Manfred Ainedter im Interview
"Die Verteidigung von Karl-Heinz Grasser kann man tatsächlich fast als Lebenswerk bezeichnen"

Im LEADERSNET-Interview spricht Top-Anwalt Manfred Ainedter über das Urteil gegen seinen wohl bekanntesten Mandanten, warum er trotz allem weiter an Grassers Unschuld glaubt, den schmalen Grat zwischen Beruf und persönlicher Bindung, den Umgang mit Niederlagen und (viel) zu lange Verfahrensdauern. Außerdem verrät Ainedter, weshalb er schön langsam ans Aufhören denkt.

"Manfred, wir haben jetzt ein drittes Kind" - mit diesem Satz bringt Manfred Ainedters Frau das Verhältnis zwischen dem renommierten Strafverteidiger und seinem wohl prominentesten Mandanten, Karl-Heinz Grasser, augenzwinkernd auf den Punkt. Seit über zwei Jahrzehnten begleitet der Wiener Rechtsanwalt den ehemaligen Finanzminister durch alle Höhen und vor allem Tiefen der Justiz. Nach einem der aufsehenerregendsten Prozesse der Zweiten Republik, stand fest, dass Karl-Heinz Grasser ins Gefängnis muss (LEADERSNET berichtete). Mittlerweile hat der ehemalige Finanzminister nicht nur seine Haftstrafe angetreten, sondern auch Privatkonkurs beantragt (LEADERSNET berichtete).

Ainedter hat im Laufe seiner Karriere zahlreiche prominente Mandant:innen vertreten wie beispielsweise Austropop-Legende Rainhard Fendrich oder Polizeihofrat Ernst Geiger. Die Causa Grasser, mit all ihren juristischen und menschlichen Abgründen, hat jedoch auch bei ihm Spuren hinterlassen. Doch ans Zurücklehnen und Aufgeben denkt der Strafverteidiger nicht, wie er im Interview betont.

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Ainedter, nach über zwanzig Jahren an der Seite von Karl-Heinz Grasser: War der Buwog-Prozess für Sie mehr Lebenswerk oder Lebensbelastung?

Manfred Ainedter: Tatsächlich kann man den Buwog-Prozess bzw. die Verteidigung von Karl-Heinz Grasser fast schon als Lebenswerk bezeichnen, zumal ich Grasser bereits seit 2002 ständig rechtsfreundlich vertreten habe. Es gab ja immer wieder Vorwürfe gegen ihn, wobei es mir bis auf Buwog gelungen ist, die zahlreichen Verfahren zur Einstellung zu bringen.

LEADERSNET: Sie waren nach dem Prozess mit Karl-Heinz Grasser einige Wochen auf Rehabilitation und gesundheitlich angeschlagen. Nach sechzig Jahren mussten Sie mit dem Rauchen aufhören. Wie beeinflusst Ihre gesundheitliche Situation Ihre berufliche Zukunft, auch angesichts der Tatsache, dass 67 Prozent der österreichischen Anwälte laut einer Umfrage des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags über Burnout-Symptome klagen?

Ainedter: Meine Lungenprobleme beeinflussen naturgemäß auch meine berufliche Zukunft. Ich habe zwar keine Burnout-Symptome, bin aber mittlerweile doch in einem Alter, welches mich zunehmend ans Aufhören denken lässt.

LEADERSNET: Wie findet man demnach die richtige Balance zwischen Arbeit und Muße?

Ainedter: Die Arbeit macht mir nach wie vor Spaß, wenngleich die Rahmenbedingungen immer schwieriger werden. Es ist mir jedoch bislang ganz gut gelungen, entsprechende Entspannung und Erholung zu finden, zumal die Arbeit für mich nicht Selbstzweck ist.

LEADERSNET: Im Fall Grasser wurde das ursprüngliche Strafmaß von acht auf vier Jahre Haft reduziert. Wie bewerten Sie dieses Urteil im Vergleich zu anderen prominenten Wirtschaftsverfahren, die Sie begleitet haben?

