Da ist sie wieder – die Arbeitszeitdiskussion. Die einen wollen acht Stunden weniger pro Woche arbeiten, die anderen eine Stunde mehr. Und so habe ich dieses Mal einen Titel gewählt, der wohl viele Leser:innen nachdenklich stimmen wird: Leben ohne Arbeit?
"Ich lebe nicht, um zu arbeiten"
Neulich habe ich mit jemandem gesprochen, der mir selbstsicher und etwas trotzig erklärte: "Ich lebe nicht, um zu arbeiten. Ich arbeite, um zu leben!" Kann man so stehen lassen, finde ich, und an diesem Punkt aber gerne auch noch weiterdenken. Die Aussage lässt nämlich eine tiefe Abneigung gegen die Arbeit erkennen. Als etwas Aufgezwungenes, das man nur akzeptiert, weil es dafür Geld gibt. Den Stoff, aus dem man Reisen, Erlebnisse und schöne Dinge machen kann. Ist es eigentlich auch vorstellbar, dass man gerne arbeitet? Weil einem sein Beruf einfach tierisch Spaß macht, er intellektuell fordert und auch fördert? Oder weil man eine tiefe Leidenschaft hat für das, was man tut? Kindern eine gute Lehrkraft sein, nachhaltige Photovoltaik-Anlagen installieren, echtes Brot backen, Gastgeber:in oder Landwirt:in sein aus Leidenschaft.
Kann es vielleicht sein, dass ein Zeitgeist uns gerade die Arbeit als etwas vermittelt, das uns schadet, uns aufgezwungen wird und deshalb bekämpft werden muss? Kann es sein, dass dieses Mindset vor allem in Europa etabliert ist, während in anderen Wirtschaftsregionen dieser Erde das kollektive Streben nach jenem Wohlstand der brüllende Motor ist, der für uns selbstverständlich ist? Das sind jene Regionen, denen wohl auch bewusst ist, dass Wohlstand nicht von irgendwo herkommt, sondern von Arbeit. Haben wir uns zu sehr an unseren – auf Schulden gebauten – Wohlstand gewöhnt? An Sozialsysteme ("dummerweise" an Arbeitsleistung gekoppelt), die uns in fast allen Lebenslagen sicher auffangen? Haben wir vergessen, woher das alles kommt?
So kämpfen also viele Menschen herzhaft gegen die 40-Stunden-Woche und/oder (für die sozialromantischen Feinschmecker) für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Sie reden von Work-Life-Balance und davon, dass es eigentlich Life-Work-Balance heißen muss. Sicher ist es für meine geneigten Leser:innen keine Überraschung, dass ich kein Anhänger einer 32-Stunden-Woche bin, sondern wie schon mehrfach ausgeführt die Ansicht vertrete, dass wir eigentlich mehr und länger arbeiten müssen, um unseren Lebensstandard halten zu können und unseren Nachkommen nicht einen überschuldeten Staat zu hinterlassen. Die "Gastarbeiter:innen" vergangener Generationen werden die Arbeit nämlich auch nicht mehr machen. Längst sind die Gehaltniveaus in den Herkunftsländern vieler Arbeitskräfte massiv angestiegen und es macht ökonomisch keinen Sinn mehr, tausende Kilometer nach Österreich oder Deutschland zu pendeln, um das Geld zu verdienen, das man dann nach Hause schickt, um dort ein Leben für den Ruhestand aufzubauen.
Demographisches Dilemma
So sitzen wir also da, mit dem demographischen Dilemma der pensionsreifen Babyboomer, schwachen Geburtenraten, ausbleibenden Gastarbeiter:innen, einer visionslosen Migrationspolitik und einer antriebslos scheinenden Bevölkerung im besten Arbeitsalter. Und für Menschen in meiner Alterskohorte rückt der Zeitpunkt näher, an dem man dann in die sogenannte "wohlverdiente Pension" gehen darf.
Für viele eine Traumvorstellung und man zählt sogar die Stunden, die man noch arbeiten muss, bis es endlich losgehen kann mit dem süßen "Leben danach". Die meisten haben auch schon angeblich große Pläne für diese Pensionszeit – so als wäre im aktiven Arbeitsleben keinerlei Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen, Träume wahr werden zu lassen, zu reisen, sich weiterzubilden, Neues kennenzulernen. Für all das muss man erst in Pension gehen. Ja, nicht schon früher anfangen, sonst ist man vielleicht zu früh fertig und dann wird einem fad? Ich persönlich fahre daher doppelgleisig, arbeite leidenschaftlich gerne, reise viel, genieße mein Leben. Ich mache mir aber auch Gedanken für die Zeit danach und stoße letztlich immer auf eine große Frage: "Leben ohne Arbeit?" Echt jetzt? Während die meisten meiner Freunde – mit der Gnade späterer Geburtsjahre gesegnet – noch viele Jahre arbeiten (müssen), kann ich schon Taubenfüttern im Park. Oder was man sonst so tut als Alpha-Pensionist.
Ist nicht so mein Lebensentwurf, deshalb plane ich mal konsequent mein nächstes Lebenskapitel. Welchen Hobbys möchte ich intensiver nachgehen? Was mache ich, um dem Pensionsschock zu entfliehen? Wie steht es mit meinen Finanzen? Wo soll ich meinen Lebensmittelpunkt haben? Vor allem aber geht’s um die Frage: Was mache ich den ganzen Tag? Einfach so hineinleben? Und täglich grüßt das Murmeltier? Kann sicher eine Zeit lang funktionieren, aber ist das wirklich befriedigend, aufbauend oder überhaupt sinnstiftend?
So komisch es klingt, ich habe bereits angefangen, eine Checkliste zu führen, was für die Pension vorzubereiten ist. Über die Liste hinaus bin ich aber noch nicht gekommen. Ich habe nämlich gerade echt viel um die Ohren, arbeite viel und genieße das auch. In meinem Lebensentwurf verschmelzen Arbeit und Privatleben und für mich ist das so auch in Ordnung. Ich tüftle auch am Wochenende an einer Strategie oder denke in der Dusche an ein Business-Meeting. Böse Zungen könnten behaupten, ich lebe, um zu arbeiten. Dabei sehe ich das gar nicht so – ich kenne die Trennlinie dazwischen einfach nicht, eben weil es mir Spaß macht. Deshalb fällt es mir auch schwer, an ein Leben ohne Arbeit zu denken. In diesen Tagen feiert JTI übrigens sein 25-jähriges Bestehen, die Austria Tabak als Unternehmen sogar 240 Jahre. Ein Unternehmen, das nur durch das Engagement und den Tatendrang seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wachsen konnte. Mit diesen Gedanken möchte ich Sie ermutigen, auch nachzudenken über Ihr persönliches Morgen. Und das, was Sie schon heute nachkommenden Generationen vorleben und mitgeben wollen. Es wird nämlich sehr entscheidend dafür sein, wie wir künftig zusammenleben und welchen Lebensstandard wir in Europa haben. Es wäre dabei schön, wenn Sie zumindest auch zu dem Schluss kommen, dass Arbeit keine Strafe ist.
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