Die Deutsche Handelskammer in Österreich (DHK) feierte mit einem großen Fest im Palais Ferstel ihre Wiedergründung im Jahr 1955, beging dabei auch ihre 70. Generalversammlung und zog Bilanz über sieben Jahrzehnte deutsch-österreichischer Wirtschaftspartnerschaft. Hans Dieter Pötsch, Aufsichtsratsvorsitzender von VW, wurde für weitere drei Jahre als Präsident bestätigt. Christian Jauk übernimmt die Funktion des ersten Vizepräsidenten. Unter den Ehrengästen waren unter anderem Bundesminister Peter Hanke, der auch eine Festrede hielt, und der deutsche Botschafter Vito Cecere. Zudem gab es Videobotschaften von Bundeskanzler Christian Stocker sowie Helena Melnikov, Hauptgeschäftsführerin der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK).
Nicht auf Erfolgen ausruhen
Hanke rief in seiner Festrede dazu auf, Optimismus spürbar werden zu lassen. Die aktuellen Herausforderungen dürften nicht als Krise, sondern als Veränderung verstanden werden, betonte der Minister. Österreich und Deutschland gehörten zwar zu den reichsten Ländern der Welt, sollten sich aber nicht auf den Erfolgen der Vergangenheit ausruhen.
Hanke kündigte an, dass die neue Industriestrategie der Bundesregierung noch in diesem Jahr fertiggestellt werde und einen klaren Fokus auf Schlüsseltechnologien lege. Innovation müsse in Europa stattfinden, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. "Wir müssen Made in Europe wieder großschreiben", so Hanke. Zugleich warnte er vor dem zunehmenden Einfluss chinesischer Unternehmen im europäischen Verkehrsnetz und forderte faire Wettbewerbsbedingungen.
Er verwies zudem auf die enge Zusammenarbeit zwischen Österreich und Deutschland im Infrastrukturbereich. Mit Projekten wie dem Koralmtunnel, der im Dezember in Betrieb geht, und dem Brenner-Basistunnel, der 2032 fertiggestellt sein soll, entstehe neue wirtschaftliche Dynamik und ein wichtiger Teil der transeuropäischen Verkehrsnetze.
Vertrauen und Verantwortung in bewegten Zeiten
In seiner Rede hob Hans Dieter Pötsch die Bedeutung von Vertrauen, Stabilität und marktwirtschaftlicher Verantwortung als zentrale Pfeiler der bilateralen Beziehungen hervor. "Was uns verbindet, ist stärker als das, was uns trennt. Diese Partnerschaft bleibt ein Fundament für eine starke Zukunft in Europa", sagte er. Zugleich betonte der DHK-Präsident, dass geopolitische Umbrüche, der Krieg in der Ukraine und fragile Lieferketten mehr wirtschaftliche Resilienz und europäische Kooperation erfordern. Auch der Wandel zu einer klimaneutralen Wirtschaft werde die Zusammenarbeit prägen.
Die Energiewende und Dekarbonisierung seien, so Pötsch, nicht nur notwendige Anpassungen, sondern auch Chancen für Innovation – insbesondere im Maschinenbau, in der Mobilität und Umwelttechnik. Technologieoffenheit müsse dabei das Leitprinzip bleiben, um Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz zu verbinden.
Zudem stehe die europäische Wettbewerbsfähigkeit unter Druck. Europa müsse Bürokratie abbauen, Innovation fördern und Industriepolitik strategisch weiterentwickeln. Deutschland und Österreich sollten, so der Präsident, hierbei "als starke Stimme für ein pragmatisches und zukunftsorientiertes Europa auftreten".
Die deutsch-österreichischen Beziehungen stünden, so das Fazit der Versammlung, für mehr als wirtschaftliche Kennzahlen – sie basierten auf Vertrauen, kultureller Nähe und einem gemeinsamen europäischen Gestaltungswillen. Die DHK wolle diese Partnerschaft auch künftig aktiv mitgestalten.
