Fotos & Video HKSÖL Top Speakers Lounge
"Die Netztarife sollten auch für Privatpersonen leistungsabhängig sein"

Österreich will bis 2040 klimaneutral werden und bis 2030 den Strombedarf zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien decken. Top-Entscheider:innen diskutierten auf Einladung der HKSÖL, wie diese Transformation gemeistert werden kann und welche Rolle die Zölle von Donald Trump dabei spielen. LEADERSNET.tv fragte nach, wo wir bei der Energiewende aktuell stehen.

Bei der aktuellen "Top Speakers Lounge" der Handelskammer Schweiz-Österreich-Liechtenstein (HKSÖL) stand die Energiewende und Österreichs Weg in Richtung Klimaneutralität im Fokus. Das Thema ist zwar in aller Munde, wirft aber auch viele ungeklärte Fragen auf – Stichworte dazu lauten Dunkelflauten, Solarspitzen und galoppierende Energiepreise. Und nun kommt auch noch der von US-Präsident Donald Trump angefochtene Handelskonflikt hinzu. Die von der HKSÖL ins Headquarter von PwC Österreich eingeladenen Expert:innen hatten also ausreichend Gesprächsstoff. Konkret saßen Susanna Zapreva (Verbund), Michael Sponring (PwC Österreich), Urs Meister (Eidgenössische Elektrizitätskommission ElCom) und Barbara Schmidt (Oesterreichs Energie) am Podium. Geleitet wurde die Diskussion von Petra Stuiber (Standard). Unter den zahlreichen Zuhörer:innen waren natürlich auch HKSÖL-Generalsekretär Urs Weber, HKSÖL-Präsident Alexander Riklin und PwC Österreich-CEO Rudolf Krickl.

Die aktuellste Frage, wie sich die Zölle des US-Präsidenten auf unsere Preise auswirken werden, wurde gleich zu Beginn geklärt. Michael Sponring, Territory Leader Energy, Utilities & Resources bei PwC, sagte: "Wenn heute 125 Prozent Zoll bezahlt werden für Photovoltaik-Module, könnte es passieren, dass die Chinesen uns PV-Module mit hohem Aufschlag verkaufen und es dadurch für uns teurer wird. Oder es kommt anders und wir bekommen die Überproduktion günstig. Das betrifft auch fossile Energieträger. Billiges Gas aus den USA ist Voraussetzung für günstigen Strom in Europa."

15 Milliarden im Jahr für fossile Energieimporte

Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, wies auf die immensen Kosten und die hohe Abhängigkeit hin: "Die aktuelle globale Situation zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, das Energiesystem in Österreich und Europa resilient aufzustellen. Wir zahlen aktuell rund 15 Milliarden im Jahr an unsichere Länder für fossile Energieimporte. Wesentlich sinnvoller ist es, in die Transformation, in erneuerbare Anlagen, Speicher und Netze zu investieren – nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch für die Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit."

Für Susanna Zapreva, Mitglied des Vorstands der Verbund AG, ist die Energietransformation ein gesamtgesellschaftlicher Wandel. "Europa darf nicht den Anschluss verlieren. In China und Nordafrika gibt es eine ganz andere Dynamik. Wir müssen unsere Hausaufgaben lösen, damit Europa wettbewerbsfähig bleibt. Wir sind mitten in einem massiven Transformationsprozess, das ist eine Operation am offenen Herzen. Da ist es normal, dass auch Fehler passieren. Die Politik ist dann oft der Sündenbock. Wir müssen als Gesellschaft lernen, mit Ungewissheiten umzugehen und uns auf die Chancen zu konzentrieren. Dafür braucht es die richtigen Rahmenbedingungen – politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich", so die Expertin.

Sinn sei, sich selbst zu versorgen und nicht die Öffentlichkeit

"Mit dem stark angewachsenen Anteil an erneuerbaren Energien braucht es nun auch effiziente Mechanismen und Anreize, um diese in den Markt, aber auch in die Netze zu integrieren. Konsequenterweise müssen sich dann auch die Fördersysteme für Erneuerbare daran ausrichten", so Urs Meister, Geschäftsführer der Eidgenössischen Elektrizitätskommission ElCom. Dies gelte auch bei der Ausgestaltung von Energiegemeinschaften. Sie sollten stärkere Anreize erhalten, mittels ihres Eigenverbrauchs die Netznutzung effektiv zu reduzieren, um damit auch den Netzausbaubedarf zu reduzieren – aktuell würden diese Anreize fehlen. Laut Meister könnte das beispielsweise durch eine stärkere Ausrichtung der Netztarife nach der Leistung korrigiert werden.

In dieselbe Kerbe schlägt Schmidt: "Die Finanzierung der Netztarife basiert auf einem Solidarsystem, d. h. alle, die Strom aus dem Netz entnehmen, tragen die Netzkosten. Die Situation ist derzeit nicht optimal: Steigende Netzkosten aufgrund des Ausbaus zum Anschluss dezentraler, erneuerbarer Anlagen stehen einem sinkenden Stromabsatz aufgrund höherer Eigenerzeugung und Wirtschaftskrise gegenüber." Daher brauche es Maßnahmen, damit die Kostensteigerungen gedämpft werden und die Anzahl der Zahler:innen größer wird. Diesbezüglich gebe es viele Vorschläge, die rasch umgesetzt werden sollten. Zustimmung zu diesen Vorschlägen gibt es von Sponring: "Die Netztarife sollten leistungsabhängig sein, nicht nur für die Industrie, sondern auch für die Privatpersonen. In den letzten zwei Jahren haben Hausbesitzer nicht nur fünf kWp, sondern gleich 20 kWp installiert. Dann kam der Energieversorger und hat gesagt: 'Ich zahle nicht 30 Cent pro kWh, sondern zum Beispiel nur vier.'" Der Sinn privater Photovoltaik sei, sich selbst zu versorgen und Netzgebühren zu sparen, aber nicht finanziell von der Energieproduktion zu profitieren, so der PwC-Experte.

Video-Interviews

Neben Barbara Schmidt, Michael Sponring, Urs Meister und Susanna Zapreva holte LEADERSNET.tv noch Thomas Gruber, Geschäftsführer Twenty40, und Gerhard Peller, Geschäftsführer Bladescape Airborne Services GmbH, vor die Kamera.

Fotos von der Top Speakers Lounge bei PwC-Österreich sehen Sie in der Galerie.

www.hk-schweiz.at

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