Am Mittwochvormittag fand der Festakt zur Eröffnung der Bregenzer Festspiele 2025 statt. Ab sofort steht der Bodensee somit erneut rund ein Monat lang im Bann des renommierten Festivals. Welche große Bedeutung dieses Kulturevent für Österreich hat, wurde damit untermauert, dass quasi die komplette Politspitze nach Vorarlberg reiste. So waren bei der Eröffnung unter anderem Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit seiner Ehefrau Doris Schmidauer, Bundeskanzler Christian Stocker, Vizekanzler und Kulturminister Andreas Babler, Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, der Vorarlberger Landeshauptmann Thomas Wallner, Salzburgs neue Landeshauptfrau Karoline Edtstadler, Tirols Landeshauptmann Anton Mattle oder Staatssekretär Sepp Schellhorn dabei.
Vor dem kulturellen Auftakt mit der neuen Hausoper, George Enescus selten gespielte Tragödie "Oedipe", standen die Eröffnungsreden des Bundespräsidenten und des Kulturministers am Programm.
Präsident für "Mindset, das uns in die Zukunft führt"
Alexander Van der Bellen plädierte in seiner Ansprache für "ein Mindset, das uns in die Zukunft führt". Der Bundespräsident beschreibt die Gegenwart als "interessante Zeiten", geprägt von Krisen und Unsicherheiten: Demokratie und Rechtsstaat werden weltweit infrage gestellt, technologische Entwicklungen könnten wenige bereichern statt vielen nutzen, Konflikte und Klimakrise bedrohen Frieden und Sicherheit. Er mahnte, diese Realität nicht zu verdrängen, sondern anzuerkennen und aktiv zu gestalten. Statt in Pessimismus zu verfallen, sollen wir uns Mut, Klarheit und Zuversicht bewahren.
Konkret skizzierte Van der Bellen drei Prinzipien, um die Zukunft zu meistern: erstens die Welt sehen, wie sie ist, statt wie wir sie gern hätten; zweitens lebenslang zu lernen, um auf Wandel reagieren zu können und drittens beweglich bleiben und nicht auf Erfolgen ausruhen. Er warb für ein selbstbewusstes, kooperatives Europa, das große gemeinsame Projekte anpackt: von moderner Bahn-Infrastruktur über Verteidigung bis zu einer europäischen, digitalen Souveränität. Europa solle erkennen, dass es stark ist, Verhandlungsmacht besitzt und diese nutzen kann.
Abschließend betonte der Bundespräsident die Bedeutung von Kunst und Kultur – wie den Bregenzer Festspielen – für Identität, Zusammenhalt und gesellschaftlichen Mut. Gerade in schwierigen Zeiten helfen sie uns, an das Gute im Menschen zu glauben, zeigte er sich überzeugt. Sein Appell verbindet Van der Bellen mit einem Wunsch: Dass wir "interessante Zeiten" nicht als Fluch sehen, sondern als Ansporn, gemeinsam Neues zu schaffen und Europas Errungenschaften zu bewahren. Der neuen Intendantin Lilli Paasikivi wünscht er viel Erfolg.
Alexander Babler zeigte sich "angriffig"
Vizekanzler und Kulturminister Andreas Babler plädierte in seiner Rede nicht unbedingt für Zusammenhalt, sondern überraschte dagegen mit einem ziemlich "angriffigen" Ton. Gleich zu Beginn hielt er fest, dass Kunst mehr sei als Unterhaltung: Sie schaffe Begegnung, öffne Herzen und Köpfe und liefere den "Treibstoff für echte demokratische Debatten". Babler warnte vor autoritären Tendenzen und mahnte, dass liberale Freiheit auch soziale Freiheit voraussetze – ein Leben ohne Armut, mit Chancen zur Teilhabe. Steigende Lebenshaltungskosten bedrohten diese Träume, Politik müsse dafür sorgen, dass wieder groß geträumt werden kann.
Der Kulturminister erinnerte an den "radikalen Gedanken", dass jeder Mensch gleich viel wert ist und mitbestimmen kann. "Es sind verdammt gefährliche Zeiten, für unsere gemeinsame Art zu leben", so Babler. Laut ihm sei die soziale Säule brüchig geworden: Wenige Superreiche besitzen fast so viel wie der Rest, was die Demokratie schwäche und Solidarität gefährde. Laut dem Vizekanzler besitzen fünf Prozent in Österreich so viel wie die übrigen 95 Prozent. Ein:e ATX-Manager:in verdiene heute das 81-Fache seiner Mitarbeiter:innen – vor 35 Jahren sei es noch das 35-Fache gewesen. Er möchte jedoch keine Debatte darüber führen, ob das eine gerechte oder sinnvolle Verteilung ist, man könne sich aber denken, dass er es weder für das eine noch das andere halte. Mit diesem "Angriff" auf das Unternehmertum und reiche Landsleute sorgte der Vizekanzler im Publikum teils für große Augen. Aus der Ruhe brachte ihn das aber nicht. Wenn sich Menschen vom gesellschaftlichen Erfolg ausgeschlossen fühlen, so Babler weiter, gehe das Gemeinsame verloren – Empathie weiche Egoismus, die Gesellschaft verarme innerlich.
Besonders fatal sei es, wenn Kinder nicht mehr träumen können, weil Armut ihre Chancen von Beginn an begrenzt. Babler betonte, in jedem Menschen stecke ein Universum voller Träume und Sorgen – diese Vielfalt ernst zu nehmen bedeute, den Gründungsgedanken der Republik zu bewahren: dass jede und jeder zählt.
Abschließend zeigte sich der Vizekanzler versöhnlicher. Er dankte allen Mitwirkenden der Bregenzer Festspiele: Ihre Arbeit stärke das Beste in uns – Empathie, die kein Luxus sei, sondern Grundlage einer lebendigen Demokratie. Kunst und Kultur könnten helfen, die Gesellschaft wieder näher zusammenzuführen und das Gemeinsame neu zu beleben.
Fotos und Video
LEADERSNET war beim Festakt dabei. Fotos sehen Sie in den Galerien hier und hier. Im Video sehen Sie noch den militärischen Empfang vor dem Bregenzer Festspielhaus.
www.bregenzerfestspiele.com
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