Interview mit Sebastian Kurz
"Wir brauchen mehr Risikobereitschaft, mehr Erfolgshunger und eine andere Fehlerkultur"

Im LEADERSNET-Interview spricht Jungunternehmer und Alt-Kanzler Sebastian Kurz über sein Leben nach der Politik, Führungsverantwortung, Macht, internationale Entwicklungen, seine Sicht auf Europa, Technologie, Populismus und persönliche Lektionen. Zudem verrät er die weiteren Pläne für "seine" mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewerteten Cybersicherheitsfirma Dream.

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Kurz, starten wir mit einem kurzen Rückblick auf Ihre politische Karriere. Würden Sie alles noch einmal genauso machen? Was waren Ihre größten persönlichen und politischen Learnings aus Ihrer intensiven politischen Zeit?

Sebastian Kurz: Ich bin jemand, der sich und seine Entscheidungen laufend hinterfragt – aber bereut habe ich nie. Weder den frühen Einstieg noch den Ausstieg aus der Politik. Mein wichtigstes Learning: Erfolg ist nie eine Einzelleistung, sondern hängt immer vom Team ab, mit dem man arbeitet.

LEADERSNET: Macht korrumpiert, heißt es oft. Würden Sie sagen, das politische System zwingt einen, Dinge zu tun, die man eigentlich nicht will?

Kurz: In der Demokratie zählt der Kompromiss – kein Gesetz ohne Mehrheit im Parlament, kein Ministerratsbeschluss ohne Einstimmigkeit. Ich habe Koalitionen erlebt, in denen vieles blockiert wurde, andere, in denen vieles einfach abgetauscht wurde und solche, in denen man sich inhaltlich gut verständigen konnte. Es ist also weniger ein Zwang, sondern eher eine demokratische Notwendigkeit, Mehrheiten zu schaffen.

LEADERSNET: Sie haben sich nach Ihrem Rückzug aus der Politik dem Unternehmertum zugewandt. Ihr Cybersicherheitsunternehmen "Dream" hat Ende April in Wien das dritte Büro weltweit eröffnet (LEADERSNET berichtete – siehe auch Galerien unten). Ihr Anteil am Unternehmen wird auf gut 150 Millionen Dollar geschätzt. Was motiviert Sie in Ihrer neuen Rolle und welche Unterschiede erleben Sie im Vergleich zur Politik?

Kurz: Der Einstieg ins Unternehmertum war eine Umstellung – plötzlich keine Struktur mehr mit tausenden Mitarbeiter:innen, sondern ein kleines Team. Ich habe zwar einige Erfahrungen aus der Politik mitgebracht, aber vieles war natürlich auch neu für mich. In der Politik habe ich immer viel von Unternehmertum gesprochen und habe mir nach meinem Ausstieg gedacht, jetzt muss ich das selbst auch machen. Es braucht dazu aber viel Mut und es war für mich auch ein Verlassen der eigenen Komfortzone. Gleichzeitig ist es sehr schön zu sehen, wenn Dinge, die man startet, wachsen. Unser AI Cyber Security Unternehmen Dream ist in den ersten zwei Jahren auf 200 Mitarbeitende in Tel Aviv, Abu Dhabi und Wien gewachsen. Zu sehen, wie sich das Unternehmen international etabliert, motiviert mich jeden Tag aufs Neue.

LEADERSNET: Österreich und Europa stehen heute vor enormen Herausforderungen: Krieg in Europa, wirtschaftlicher Druck oder Vertrauenskrisen, um nur einige zu nennen. Was sehen Sie als größte politische Aufgabe der kommenden Jahre?

Kurz: Wirtschaftlicher Erfolg ist die Grundlage für alles – für Wohlstand, für sozialen Frieden. Oft habe ich den Eindruck, dass die Notwendigkeit, wirtschaftlich erfolgreich zu sein und für eine standortfreundliche Politik einzutreten, in Europa oftmals keine Priorität mehr hat. Global gesehen hat Europa an Einfluss verloren. Im Umgang mit anderen Teilen der Welt sollte es weniger moralische Überlegenheit und mehr strategische Interessenpolitik an den Tag legen. Die Welt ordnet sich gerade neu – Europa muss aufwachen und mitgestalten, statt nur zuzuschauen.

LEADERSNET: Viele junge Menschen erleben heute ein Gefühl der Zukunftsunsicherheit: Klimakrise, Krieg, hohe Inflation, kaum leistbarer Wohnraum und Migrationsströme, die auf den ohnehin angespannten Wohnungsmarkt und die Gehälter drücken. Haben diese aus Ihrer Sicht Hoffnung auf eine bessere Zukunft?

Kurz: Jede Generation hatte ihre Krisen – die Wahrheit ist aber, dass junge Menschen gerade in der westlichen Welt heute so viele Chancen und Möglichkeiten haben, dass es kaum in Worte zu fassen ist. Daher sollte man nicht jammern, sondern dankbar für das sein, was unsere Eltern- und Großelterngeneration aufgebaut hat, und mit Fleiß und Arbeit versuchen, etwas daraus zu machen.

