LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Höger, warum ist Data Governance heute so entscheidend für Unternehmen – gerade in der Industrie?
Werner Höger: Data Governance bedeutet im Kern, ein klares Verständnis über die eigenen Daten zu entwickeln: Wo befinden sich diese Daten? In welcher Qualität liegen sie vor? Wer trägt im Unternehmen die Verantwortung dafür? Erst wenn diese Grundlagen durch eine systematische Kategorisierung, Katalogisierung und eine Bewertung der Datenqualität geschaffen sind, können Unternehmen aus ihren Daten verlässliche Schlüsse ziehen und sie sinnvoll für geschäftliche Entscheidungen nutzen.
Für jedes Unternehmen ist das wichtig, aber in der Industrie gewinnt es eine besonders hohe Bedeutung. Der Grund dafür liegt im Unterschied zwischen digitalen und physischen Projekten. Während in klassischen Digitalisierungsprojekten – etwa beim Einsatz eines Chatbots – gewisse Ungenauigkeiten noch tolerierbar sind, gilt das im industriellen Umfeld nicht. Produktionssysteme oder Maschinensteuerungen kennen keine Abweichungen: Dort gibt es lediglich "funktioniert" oder "funktioniert nicht". Eine fehlende Zuverlässigkeit in den Daten kann unmittelbare Auswirkungen auf Abläufe, Sicherheit und Effizienz haben.
Die Industrie arbeitet zudem zunehmend an der Schnittstelle zwischen realer und digitaler Welt. Unternehmen wie Siemens sprechen hier von "Physical AI" – ein Feld, das sich nicht auf rein digitale Projekte im üblichen Sinne beschränkt, sondern die Verschmelzung von physischer Infrastruktur und digitalen Technologien beschreibt. Genau in diesem Bereich sind höchste Datenqualität und eine saubere Governance unverzichtbar, weil Fehler oder unklare Datenbestände unmittelbare Folgen in realen Systemen haben können.
LEADERSNET: Wie erleben Sie den Umgang österreichischer Unternehmen mit Data Governance? Sind wir hierzulande gut aufgestellt oder gibt es noch Nachholbedarf?
Höger: Der österreichische Markt ist stark mittelständisch geprägt, insbesondere in industriellen Regionen wie Oberösterreich. Viele dieser Unternehmen gehen beim Thema Data Governance eher konservativ vor. Häufig liegt dies daran, dass Unternehmen den langfristigen Wert sauber gepflegter Daten noch nicht vollständig erkannt oder verinnerlicht haben. Anfangsinvestitionen erscheinen daher zunächst als zu hoch. Doch gerade diese unterlassene Entscheidung holt viele Unternehmen später oft rasch und mit spürbaren Folgen ein.
Selbst wenn man überzeugende Business Cases präsentiert, etwa deutliche Einsparpotenziale, reagieren viele dennoch zurückhaltend. Manche sagen offen, dass sie das Thema "zu einem späteren Zeitpunkt" angehen möchten, obwohl sie damit Chancen auf Effizienzsteigerung und Wettbewerbsfähigkeit ungenutzt lassen. Gerade weil Transformationsprozesse Zeit benötigen, ist es problematisch, wenn man zu lange wartet. Unternehmen, die früh beginnen, werden langfristig im Vorteil sein; wer zu spät startet, läuft Gefahr, den Anschluss zu verlieren und diese Lücke kaum mehr schließen zu können.
LEADERSNET: Was braucht es von Unternehmerseite, um Daten wirklich als strategisches Gut zu begreifen und entsprechend zu managen? Wie kann man Organisationen dafür sensibilisieren, dass Data Governance kein reines IT-Thema, sondern ein Führungsauftrag ist?
Höger: Data Governance ist eine klare Managementaufgabe. Sie betrifft sämtliche Bereiche eines Unternehmens, von der Führungsebene bis in jede einzelne Fachabteilung. Wenn innerhalb des Managements kein Verständnis und kein klares Commitment vorhanden sind, wird das Thema in den unteren Ebenen nicht nachhaltig verankert werden können. Ohne klare Governance-Strukturen, definierte Verantwortlichkeiten und Rückhalt aus dem Management wird die Umsetzung unweigerlich ins Stocken geraten.
