Gastkommentar Ralf-Wolfgang Lothert
Das Ende von Diversität und Wokeness?

| Redaktion 
| 13.04.2025

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Donald Trump, der Präsident der Vereinigten Staaten (President of the United States, kurz: POTUS), hat in der vergangenen Woche mit der Einführung von Zöllen und einer Rückbesinnung auf völlig überholte volkswirtschaftliche Theorien den Weg geebnet, die Weltwirtschaft in die nächste globale Rezession zu führen. Doch nicht nur das, er hat gleichzeitig auch der Diversität (englisch: Diversity, Equity and Inclusion – kurz: DEI) und jeder Form von sogenannter Wokeness offen den Kampf angesagt. Dabei geht er so weit, dass sogar Bildarchive durchforstet und jene Dateien gelöscht werden sollen, die beispielsweise Menschen mit dunkler Hautfarbe zeigen, selbst wenn es sich bei ihnen um geschichtliche Größen handelt.

Diversität und Wokeness?

Doch was bedeuten eigentlich Diversität und Wokeness? Diversität beschreibt die "Praxis oder Qualität, Menschen aus einer Vielzahl unterschiedlicher sozialer und ethnischer Hintergründe, Geschlechter, sexueller Orientierungen usw. einzubeziehen oder zu beteiligen". Wokeness wiederum steht für "eine wache, bewusste Haltung gegenüber Diskriminierung und gesellschaftlichen Missständen". Soweit die Theorie, die ja per se nichts Schlechtes vermuten lässt.

Warum also stellt sich POTUS so vehement dagegen? Warum schafft er beispielsweise die Möglichkeit für transgeschlechtliche Personen, in den US-Streitkräften zu dienen, wieder ab? Warum geht er gegen "Affirmative Action" – also positive Diskriminierung oder Quotenregelungen – vor? Die Sichtweise von POTUS und vieler seiner Unterstützer:innen ist, dass Diversität und Inklusion die Gesellschaft schwächen würden. Ihrer Meinung nach hätte eine homogene Gesellschaft mehr Vorteile – vereinfacht gesagt: Wenn alle gleich sind, erschießen sie sich nicht gegenseitig.

Diese Sichtweise greift aber viel zu kurz, wirkt insofern seltsam, als der Erfolg der USA auf der Zuwanderung von Menschen unterschiedlichster Herkunft, Religionen und Erfahrungen basiert. Selbst POTUS verdankt seine Position, seinen "Thron", sein Imperium dem Arbeitswillen unzähliger Menschen aus Lateinamerika. Ganz abgesehen davon, dass er – wie unlängst ein Freund scherzhaft anmerkte – mit seinem Erscheinungsbild, insbesondere seiner Frisur, selbst außerirdisch anmutet und zudem mit einer Slowenin verheiratet ist.

Diversität und Pluralität sind Treiber von Innovation und Fortschritt

Zurück zum Thema: Zahlreiche Studien belegen, dass Diversität in Unternehmen nicht nur die Mitarbeiterbindung, die Unternehmenskultur und die Zufriedenheit steigert, sondern auch Umsätze und Gewinne. Was für Unternehmen gilt, gilt umso mehr für unsere Gesellschaft und den Staat. Auch die Europäische Union profitiert von der Vielfalt ihrer Menschen, Kulturen und Länder. Diversität und Pluralität sind Treiber von Innovation und Fortschritt.

Allerdings müssen wir uns auch fragen, ob wir beim Thema Diversität manchmal den gesunden Menschenverstand ausgeschaltet haben. Ja, vielleicht schießen manche Maßnahmen über das Ziel hinaus. Es ist – überspitzt gesagt – nicht nötig, von "Bäum:innen" zu sprechen, um gendergerecht zu formulieren. Wir müssen aufpassen, dass durch das ständige Hervorheben immer neuer Gruppen – LGBTQ+, Plus Plus – nicht der gegenteilige Effekt eintritt: dass tatsächliche Ungleichbehandlung übersehen wird, weil niemand mehr weiß, wo man zuerst hinschauen soll. Ein bisschen mehr Hausverstand und vor allem auch Nachsicht für jene, die diesen Entwicklungen nicht sofort folgen können, wäre womöglich angebracht.

Charakter und Gegenwind

All das darf jedoch nicht die grundsätzliche Berechtigung und die Vorteile von Diversität infrage stellen. Es ist geradezu verächtlich und verräterisch, wenn Unternehmen – insbesondere große US-Tech-Konzerne –, die sich noch vor einem Jahr als Vorreiter der Diversität inszenierten und sich dafür weltweit feiern ließen, nun auf Druck von POTUS ihre Maßnahmen zurückfahren oder ganz einstellen. Wenn Prinzipien von heute auf morgen eingeführt und ebenso schnell wieder abgeschafft werden, sagt das viel darüber aus, wie solche Firmen unter dem entsprechenden Druck mit Grundrechten und Werten umgehen. Offenbar sind ihnen diese dann schlichtweg egal.

Der wahre Charakter eines Unternehmens zeigt sich vor allem in Zeiten des Gegenwinds – nämlich darin, ob es dann noch an seinen Prinzipien festhält. Bei JTI Austria feiern wir die Diversität in jeglicher Hinsicht. Sie ist nicht nur ein Unternehmenswert, sondern beschreibt die Art und Weise, wie wir arbeiten. Durch die Verankerung einer diversen, inklusiven und integrativen Kultur befähigen wir unsere Mitarbeitenden, sich selbst zu verwirklichen, kreativ zu sein und neue Perspektiven einzubringen. Umso wichtiger ist es, Bewusstsein zu schaffen, zu unterstützen und für Diversität und Gleichbehandlung einzustehen. Vielfalt ist mehr als eine "policy", sie ist das, was wir sind – wer davor die Augen verschließt, verschließt sich auch den Möglichkeiten, die sie eröffnet.

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