Inmitten geopolitischer Spannungen, technologischem Wandel und wachsender regulatorischer Anforderungen halten sich Österreichs Unternehmen für krisenfest – gleichzeitig offenbart eine aktuelle Umfrage deutliche Schwächen im Risikomanagement. Besonders bei Datenverfügbarkeit, organisatorischer Agilität und der strategischen Einbindung entsprechender Prozesse bestehe Nachholbedarf, wie die jährliche, gemeinsame Studie von EY Österreich, Crif und Business Circle zeigt. Befragt wurden dabei Vertreter:innen von 55 Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen und Größen.
"In einer Welt, die sich rasch ändert, braucht es mehr als punktuelle Krisenreaktionen. Risikomanagement muss heute ein integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie sein – und Daten bilden dabei das Fundament", betont Markus Hölzl, Partner bei EY Österreich.
Diskrepanz zwischen Selbstwahrnehmung und Realität
Zwar stufen 87,3 Prozent der befragten Unternehmen ihre Organisation als stark oder sehr stark widerstandsfähig gegenüber Krisen ein. Doch der Realitätstest offenbare Schwächen: 38,2 Prozent messen ihre Resilienz nicht. "Diese Lücke zwischen Selbstbild und Realität ist riskant. Gerade in Krisenzeiten zeigt sich, wie wichtig es ist, Resilienz nicht nur zu behaupten, sondern messbar zu machen und kontinuierlich weiterzuentwickeln", warnt Anca Eisner-Schwarz, Geschäftsführerin von Crif Österreich.
Die strukturelle Verankerung von Risikomanagement sei den Expert:innen zufolge vielerorts rudimentär: Mehr als ein Fünftel (21,8 %) verfügt demnach über keine eigene Funktion oder Abteilung, bei fast der Hälfte der Unternehmen (47,3 %) ist weniger als eine Vollzeitkraft dafür verantwortlich. Besonders kleinere Firmen mit unter 50 Mitarbeitenden würden dem Thema oft wenig Raum einräumen – rund 30 Prozent dieser Betriebe stellen laut eigenen Angaben gar keine Ressourcen für Risikomanagement bereit.
Risiken heute und morgen: Vom Markt zur Geopolitik
Weiters geht aus der Studie hervor, dass Unternehmen aktuell Marktrisiken (69,1 %) als die größte Herausforderung sehen, gefolgt von Technologie- (45,5 %), Finanz- (43,6 %) und geopolitischen Risiken (40 %). Personalrisiken (29,1 %) gewinnen der Befragung zufolge ebenfalls an Relevanz. Der Blick in die Zukunft zeige eine Verschiebung der Wahrnehmung: 47,3 Prozent rechnen mit einem Anstieg geopolitischer Risiken, 45,5 Prozent erwarten wachsende Herausforderungen im Personalbereich. Marktrisiken (56,4 %) und Cyberbedrohungen (41,8 %) bleiben weiterhin auf hohem Niveau.
"Diese Einschätzungen verdeutlichen, dass Unternehmen immer stärker vernetzte und globale Zusammenhänge im Blick behalten müssen, um langfristig erfolgreich zu bleiben", so Gerhard Pichler, Geschäftsführer von Business Circle.
Agilität im Anspruch – Datenmangel in der Praxis
Knapp drei Viertel der Unternehmen (70,9 %) beschreiben ihre Reaktionsfähigkeit als agil oder sehr agil. Gleichzeitig verfolge ein Drittel (34,5 %) externe Entwicklungen nur unzureichend, um daraus Handlungsbedarf abzuleiten. Positiv sei, dass immerhin 78,2 Prozent der Unternehmen Erkenntnisse aus vergangenen Krisen zumindest teilweise in ihre strategische Planung einfließen lassen.
Als zentrale Hürde für ein effektives Risikomanagement erweise sich der fehlende Zugriff auf belastbare Daten: 45,5 Prozent der Befragten geben an, nicht über die notwendigen Informationen für eine aktive, agile Steuerung zu verfügen. Nur 14,5 Prozent arbeiten demnach mit vollständigen Echtzeitdaten – während 45,5 Prozent kaum oder gar nicht auf solche zugreifen können. Dabei sei genau hier ein entscheidender Hebel verborgen: "Wer heute datengetrieben arbeitet, kann nicht nur schneller und präziser reagieren, sondern auch Wettbewerbsvorteile schaffen", so der Tenor der Studie.
Digitalisierung als Zukunftsinvestition
Viele Unternehmen scheinen die Zeichen der Zeit jedoch erkannt zu haben und wollen in Reaktion auf diese Herausforderungen in moderne Technologien investieren: 43,6 Prozent wollen laut der Studie künftig verstärkt auf Datenanalyse-Tools setzen, um Risiken besser erkennen und steuern zu können. Rund ein Drittel (32,7 %) plant den Einsatz von Automatisierungslösungen wie Robotic Process Automation (RPA), um Prozesse effizienter zu gestalten und schneller auf Krisenszenarien reagieren zu können.
"Datengetriebenes Risikomanagement schafft nicht nur Transparenz, sondern ermöglicht auch proaktive Entscheidungen, die Unternehmen resilienter machen", sagt Eisner-Schwarz. Pichler ergänzt: "Unsere Umfrage zeigt klar, dass Unternehmen ihre Widerstandskraft gegenüber Krisen objektiv messen und kontinuierlich verbessern müssen, um langfristig erfolgreich zu sein."
Große Lücke bei KI-Regulierungsvorbereitung
Während immerhin 36,4 Prozent der Unternehmen bereits KI- oder Automatisierungstechnologien im Risikomanagement einsetzen, zeige sich bei regulatorischen Vorgaben massiver Aufholbedarf: Fast zwei Drittel (63,6 %) der vom EU-AI-Act betroffenen Unternehmen hätten bislang kaum oder keine Maßnahmen ergriffen. 27,3 Prozent seien sich der Anforderungen nur wenig oder gar nicht bewusst. Lediglich 13,7 Prozent schätzen der Risikomanagement-Studie 2025 zufolge ihr Wissen über die neue Verordnung als sehr hoch ein.
"Der Anpassungsbedarf wird unterschätzt. Unternehmen müssen schnell handeln, um regulatorische Anforderungen nicht nur zu erfüllen, sondern auch als Innovationschance zu nutzen", mahnt Hölzl abschließend.
www.crif.at
www.businesscircle.at
www.ey.at
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