Deshalb beginnen wir häufig mit Workshops für die Führungsebene, um Bewusstsein für die Bedeutung von Data Governance, Digitalisierung und KI zu schaffen. Diese Awareness ist der erste Schritt, um eine strategische Ausrichtung zu ermöglichen. Wenn das Management hinter dem Thema steht, gehen wir in die Fachabteilungen und betrachten konkrete Use Cases, analysieren Datenqualität und identifizieren Potenziale. Unser Ansatz zielt zudem darauf ab, Daten aus der IT-Silo-Denke herauszulösen und jede Fachkraft dazu zu befähigen, eigenständig und kompetent damit umzugehen.
LEADERSNET: Die EU hat mit NIS2 und dem Data Act neue Rahmenbedingungen geschaffen – hat das die Haltung in den Unternehmen bereits spürbar verändert?
Höger: Die neuen regulatorischen Vorgaben haben definitiv Bewegung in das Thema gebracht. Sie wirken sensibilisierend und schaffen ein größeres Bewusstsein dafür, dass Unternehmen aktiv werden müssen. Besonders größere Unternehmen, die direkt unter NIS2 fallen, erkennen, dass sie sich intensiver mit Datenqualität, Datenschutz, Security und strukturellen Anforderungen auseinandersetzen müssen.
Dabei wird auch deutlich, dass rein technische Maßnahmen nicht ausreichen. Neben Sicherheits- und Datenschutzthemen müssen Unternehmen Prozesse und Strukturen anpassen sowie Verantwortlichkeiten neu definieren. All das kann nur funktionieren, wenn die Führungsebene die entsprechenden Rahmenbedingungen schafft. Governance wird dadurch noch stärker zu einem zentralen Bestandteil des organisatorischen Fundaments.
LEADERSNET: Ein Schlüsselbegriff ist Data Literacy – also der kompetente Umgang mit Daten. Welche Rolle spielt dieses Thema in der Arbeit von IT-PS?
Höger: Data Literacy bedeutet, Daten lesen, verstehen und so interpretieren zu können, dass man daraus schlussendlich geschäftliche Erkenntnisse ableiten kann. Das umfasst zu wissen, welche Daten im Unternehmen vorhanden sind, wie sie strukturiert sind und welchen Nutzen sie haben können. Ohne dieses Verständnis bringt selbst eine große Datenmenge keinen Mehrwert.
Data Literacy ist daher ein entscheidender Enabler für Data Governance, KI-Projekte und alle datengetriebenen Ansätze. Genau das ist unser Steckenpferd und in diesem Bereich liegen unsere Stärken: Unser Team aus Data Engineers, Data Scientisten und Data-Governance-Spezialist:innen begleitet Unternehmen dabei, Data Excellence aufzubauen. Wir schaffen Strukturen, die klarmachen, wo Daten herkommen, wer dafür verantwortlich ist und in welcher Qualität sie vorliegen. Diese Basis ist notwendig, um weitere Datenprojekte zuverlässig und effizient umsetzen zu können.
LEADERSNET: Was kann IT-Power Service konkret leisten, um Unternehmen bei der Entwicklung von Datakompentenz und einem tragfähigen Data-Governance-Modell zu unterstützen?
Höger: Wir verfügen über ein breites Leistungsangebot und langjährige Erfahrungen. Eine unserer wichtigsten Erkenntnisse ist, dass man ein datengetriebenes Projekt nicht in einer Fachabteilung starten darf, ohne vorab die Datenlage gründlich zu prüfen. Oft zeigt sich, dass Daten fehlen oder nicht in der benötigten Qualität vorhanden sind. Manche Analysen benötigen zudem Daten aus vielen Jahren, nicht nur aus wenigen Monaten.