LEADERSNET: Werfen wir einen Blick auf Israel, wo Sie regelmäßig unterwegs sind. Was können europäische Demokratien aus der gesellschaftlichen Debatte und politischen Kultur anderer Länder lernen?

Kurz: Was mich generell an der Region Middle East fasziniert, ist, wie groß der Hunger nach wirtschaftlichem Erfolg dort ist. Bei uns hat man oft das Gefühl, dass in vielen Bereichen eine gewisse Sättigung vorhanden ist. Israel hat eine junge, dynamische Bevölkerung – das Durchschnittsalter beträgt nur 30 Jahre. Trotz permanenter Bedrohungslage herrscht ein enormer Zukunftsoptimismus. Sogar, wenn es so unfassbare Ereignisse gibt, wie den Terroranschlag vom 7. Oktober 2023, bei dem tausende getötet und hunderte verschleppt wurden, schaffen es das Land und seine Bevölkerung, sich nicht nur zu verteidigen, sondern auch, sich in einer unfassbaren Geschwindigkeit wieder aufzurappeln und in ein normales Leben zurückzukehren. Diese Resilienz ist beeindruckend.

LEADERSNET: Sie stehen heute in engem Austausch mit Technologieunternehmen im Silicon Valley. Was unterscheidet die Innovationskultur dort von der in Europa? Welche strukturellen Veränderungen wären hier notwendig?

Kurz: In den USA ist Scheitern Teil des Prozesses – in Europa oft ein Stigma. Das lähmt Innovation. Wenn von den zehn wertvollsten Unternehmen der Welt kein einziges aus Europa kommt, ist das kein Zufall. Wir brauchen mehr Risikobereitschaft, mehr Hunger nach Erfolg und eine andere Fehlerkultur.

LEADERSNET: Wie hält man sich – trotz Macht, Einfluss und medialem Rummel – innerlich stabil? Was hat Ihnen geholfen, mit Druck und Verantwortung umzugehen?

Kurz: Indem man sich nicht zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Applaus und Kritik – beides gehört dazu. Insbesondere zu Anfangszeiten in der Politik habe ich aber gelernt, mich aufs Wesentliche zu konzentrieren: Hart arbeiten und das zu tun, was man für richtig erachtet. Ich bin sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, einen Beitrag für mein Land zu leisten und mit so vielen talentierten und motivierten Menschen zusammenarbeiten zu dürfen.

LEADERSNET: Was sind Ihre aktuellen Projekte und Visionen für die Zukunft, sowohl beruflich als auch persönlich?

Kurz: Unser zweites Kind ist unterwegs – das ist privat das größte Projekt. Beruflich möchte ich die zarten unternehmerischen Pflänzchen, die ich in den letzten Jahren mit meinen Partnern aufbauen durfte, weiter vorantreiben. In meiner AI Cyber Sicherheitsfirma Dream werden wir 100 Millionen Dollar investieren, um unser Cyber Language Model weiterzuentwickeln und neben den Märkten Europa, Middle East und Südostasien, in denen wir bereits tätig sind, nun auch in den USA und Südamerika aktiv zu werden.

Fotos von der Grand Opening-Feier anlässlich des neuen Dream-Standorts in Wien sehen Sie in unseren Galerien hier und hier.

www.skmanagement.eu

www.skmanagement.eu/dream-security

Zur Person

Ein außergewöhnlich früher politischer Aufstieg, geprägt von strategischer Schärfe, medialer Präsenz und einem tiefgreifenden Wandel innerhalb der österreichischen Innenpolitik – das ist die Karriere von Sebastian Kurz. Mit 24 Jahren Staatssekretär, mit 27 Jahren Außenminister und schließlich im Alter von nur 31 Jahren Bundeskanzler der Republik Österreich – eine politische Laufbahn, wie sie in Europa ihresgleichen sucht.

Doch der kometenhafte Aufstieg ging auch mit großem öffentlichen Druck, Kritik und schließlich einem spektakulären Rücktritt einher. Heute, abseits der aktiven Politik, ist Sebastian Kurz als Unternehmer tätig und international vernetzt. Vom Altkanzler, zum Jungunternehmer, zwischen Silicon Valley, internationalen Vorträgen und geopolitischer Beratung ist Kurz weiterhin im Gespräch – wenn auch auf einer anderen Bühne. 

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Ein außergewöhnlich früher politischer Aufstieg, geprägt von strategischer Schärfe, medialer Präsenz und einem tiefgreifenden Wandel innerhalb der österreichischen Innenpolitik – das ist die Karriere von Sebastian Kurz. Mit 24 Jahren Staatssekretär, mit 27 Jahren Außenminister und schließlich im Alter von nur 31 Jahren Bundeskanzler der Republik Österreich – eine politische Laufbahn, wie sie in Europa ihresgleichen sucht.

Doch der kometenhafte Aufstieg ging auch mit großem öffentlichen Druck, Kritik und schließlich einem spektakulären Rücktritt einher. Heute, abseits der aktiven Politik, ist Sebastian Kurz als Unternehmer tätig und international vernetzt. Vom Altkanzler, zum Jungunternehmer, zwischen Silicon Valley, internationalen Vorträgen und geopolitischer Beratung ist Kurz weiterhin im Gespräch – wenn auch auf einer anderen Bühne. 

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