zahlungsverkehr auszubauen und so einen echten Wettbewerbsvorteil zu schaffen. Banken verfolgen hier unterschiedliche Ansätze – einige decken alles intern ab, andere setzen auf Kooperationen. Wir als Gruppe haben uns klar dafür entschieden, die gesamte Wertschöpfungskette im Payment-Bereich selbst abzudecken. Konkret bedeutet das, dass wir nun Kreditkarten selbst herausgeben und bald auch Acquiring-Dienstleistungen für Händler:innen direkt anbieten werden.
LEADERSNET: Was macht das Kreditkartenangebot der Unicredit Bank Austria dabei besonders?
Vlaho: Wenn man ein neues Produkt von Grund auf entwickelt, hat man die Chance, es von Beginn an auf dem neuesten Stand der Technik aufzubauen. Unsere Karten werden sämtliche Zusatzservices bieten, die man auch von den weltweit führenden Anbietern kennt. Und auch im Acquiring-Bereich möchten wir mehr bieten als nur ein einfaches Terminal – etwa umfassende Reporting-Portale oder die Integration in Buchhaltungssysteme der Händler:innen. Unser Anspruch ist ein modernes, fast FinTech-artiges Service, das gleichzeitig die Stärke und Seriosität der Bank Austria als führende Bank verbindet. Auf dieses neue Angebot freuen wir uns sehr.
LEADERSNET: Wie groß ist das Potenzial für den Zahlungsverkehr in Österreich?
Vlaho: Das Potenzial ist enorm. Deshalb steigen wir sowohl ins Issuing (Anm. d. Red.: Bereitstellung der Kreditkarten für Kund:innen) als auch ins Acquiring (Anm. d. Red.: Zahlungs-Terminals, E-Commerce-Lösungen etc. für Unternehmen) ein – die beiden zentralen Säulen des Kartengeschäfts. Fakt ist: In Österreich wird nach wie vor sehr viel bar bezahlt. Zwar geht der Trend klar in Richtung Kartenzahlung, aber der Payment-Bereich ist noch deutlich breiter. Wir bereiten daher auch noch weitere Initiativen vor – sowohl als UniCredit Group als auch als Bank Austria. Dazu kann ich Ihnen beim nächsten Mal mehr erzählen.
LEADERSNET: Die letzten Jahre waren wirtschaftlich rund um den Globus herausfordernd. Wie schätzen Sie die aktuelle wirtschaftliche Lage in Österreich nach zwei Rezessionsjahren ein?
Vlaho: Ob man es Rezession oder Stagnation nennt, ist letztlich eine Frage der Definition. Wenn das Wachstum um null Prozent pendelt, ist der Unterschied zwischen plus 0,2 und minus 0,2 Prozent gering – vor allem in einer so stabilen Volkswirtschaft wie Österreich. Natürlich wäre ein Wachstum von zwei, drei oder vier Prozent wünschenswert. Aber solange die Arbeitslosigkeit niedrig bleibt und die Löhne hoch sind, sehe ich keine echte Krise. Ich hoffe, dass sich die Pläne der Regierung und der Unternehmen umsetzen lassen und wir mittelfristig wieder Wachstum sehen, wie es auch unsere Volkswirt:innen erwarten. Ein Risiko besteht jedoch darin, dass steigende Lohnkosten die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen belasten könnten – insbesondere wenn diese Kosten nicht an die Kund:innen weitergegeben werden können. Insgesamt bin ich aber vorsichtig optimistisch.
LEADERSNET: Ihr Blick in die Zukunft ist also eher positiv. Haben Sie noch Wünsche an die Politik?
Vlaho: Eigentlich nur, dass sie weise Entscheidungen trifft und weiterhin gute Rahmenbedingungen für das Land schafft. Davon profitieren dann auch wir als Finanzbranche.
LEADERSNET: Die UniCredit Bank Austria gilt als führende Firmenkundenbank in Österreich. Gibt es hier aktuelle Schwerpunkte oder besondere Projekte?