Deshalb beginnen wir meist mit einem Data-Governance-Projekt, analysieren die Datenlandschaft, bewerten die Datenqualität und schaffen Transparenz. Erst danach geht es in Richtung Use Cases und konkrete Anwendungsfälle, wie beispielsweise im Bereich der KI. Zusätzlich begleiten wir Unternehmen im Change Management, um Unsicherheiten abzubauen und Akzeptanz zu schaffen. Darüber hinaus begleiten wir Unternehmen dabei, Vertrauen im Umgang mit Daten aufzubauen und Akzeptanz nachhaltig zu stärken.
LEADERSNET: Viele IT-Dienstleister punkten besonders in Datenprojekten. Worin liegen die spezifischen Stärken von IT-PS und was unterscheidet Ihr Unternehmen in diesem Bereich vom Markt?
Höger: Unsere besondere Stärke liegt in unserer Breite und Erfahrung – vom ersten Schritt der Datenbereinigung bis hin zu hochentwickelten KI-Lösungen: Wir kennen den gesamten Datenlebenszyklus – und wir verstehen Daten. Wir kommen aus komplexen Datacenter-Umgebungen und verfügen über tiefes Know-how in Bereichen wie Infrastruktur, Backup, Daten-Security und BI. Diese Grundlagen sind essenziell, um anspruchsvolle Datenprojekte erfolgreich umzusetzen.
Wir betrachten die gesamte Datenlandschaft: von den Voraussetzungen über Datenkataloge und -landkarten bis hin zur sinnvollen Verknüpfung und Korrelation von Daten. Erst diese umfassende Betrachtung ermöglicht es, echten Mehrwert zu schaffen und datenbasierte Entscheidungen im Unternehmen zu unterstützen.
LEADERSNET: Künstliche Intelligenz ist derzeit in aller Munde – wird KI Ihrer Einschätzung nach in Österreich tatsächlich breit skalieren können und welche ethischen Leitlinien braucht es, damit KI in der realen Wirtschaftswelt verantwortungsvoll eingesetzt wird?
Höger: KI ist längst im Alltag angekommen, insbesondere im Consumer-Bereich. Dort ist die Qualität mancher Systeme, etwa bei halluzinierenden Large Language Modellen, zwar problematisch, aber für Endnutzer:innen oft noch tolerierbar. In der Wirtschaft ist die Lage jedoch anders: Unternehmen benötigen verlässliche Ergebnisse. Deshalb wird KI in der Wirtschaft zunächst nur in sehr klar abgegrenzten und überschaubaren Bereichen eingesetzt, in sogenannten Inselprojekten. Wir als IT-PS haben solche Projekte bereits umgesetzt: immer dann, wenn Fragestellungen entstehen, die sich mit menschlichen Methoden oder klassischen Vorgehensweisen nicht mehr zufriedenstellend lösen lassen, kommt KI unterstützend zum Einsatz.
Wichtig ist in jedem Fall, den Menschen weiterhin in den Mittelpunkt zu stellen. KI-Systeme sind unterstützende, nicht ersetzende Lösungen. Damit solche Technologien im Unternehmen akzeptiert und verantwortungsvoll eingesetzt werden können, braucht es intensives Change Management. Mitarbeiter:innen und Führungskräfte müssen abgeholt und informiert werden, damit Unsicherheiten und Ängste gar nicht erst entstehen.
Darüber hinaus ist es wichtig, klar zwischen unterschiedlichen Formen von "KI" zu unterscheiden. Viele Lösungen, die heute als KI bezeichnet werden, beruhen auf vordefinierten Regeln, statistischen Modellen oder klassischen Machine-Learning-Verfahren. Dabei handelt es sich durchaus um echte KI im Sinne datengetriebener Mustererkennung – jedoch nicht um Systeme mit echter Autonomie oder genereller Lernfähigkeit.
KI-Systeme, die selbstständig neues Wissen generieren, sich ohne menschliche Anleitung weiterentwickeln oder kontextübergreifendes Verständnis besitzen – also eine allgemein lernfähige künstliche Intelligenz (AGI) – sind aus heutiger Sicht noch nicht marktreif und insbesondere in sensiblen Bereichen derzeit nicht verantwortungsvoll einsetzbar.
LEADERSNET: Vielen Dank!
www.it-ps.at
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