Ainedter: Die Reduktion der Strafe auf die Hälfte ist ohne Zweifel ein gewisser Erfolg, dennoch halte ich die Verurteilung des Karl-Heinz Grasser trotz der Bestätigung durch den Obersten Gerichtshof (OGH) für falsch und darf dazu auf die Worte der Vorsitzenden verweisen, die bei der Urteilsverkündung gemeint hat, dass der OGH nicht über Schuld oder Unschuld entscheidet, sondern lediglich darüber, ob das erstinstanzliche Urteil mängelfrei zustande gekommen ist. Mit dieser rein formalistischen Betrachtungsweise muss man leider als Strafverteidiger leben, wenngleich ich es seit Beginn meiner beruflichen Tätigkeit für falsch halte, dass in erster Instanz die materielle Wahrheitsforschung ausschlaggebend ist. Das heißt, dass die Richter:innen verpflichtet sind, gleich einem Untersuchungsorgan die tatsächlichen Geschehnisse nachzuvollziehen, während es in zweiter Instanz ausschließlich um die Mängelfreiheit des schriftlich ausgefertigten Urteils geht. Die historische Wahrheit spielt mit anderen Worten im Rechtsmittelverfahren keine Rolle.

LEADERSNET: "Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand", sagten Sie nach dem OGH-Urteil. Wie gehen Sie persönlich mit Rückschlägen und Niederlagen um, gerade wenn sie – wie im Fall Grasser – so öffentlichkeitswirksam sind?

Ainedter: Dieser Satz hat sich ja im Buwog-Verfahren wieder geradezu klassisch manifestiert. Als Strafverteidiger muss man jedoch auch mit Rückschlägen umgehen. Die Frage von Sieg oder Niederlage liegt stets im Auge des Betrachters. Man muss mit der "justizförmig verhandelten Wahrheit" leben, auch wenn man sie persönlich für falsch hält. Wenn man das als Strafverteidiger nicht kann, muss man einen anderen Beruf ergreifen.

LEADERSNET: Sie haben in Ihrer Karriere zahlreiche prominente Mandanten vertreten – von Rainhard Fendrich bis zu einer Frau, die ihren Mann mit siebenundfünfzig Messerstichen tötete. Der bekannte Wiener Rechtsanwalt Rudolf Mayer sagte einmal: "Jeder Mensch hat ein Recht auf die bestmögliche Verteidigung." Was treibt Sie an, besonders aussichtslose Fälle zu übernehmen?

Ainedter: Ich habe – anders als der von mir sehr geschätzte Kollege Rudolf Mayer – nie besonders aussichtslose Fälle übernommen. Der Satz in Ihrem Zitat ist aber natürlich richtig, allerdings kann ich es mir Gott sei Dank nach vielen Jahren der Berufsausübung bis zu einem gewissen Grad aussuchen, welche Vertretungen ich übernehme oder nicht.

LEADERSNET: Nach all den Prominenten, Skandalen und Sensationen: Welche Art von Fall reizt Sie heute noch – oder wollen Sie, wie Grasser, irgendwann ganz einfach aus dem Rampenlicht verschwinden?

Ainedter: Es gibt aus meiner Sicht keine besonders reizvollen Arten von Fällen. Der Reiz eines Mandats kann in der Person des Angeklagten, aber auch in der Konstellation des jeweiligen Falles liegen. Diesbezüglich kann man keine generalisierende Aussage treffen.

LEADERSNET: Der deutsche Richter Thomas Fischer sagte einmal: "Das Recht ist ein Spiegel der Gesellschaft." Welche Botschaft möchten Sie der österreichischen Justiz nach diesem Mammutprozess mit auf den Weg geben?

Ainedter: Die Botschaft nach der unerträglichen Verfahrensdauer im Buwog-Prozess kann und muss lauten, dass es eine gesetzliche Höchstdauer von Ermittlungsverfahren geben soll, wie dies auch in anderen europäischen Ländern der Fall ist. Es zeigt sich immer wieder und hat sich im Falle Buwog gezeigt, dass alles, was man nicht nach zwei bis drei Jahren ermittelt hat, einfach nicht mehr ermittelt werden kann. Der letztendlich im Buwog-Verfahren angeklagte Sachverhalt war bereits nach circa zwei Jahren Ermittlungen ziemlich klar, wenngleich Erhebungen im Ausland in weiterer Folge erforderlich waren und das Verfahren verzögert haben. Für solche Konstellationen könnte man aber im Gesetz durchaus Ausnahmeregelungen stipulieren.

www.ainedter.com

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