"Die Planungssicherheit gibt uns letztlich jede Person, die geimpft ist"

Benedikt Binder-Krieglstein, CEO RX Austria & Germany, im Interview über den Messestandort Wien, wie man mit Content- und Produktangebot versucht, die digitale Community für physische Messen zu gewinnen und was er Impfgegnern zu sagen hat.

LEADERSNET: Ein herausforderndes Messejahr neigt sich dem Ende zu. Können Sie kurz Resümee ziehen?

Binder-Krieglstein:
Von einem Messejahr zu sprechen wäre an dieser Stelle falsch.  In Summe haben wir fünf Messen an drei Standorten (Wien, Salzburg und Berlin) durchgeführt. Und hier mussten wir natürlich Einbußen bei den Aussteller- und Besucherzahlen hinnehmen. Was mich allerdings positiv stimmt, ist die Qualität der Besucher:innen, denn die war deutlich besser als in der Vergangenheit. Diese Messen waren ein kleiner Hoffnungsschimmer, der aber aktuell durch die geringe Impfquote wieder verblasst.

LEADERSNET: Was würden Sie Impfgegnern gerne sagen?

Binder-Krieglstein: Wenn ich mir hier die hohen Impfquoten in anderen Ländern ansehe, in denen wir als internationaler Konzern tätig sind, dann frage ich mich schon ob hiesige Impfgegner wissen, was sie mit ihrem Verhalten der Gesellschaft und der Wirtschaft antun.

LEADERSNET: Hatten alle Messestandorte mit den gleichen Problemstellungen zu kämpfen? Oder gab es regionale Unterschiede?

Binder-Krieglstein: Auf die Märkte Österreich und Deutschland bezogen habe wir ein sehr homogenes – weniger positives – Bild. Auf globaler Ebene haben wir in vielen unserer Märkte Aufbruchstimmung und hervorragende Zahlen.

LEADERSNET: Die Messe Wien feiert heuer ihr hundertjähriges Jubiläum. Wie läuft die Zusammenarbeit mit der Stadt Wien aktuell?

Binder-Krieglstein: Die Entscheidung die Betreiberschaft in private Hände zu geben und sich auf die Position der Besitzgesellschaft zurückzuziehen, war Anfang 2000 eine sehr kluge Entscheidung der Stadt Wien. Denn so konnte 2004 RX als exklusiver Betreiber der Messe Wien über zwei Milliarden Euro an Wertschöpfung für die Stadt generieren. Dies ist den Verantwortlichen natürlich bewusst und entsprechend gut gestaltet sich unsere Zusammenarbeit mit dem zuständigen Stadtrat Peter Hanke und unserem Bürgermeister Michael Ludwig, der übrigens ein großer Fan der Messe ist.

LEADERSNET: Waren die Investitionen der letzten Jahre für die Bedeutung des Standortes wichtig?

Binder-Krieglstein: Der Neubau der Messe Wien war die Grundlage für die Erfolgsgeschichte der letzten 17 Jahre. Als Betreiber investieren wir jedes Jahr einen sehr hohen Betrag in die Erhaltung und Instandhaltung dieses Standortes. Allein bis 2022 sprechen wir hier von 1,5 Millionen Euro Investitionsvolumen. Oberstes Ziel ist es die hohe Qualität der Messe zu erhalten, denn das hilft sowohl der Stadt als auch uns als Betreiber.

LEADERSNET: Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Multifunktionshalle in St. Marx?

Binder-Krieglstein: Keine. Ich denke die Stadt hat einen sehr klaren Plan bis ins Jahr 2030 definiert, in dem festgelegt ist, wo die Schwerpunkte zu setzen sind, um die Visitor Economy weiter zu stärken. In dieser Strategie gibt es unterschiedliche Elemente, Events und Sportveranstaltungen in einer Location gehören dazu ebenso wie Messe und Kongresse in der Messe Wien.

LEADERSNET: Wie wird dafür gesorgt, dass Wien weiterhin der Platzhirsch im internationalen Wettbewerb um Kongresse und Messen bleibt?