Grußworte aus Politik und Wirtschaft
Christian Stocker betonte in seiner Videobotschaft, dass Österreich in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Deutschland ein verlässlicher Partner bleibe. Kaum zwei Volkswirtschaften in Europa seien enger verflochten, die Anbindung an Deutschland sei "das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft". Zugleich zähle Österreich zu den wichtigsten Partnern Deutschlands. Vito Cecere verwies auf die zentrale Rolle des Mittelstands in beiden Ländern. Auch politisch bestehe ein "hohes Maß an Einverständnis". Trotz globaler Krisen gebe es, so Cecere, Anlass zu Zuversicht – insbesondere mit Blick auf Europas wirtschaftliche Stärke.
Helena Melnikov hob in ihrer Videobotschaft die enge Verbundenheit zwischen Deutschland und Österreich hervor. Das Engagement der deutschen Wirtschaft in Österreich sei eine "Erfolgsgeschichte für beide Seiten".
Weiters wurde im Rahmen der Generalversammlung betont, dass Deutschland Österreichs wichtigster Handelspartner bleibt. Über 30 Prozent der österreichischen Warenexporte gehen ins Nachbarland. Rund 5.000 deutsche Unternehmen sind in Österreich aktiv, während etwa 2.000 österreichische Firmen in Deutschland tätig sind. Seit ihrer Wiedergründung 1955 hat sich die DHK zu einem zentralen Bindeglied zwischen beiden Volkswirtschaften entwickelt.
Wirtschaft und Kultur vereint
Als "Exil-Österreicher" stellte sich Peter Sommerer, Dirigent und künstlerischer Leiter der Sächsischen Bläserphilharmonie, vor, die den Festabend musikalisch prägte. Im Rahmen der Feierlichkeiten ehrte die DHK zahlreiche Unternehmen für langjährige Mitgliedschaft: Für 50 Jahre gewürdigt wurden Bürgerbräu Bad Reichenhall, August Röhm und Söhne KG, Congress und Messe Innsbruck GmbH, LKW Walter Internationale Transportorganisation AG und Vienna Insurance Group.
Bereits 60 Jahre Mitglied ist umdasch Store Makers Management GmbH. Seit der Gründung 1955, also 70 Jahre dabei, gratulierte die DHK BASF Österreich, Bayer Austria Gesellschaft m.b.H., Boehringer Ingelheim RCV GmbH & Co KG, Robert Bosch AG, VTG und WMF in Österreich.
Neue Mitglieder in Präsidium und Vorstand
Die Stärke der Deutschen Handelskammer in Österreich beruht auf dem Engagement zahlreicher Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Industrie. Im Rahmen der Generalversammlung wurden Annette Mann (Austrian Airlines) und Joachim Schönbeck (Andritz AG) neu ins Präsidium gewählt.
In den Vorstand wurden Pavol Dobrocky (Boehringer Ingelheim), Karl Guschlbauer (Guschlbauer Konditorei und Süßwaren), Christoph Knogler (Keba Group), Elisabeth Köstinger (SK Management), Agnieszka Kühn (Mercedes-Benz), Aleš Prešern (Siemens Energy Austria), Sebastian Schlund (Fraunhofer Austria), Caroline Trips (Trips / IHK Würzburg-Schweinfurt), Philipp Wassenberg (Ergo Versicherung) und Helmut Weinwurm (Robert Bosch GmbH) berufen.
Mit diesen Neubesetzungen möchte die DHK ihre Rolle als Plattform für Dialog und Kooperation zwischen führenden Wirtschaftsvertreter:innen beider Länder unterstreichen.
Der Abend im Palais Ferstel klang mit einer kulinarischen Reise durch Deutschland und Österreich aus. Gespräche und Networking kamen dabei ebenso wenig zu kurz wie die Präsentation ausstellender Unternehmen aus dem Mitgliederumfeld.
LEADERSNET war bei der Generalversammlung. Fotos sehen Sie in unserer Galerie.
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