Internetoffensive Österreich drängt auf Gigabit-Abgabe für große Streaminganbieter

Darüber hinaus wurde am IKT-Konvent 2022 von der Regierung ein Vier-Milliarden-Euro-Digitalisierungspaket gefordert.

Geht es nach der Internetoffensive Österreich (IOÖ) braucht der heimische Wirtschaftsstandort dringend eine digitale Investitionsspritze, um sich mittelfristig gegen eine Abwärtsbewegung der Konjunktur wehren zu können.

Wirtschaft und Politik seien gemeinsam aufgerufen, schnell, flächendeckend und effizient jene Instrumente der Digitalisierung einzuführen, die einerseits Unternehmen am Markt wettbewerbsfähiger und resilienter machen, und andererseits die Zukunftsfähigkeit des Bildungsangebots und das österreichische Sozialmodell nachhaltig absichern, hieß es am 16. Mai im Rahmen des "IKT-Konvents" der Internetoffensive Österreich.

Vier Milliarden Euro

Wichtige heimische Digitalisierungs-Unternehmen schätzen den gemeinsamen Investitionsbedarf von Wirtschaft und Politik bis 2024 auf vier Milliarden Euro. Die Maßnahmen des Investitionspakets stehen im von der IOÖ vorgestellten neuen Strategiepapier "Die große Chance". "Etwa 400 Expert:innen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft haben in den vergangenen zwölf Monaten an diesem bisher umfassendsten Digital-Strategiepapier gearbeitet, das je in Österreich präsentiert wurde. Sämtliche Maßnahmen sind von Zielsetzungen des Regierungsprogramms und europäischen Programmen abgeleitet und somit für wirtschaftspolitische Ziele der Republik maßgeschneidert", so Patricia Neumann, Präsidentin der IOÖ.

2,8 Milliarden Euro sollen bis 2024 in den Breitbandausbau investiert werden, davon 2,2 Milliarden seitens der Telekomwirtschaft und 600 Millionen Euro im Rahmen der Förderprogramme "BBA 2030", die zeitnahe vergeben werden. Im Bereich IT sind weitere 1,2 Milliarden Euro zur Finanzierung der in der "Großen Chance" angeführten Maßnahmen zu investieren, davon etwa 600 Millionen Euro seitens der Unternehmen, die andere Hälfte durch den Öffentlichen Sektor.

Starker Anstieg erwartet

"Es geht hier nicht um die Finanzierung des IT-Regelbetriebs, sondern um neue, zusätzliche Digitalisierungsmaßnahmen, um mit den rasanten Entwicklungen der digitalen Möglichkeiten mithalten zu können", so Neumann. „Insgesamt gab 2020 der Öffentliche Sektor für IT 2,2 Milliarden Euro aus, davon etwa ein Drittel durch den Bund. Diese Summe soll bis 2024 auf drei Milliarden Euro wachsen, was einem Anstieg um 36 Prozent Prozent entspricht", so Michael Zettel, Vizepräsident der IOÖ und Country Managing Director von Accenture Österreich. Und weiter: "Wir erwarten bei den jährlichen IT-Investitionen aller österreichischen Unternehmen einen starken Anstieg von derzeit 13 Milliarden Euro auf 20 Milliarden Euro bis 2030, das entspricht einer Steigerung von 50 Prozent in den kommenden acht Jahren."

"Kassasturz" und Breitbandförderung

Die IOÖ rät der Bundesregierung, nach den kürzlichen Umstellungen der Ressorts und Wechsel der zuständigen Bundesminister:innen, zu einem "Digitalisierungs-Kassasturz" aller laufenden IT-Aktivitäten des Bundes, um für die kommenden Jahre ein effizientes und abgestimmtes Investitionskonzept zur Digitalisierung erarbeiten zu können.

Die Regierung werde in den kommenden zwei Jahren 1,4 Milliarden Euro an Förderungen für den Breitbandausbau in nicht rentablen Ausbaugebieten investieren. "Die Telekomwirtschaft schlägt vor, diese Förderungen zukünftig nicht an Infrastruktur-Bauunternehmen zu vergeben, sondern per 'Voucher' direkt an die Bürger:innen. Diese sollen künftig selbst bestimmen können, bei welchem Internetanbieter sie zur Herstellung eines Gigabit-Anschlusses den Voucher einlösen möchten", so Marcus Grausam, Vizepräsident der IOÖ und CEO von A1 Telekom Austria. "Den damit verstärkten Wettbewerb um das bessere Internet-Angebot fürchten wir nicht, denn wir wissen, dass wir damit Gigabit-Anschlüsse generell attraktiver machen und den Breitbandausbau beschleunigen", so Rudolf Schrefl, Vizepräsident der IOÖ und CEO von Hutchison Drei Österreich.

Streaming-Anbieter sollen sich an Kosten beteiligen

Besonders bedeutend für die Realisierung des flächendeckenden Gigabit-Ausbaus in Österreich sei die Kostenbeteiligung von US-Streaming-Plattformen: "Österreich muss in Europa die Stimme für eine Gigabit-Abgabe großer internationaler Cloud- und Streaminganbieter erheben. Die laufenden Netzwerkinvestitionen trägt derzeit der heimische Telekommunikationssektor und die privaten Haushalte über ihre Internettarife, während die großen bandbreitenhungrigen Streaming-Plattformen die Infrastruktur kostenlos nützen und kaum zur heimischen Wertschöpfung beitragen. Daher setzen wir uns für eine "Fair-Share-Abgabe" ein, für die sich Österreich bei den europäischen Institutionen stark machen soll", so Andreas Bierwirth, Vizepräsident der IOÖ und CEO von Magenta Telekom. Ohne diese Abgabe nach dem Verursacherprinzip degradieren wir uns in Europa mittelfristig zum reinen Bereitsteller von Infrastruktur, während die Wertschöpfung der Telekomwirtschaft aus Europa abfließt – das sei nicht nachhaltig, sagt Bierwirth.

Digitalisierungs-Fortschritte und Online-Shops

Die durch die Corona-Krise hervorgerufene Digitalisierungswelle habe die KMU in Österreich kaum erreicht: Die Zahl der vollständig digitalisierten Kleinbetriebe stagniere laut Digitalisierungsindex seit Pandemiebeginn, Großbetriebe hingegen hätten sich von 43 Prozent auf 54 Prozent verbessert. Das bedeute einen massiven Nachteil kleiner Unternehmen, die schon vor der Pandemie die Chancen der Digitalisierung großteils nicht effektiv genutzt hätten.

Auch die Zahl der Online Shopper vor und nach der Pandemie habe sich nicht erhöht und stagniere bei rund 54 Prozent. Trotzdem seien Investitionen in Online-Shops erfolgreich gewesen, da der Brutto-Jahresumsatz des österreichischen Einzelhandels von 3,9 Mrd. Euro im Jahr 2019 um 10 Prozent auf 4,2 Milliarden Euro im Jahr 2020 gestiegen ist, eine ähnliche Entwicklung habe auch 2021 genommen. Die bedeutet, dass einige wenige digitalisierte Unternehmen in der Pandemie durch eCommerce profitieren konnten, aber der Großteil der Unternehmen diese Wachstumschance nicht wahrgenommen hat. (ts)

LEADERSNET war beim IKT-Konvent mit dabei. Eindrücke finden Sie in der Galerie.

www.internetoffensive.at

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