Vlaho: Im Geschäft mit Großunternehmen sind wir traditionell sehr stark. Kürzlich haben wir analysiert, dass von allen großen Firmen in Österreich nur zwei kein Konto bei uns haben: Eine gehört einem direkten Mitbewerber, mit der anderen möchten wir bewusst nicht zusammenarbeiten. Unsere besondere Stärke liegt darin, dass wir dank der Kapitalbasis der Gruppe auch sehr große Finanzierungen anbieten können – ein entscheidender Faktor für Großunternehmen. Dazu kommen Beratungsleistungen, die wir nicht nur durch starke Teams in Österreich, sondern auch durch unsere Expert:innen in Deutschland und Italien abdecken – etwa bei besonders komplexen Transaktionen, die nicht alle Banken begleiten können. Im Segment der Großunternehmen haben wir unser Potenzial also weitgehend ausgeschöpft – hier geht es vor allem darum, bestehende Beziehungen zu pflegen.
Neu ist, dass wir uns entschieden haben, auch im Segment der kleineren Unternehmen stark zu wachsen. In Österreich gibt es etwa 50.000 juristische Personen mit einem Jahresumsatz zwischen einer und 50 Millionen Euro. Davon haben bislang 44.000 kein Konto bei uns. Diese Zahlen zeigen deutlich, wie groß das ungenutzte Marktpotenzial ist. Deshalb wollen wir hier wachsen und neue lokale Chancen nutzen. Zu Jahresbeginn haben wir eine große Kampagne gestartet und allein im ersten Halbjahr bereits 500 neue Kunden gewonnen – viermal so viele wie im Schnitt der Vorjahre. Wir bringen damit frischen Wind in den Markt und bieten sehr wettbewerbsfähige Konditionen – bei Finanzierungen, Einlagen und Gebühren. Diesen Weg wollen wir weitergehen.
LEADERSNET: Lassen Sie uns noch etwas Persönlicheres besprechen: Was zeichnet Ihrer Meinung nach eine gute Führungskraft aus? Und wie würden Sie Ihren eigenen Führungsstil beschreiben?
Vlaho: Eine gute Führungskraft braucht klare Werte, Integrität und muss bereit sein, auch bei schwierigen Themen Verantwortung zu übernehmen. Ebenso wichtig ist es, zuzuhören, objektiv zu bleiben und ein Umfeld zu schaffen, in dem nicht die Hierarchie, sondern die beste Idee zählt. Psychologische Sicherheit ist entscheidend, damit Innovation entstehen kann.
Was meinen eigenen Stil betrifft: Ich tue mir schwer, mich selbst zu beurteilen. Aber ich kann sagen, dass ich überall, wo ich bisher war, eher Brücken gebaut als abgerissen habe. Und wenn ich heute in meine früheren Teams zurückkomme, freue ich mich, dass der Kontakt geschätzt wird. Jede neue Aufgabe ist aber auch immer eine neue Bewährungsprobe – so auch jetzt in Österreich. Ich hoffe, dass ich diesen Erwartungen gerecht werde.
LEADERSNET: Sie sind nun seit einem Jahr in Österreich. Wie gefällt es Ihnen hier – und was genießen Sie besonders?
Vlaho: Die wichtigste Regel lautet: Wenn meine Frau Österreich liebt, liebe ich es auch. Denn am wichtigsten ist, dass sich die Familie wohlfühlt. Persönlich hatte ich bislang leider wenig Zeit, das Land wirklich zu erkunden – mein Alltag besteht meist aus Büro und Wohnung, die übrigens keine besonders gute Klimaanlage hat.
Vor Kurzem war ich aber bei einem Formel-1-Event, das wir als Sponsor des Ferrari-Clubs unterstützt haben, und habe dabei auch die schöne steirische Landschaft gesehen. Kurz habe ich sogar gedacht, wir könnten dort eine Filiale eröffnen – und ich wäre gerne Filialleiter in Seckau. Österreich hat eine beeindruckende Natur, und ich hoffe, bald mehr davon genießen zu können.
LEADERSNET: Vielen Dank für das Gespräch.
Das gesamte Interview mit Ivan Vlaho sehen Sie im LEADERSNET.tv-Video.
www.bankaustria.at
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