Binder-Krieglstein: Unsere Konkurrenz wie Paris und Barcelona haben in den letzten Jahren hunderte Millionen investiert, um ihre Kongress- und Messezentren noch attraktiver zu machen. Wollen wir als Wien langfristig wettbewerbsfähig bleiben, müssen auch wir ähnliche Überlegungen anstellen. Dazu sind wir mit den Verantwortlichen der Stadt in einem intensiven Austausch.

LEADERSNET: Welche Zukunftspläne sind für die Kongressstadt an der Donau noch in petto?

Binder-Krieglstein: Strategisch gesehen wird es ganz klar darum gehen, die Gewerke Kongress, Messe, Liegenschaft und Stadt noch enger miteinander zu verknüpfen. Es benötigt eine gemeinsame Anstrengung aller in der Wertschöpfungskette spielenden Partner, um für große Messen und Kongresse ideale Rahmenbedingungen zu schaffen. Das betrifft die Customer Journey von Besuchern genauso wie die von Ausstellern. Als RX sind wir hier mit allen Stakeholdern im Gespräch und seitens der Stadt hat man hier die richtigen Ansätze.

LEADERSNET: Wie kann man den Geschäftsverlauf derzeit einstufen?

Binder-Krieglstein: Instabil und dynamisch. Wir sind eigentlich von einem starken ersten Quartal 2022 ausgegangen, auf Basis der aktuellen Lage hat sich diese Prognose deutlich verschlechtert. Aus meiner Sicht wird es eine Rückkehr zum normalen Geschäft, wo wir auf vergleichbaren Zahlen wie 2019 sind, erst wieder mit 2024 geben.

LEADERSNET: Liegen auch schon Buchungen für die nächsten Jahre vor? Oder mangelt es noch immer an Planungssicherheit?

Binder-Krieglstein: Für 2022 haben wir eine Vielzahl an Buchungen und Anfragen vorliegen. Markttechnisch gesehen sind wir sehr optimistisch. Die Planungssicherheit gibt uns letztlich aber jeder Bürger, der geimpft ist.

LEADERSNET: Lassen sich aus den Ereignissen rund um Corona auch positive Aspekte ableiten?

Binder-Krieglstein: Dass sich digitale Entwicklungen beschleunigt haben, ist klar. Dass aber dadurch der Wunsch, nach persönlichem Kontakt gestiegen ist, vielleicht weniger. Aber schlussendlich ist es dieses menschliche Bedürfnis, dass den Erfolg einer Messe Wien auch in Zukunft sichern wird.

LEADERSNET: Bringt die Zugehörigkeit zur weltweit tätigen RLX Group Vorteile in Krisenzeiten? Und hilft bei deren Bewältigung?

Binder-Krieglstein: Ganz klar ja. Wir haben einen finanzstarken Konzern, der uns den Rücken auch in Krisenzeiten stärkt. Für unsere knapp 400 Mitarbeiter:innen verteilt auf drei Standorten (Wien, Salzburg, Düsseldorf) ist es essentiell zu sehen, dass wir die Kraft haben diese Krise durchzustehen. Zusätzlich profitieren wir von der positiven Stimmung, die in jenen Ländern herrscht, die schon aufsperren konnten.

LEADERSNET: Physische Messeerlebnisse sind schwer zu ersetzen. Sie haben stark an digitalen Alternativen gearbeitet und einige Messen in den digitalen Raum verlegt. Wo geht die Reise hin?

Binder-Krieglstein: Das unterscheidet sich je nach Format. Im B2C-Bereich geht es stark um Reichweite und Community Building während wir im B2B-Bereich immer mehr an der Qualität der Kontakte arbeiten. Dort setzten wir auf marktgerechte Kommunikation über unsere zielgruppenspezifischen Kanäle. Die Reise liegt also klar vor uns: Wir werden über ein starkes Content- und Produktangebot versuchen die digitale Community für unsere physischen Messen zu gewinnen. (jw)

www.reedexpo.at

 

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