LEADERSNET: Sehr geehrte Frau Moss, mit der weltweiten Synesgy Global Observatory-Analyse wird erstmals der klare Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und wirtschaftlichem Erfolg aufgezeigt. Was bedeutet das konkret für Unternehmen?
Ruth Moss: Dass Nachhaltigkeit ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Wirtschaft ist, wurde in den bisherigen Diskussionen wenig thematisiert. Wir können das nun belegen: Nachhaltige Unternehmen sind wirtschaftlich erfolgreicher. In einer Analyse von 500.000 Unternehmen weltweit konnten wir den Zusammenhang von Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit bestätigen. Das stärkt die Argumentation für Unternehmen, ESG systematisch in ihre Strategie zu integrieren. Die Ergebnisse stellen einen Paradigmenwechsel in der Nachhaltigkeitsdebatte dar. Es geht nicht mehr um die Frage, ob wir Nachhaltigkeit regulatorisch gefordert machen müssen oder wir es uns leisten können, sondern darum, dass es für die Zukunftssicherung von Unternehmen unerlässlich ist, nachhaltig zu wirtschaften.
LEADERSNET: Was sind die wichtigsten Ergebnisse Eurer Analyse, die jedes Unternehmen kennen muss?
Moss: Erstens sind nachhaltige Unternehmen wirtschaftlich erfolgreicher: Unternehmen mit einem sehr guten und guten ESG-Score machen 72 Prozent des Gesamtumsatzes aller untersuchten Unternehmen, die ESG-zertifiziert sind, aus.
Zweitens haben nachhaltige Unternehmen ein geringeres wirtschaftliches Risiko: Verglichen mit der Normalverteilung des wirtschaftlichen Risikos in den untersuchten Ländern, zeigen Unternehmen mit einem ESG-Zertifikat ein nur halb so hohes wirtschaftliches Risiko. Unternehmen mit einem sehr guten/guten ESG-Score weisen ein bis zu 35 Prozent geringeres Insolvenzrisiko auf, im Vergleich zu Unternehmen mit einem schlechten ESG-Score.
Drittens zeigen Unternehmen mit einem guten G-Score (Governance) ein besseres Zahlungsverhalten: Unternehmen, die im Governance-Score ein sehr gut/gut aufweisen, zeigen ein bis +5,7 Prozent besseres Zahlungsverhalten, hinsichtlich pünktlicher Zahlung als der Durchschnitt.
LEADERSNET: Die Omnibus-Verordnung verspricht eine Vereinfachung der Nachhaltigkeits-Berichtspflicht. Was heißt das nun für die Unternehmen?
Moss: Die EU-Kommission hat Ende Februar 2025 einen Vorschlag zur Vereinfachung der EU-Vorschriften für Nachhaltigkeit präsentiert. Diese hat zum Ziel, den bürokratischen Aufwand zu reduzieren – vor allem für KMUs. Das ist gut, denn die überbordende Komplexität der regulatorischen Pflichten wurde zunehmend als belastende Herausforderung wahrgenommen. In einer Studie 2024 unter 455 österreichischen Unternehmen wurde als größte Herausforderung die Orientierung, was gesetzlich verpflichtend ist, genannt (37 Prozent). Besonders mit dem kommenden EU-Lieferkettengesetz wurde die Kritik an der Überbürokratisierung und Belastung der Unternehmen laut, bis hin, dass 20 Prozent der befragten Unternehmen in der Studie den Aufwand als wirtschaftlich gefährdend sehen. Aufgrund des Druckes der Wirtschaft hat die EU reagiert.
LEADERSNET: Verliert Nachhaltigkeit an Bedeutung, besonders vor dem Hintergrund, dass Unternehmen durch die schwierige wirtschaftliche Situation andere Herausforderungen zu meistern haben?
Moss: Der Versuch der Deregulierung, die die Wirtschaft in ihrer Nachhaltigkeit unterstützen soll, führt dazu, dass weniger Unternehmen in die Berichtspflicht fallen. Wir sehen bereits die Tendenz, dass Unternehmen abwarten, was nun wirklich die Verordnung für sich bringt, bis hin dass sie Nachhaltigkeitsbemühungen nicht mehr priorisieren. Dadurch gerät das Thema Nachhaltigkeit bei manchen Unternehmen in den Hintergrund. Doch es wird immer wichtiger, dass das Thema nicht aus den Augen verloren wird.
LEADERSNET: Heißt das also, Unternehmen sollen an der Nachhaltigkeit dranbleiben, auch wenn sie nicht verpflichtet sind?
Moss: Unbedingt, wenn sie in Zukunft weiterhin wirtschaftlich erfolgreich sein möchten. Nachhaltiges Wirtschaften wird das neue Narrativ, das Österreich und Europa zukunftssicher macht.
LEADERSNET: Welche Vorteile haben Unternehmen, die das Thema Nachhaltigkeit systematisch und langfristig in ihre Prozesse integrieren?
Moss: Unternehmen, die ESG-Tools – wie die Evaluierungs-Plattform Synesgy von Crif – regelmäßig zur Evaluierung einsetzen, prüfen ihre Prozesse, Lieferketten und Governance-Strukturen systematisch und passen sich frühzeitig an neue Anforderungen an. Genau darin liegt der Unterschied: Wer ESG nur einmalig bewertet, bleibt oft reaktiv. Wer ESG jedoch als kontinuierlichen Prozess versteht, identifiziert frühzeitig Risiken und Chancen – mit vielen positiven Effekten. Unsere Analyse zeigt klar: Diese Unternehmen erzielen nicht nur bessere ESG-Scores, sondern profitieren auch von höherer wirtschaftlicher Stabilität und einem deutlich geringeren Insolvenzrisiko.
Die gesamte Synesgy Global Observatory-Analyse finden Sie anbei als PDF zum Download.
www.crif.at
danke für diesen höchst relevanten Beitrag!
Für alle, die an diesem Thema interessiert sind, gibt es einen Summit, der sich genau mit der Thematik Nachhaltigkeit + Digitalisierung = Geschäftswert/-erfolg beschäftigt. Mehr Info auf: https://lsz.at/events/green-business-summit
Und Ruth trifft man dort auch.
See you there, Martina
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