Auf Knopfdruck
US-Forscher entwickeln Methode zum Abschalten von Gehirnzellen

Die gezielte und reversible Deaktivierung von Synapsen könnte die Behandlung neurologischer Erkrankungen, darunter Epilepsie, posttraumatische Belastungsstörungen und Suchterkrankungen, revolutionieren. 

Was nach Science-Fiction klingt, ist nun tatsächlich Realität: Forschende des USC Dornsife College of Letters, Arts and Sciences an der University of Southern California haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Verbindungen zwischen Gehirnzellen selektiv und reversibel kappen lassen sollen. Dies soll nicht nur die Erforschung von Gehirnprozessen grundlegend verändern, sondern könnte eines Tages möglicherweise eine weitreichende Behandlung von neurologischen Erkrankungen ermöglichen – darunter etwa Epilepsie, Suchterkrankungen und posttraumatische Belastungsstörungen. 

Molekulare Präzision

Im Rahmen der kürzlich veröffentlichten Studie präsentieren die Wissenschaftler:innen zwei gentechnisch veränderte Tools, mit denen sich entweder erregende oder hemmende Synapsen gezielt und mit molekularer Präzision entfernen lassen. Beide Werkzeuge beruhen auf dem gehirneigenen System zum Recycling von Proteinen.

Entscheidend ist, dass sich das Verfahren ausschließlich auf die gewünschten Synapsen auswirkt – die restliche Struktur des Neurons bleibt unversehrt. Ein derart hoher Grad an Spezifität sei in den Neurowissenschaften bisher noch nicht erreicht worden, betont Studienleiter Don Arnold. Die Fähigkeit, gezielt Teile neuronaler Netzwerke zu zerlegen und ihnen anschließend ein erneutes Wachstum zu ermöglichen, eröffnet neue Einblicke in die Funktionsweise neuronaler Mikroschaltkreise – insbesondere in Bezug auf Wahrnehmung, Verhalten und Gedächtnis. 

Regeneration binnen weniger Tage

Das Verfahren nutzt sogenannte E3-Enzyme, die im Zellstoffwechsel normalerweise dafür zuständig sind, defekte Proteine zu entsorgen, indem sie mit dem Molekül Ubiquitin markiert werden. Diese Markierung dient als Signal, um die Proteine an das Proteasom weiterzuleiten – eine zelluläre Struktur, die Forschungsleiter Don Arnold anschaulich als "Miniatur-Holzhäcksler" beschreibt. Dort werden die markierten Proteine nämlich abgebaut, und ihre Bestandteile für neue Aufgaben recycelt.

Für ihre Experimente verbanden die Forschenden die E3-Enzyme mit antikörperähnlichen Proteinen, die gezielt an bestimmte synaptische Gerüstproteine andocken. Auf diese Weise entstand ein maßgeschneidertes Werkzeug, das das natürliche Abbau-System des Gehirns dazu bringt, entscheidende Komponenten entweder von erregenden oder hemmenden Synapsen zu entfernen. Möglich ist das auch bei gesunden Synapsen. Wird das strukturelle Gerüst einer Synapse entfernt, zerfällt sie, und die betroffene Nervenzelle kann keine Signale mehr an benachbarte Neuronen übermitteln.

Arnold bezeichnet die entwickelten Werkzeuge als "PFE3" und "GFE3". Von letzterem existieren zwei steuerbare Varianten: "paGFE3" lässt sich durch Licht aktivieren, "chGFE3" durch ein chemisches Signal. Ein entscheidender Vorteil dieser Tools liegt in ihrer Reversibilität: Sobald ihre Expression gestoppt wird, regenerieren sich die zuvor entfernten Synapsen innerhalb weniger Tage. Dadurch wird es möglich, gezielt neuronale Verbindungen zu entfernen, deren Auswirkungen zu beobachten, und anschließend die ursprünglichen Zustände wiederherzustellen – inklusive der Beobachtung des Heilungsprozesses.

Die gesamte Studie kann hier nachgelesen werden.

www.dornsife.usc.edu

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