Interview mit Helmut Mojescick
Arm, ärmer, Altersarmut

| Redaktion 
| 29.10.2025

Wir alle träumen von einem sicheren Leben im Alter, doch die Realität ist oft ernüchternd. Altersarmut trifft zunehmend Menschen, die darauf vertraut haben, dass harte Arbeit und Pension für ein sorgenfreies Altern ausreichen. In dieser Interviewserie geben Expert:innen spannende Einblicke und zeigen, worauf es wirklich ankommt. 

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Mojescick, viele Menschen vertrauen darauf, dass ihre erarbeiteten Jahre im Berufsleben automatisch für ein gutes Auskommen in der Pension sorgen. Ist dieses Vertrauen berechtigt – oder steckt dahinter ein gefährlicher Trugschluss?

Helmut Mojescick: Es ist leider ein Trugschluss. Vor 40 oder 50 Jahren war die staatliche Pension in Österreich stark genug, um den gewohnten Lebensstandard im Alter weitgehend zu sichern. Doch heute sieht die Realität anders aus: Die Menschen leben länger, Geburtenraten sinken, und damit verschiebt sich das Verhältnis zwischen Einzahler:innen und Empfänger:innen. Das Umlageverfahren – also das Prinzip, dass die Jüngeren für die Älteren zahlen – steht zunehmend unter Druck.

LEADERSNET: Warum wurde auf politischer Ebene nicht schon früher klar darauf hingewiesen, dass das Pensionssystem langfristig an seine Grenzen stoßen könnte?

Mojescick: Es wurde sehr wohl darauf hingewiesen, bereits vor Jahrzehnten! Bereits in den 1970er-Jahren hat Finanzminister Dr. Hannes Androsch auf die Gefahr aufmerksam gemacht, dass das staatliche System alleine nicht reichen wird. Andere Länder, allen voran die Schweiz, haben daraus gelernt und das Drei-Säulen-Modell von der Theorie in die Praxis umgesetzt: eine staatliche Grundpension, eine betriebliche Vorsorge und eine private Vorsorge. Dieses Zusammenspiel sorgt für Stabilität – auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. In Österreich dagegen wurde die erste Säule jahrzehntelang überbeansprucht. Das rächt sich nun.

LEADERSNET: Was bedeutet das für die Menschen konkret?

Mojescick: Altersarmut ist längst kein theoretisches Problem mehr, sondern Realität. Besonders Frauen sind gefährdet, weil sie häufiger Teilzeit arbeiten oder durch Kindererziehung und Pflegezeiten Lücken in der Erwerbstätigkeit haben. Wenn dann noch ein niedriges Einkommen hinzukommt, reicht die gesetzliche Pension kaum, um die Fixkosten zu decken.

LEADERSNET: Welche gesellschaftlichen Folgen befürchten Sie, wenn diese Entwicklung weitergeht?

Mojescick: Wenn immer mehr Menschen im Alter auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, steigt der Druck auf das Budget und damit auf jede:n Einzelne:n von uns. Gleichzeitig sinkt das Vertrauen in das System, weil viele sehen, dass sie trotz jahrzehntelanger Arbeit kaum mehr bekommen, als man zum Überleben benötigt. Das ist nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine emotionale Frage – es geht um Würde im Alter.

LEADERSNET: Welche Lösungsansätze sehen Sie?

Mojescick: Es gibt mehrere. Einer ist, die steuerlichen Rahmenbedingungen zu verbessern – etwa durch eine Erweiterung des § 3 Abs. 1 Z 15 des Einkommenssteuergesetz (EstG) – dieser umfasst die Arbeitgeberleistungen zur Zukunftssicherung für Arbeitnehmer:innen –, damit betriebliche Vorsorgemodelle sowohl für den Dienstgeber als auch für Dienstnehmer:innen attraktiver werden. In der Schweiz wird dieses System bereits sehr erfolgreich gelebt. Auch die betriebliche Altersvorsorge nach dem Betriebspensionsgesetz hat bei uns enormes Potenzial, das kaum genutzt wird. Und dann gibt es natürlich die private Vorsorge – sei es durch Immobilien, Investmentfonds, Lebensversicherungen oder andere Modelle. Wichtig ist, dass die dritte Säule der privaten Vorsorge nicht länger als "Luxus" für Besserverdiener:innen verstanden wird, sondern als Notwendigkeit und elementarer Bestandteil eines funktionierenden Pensionssystems.

LEADERSNET: In anderen Ländern scheint dieses Bewusstsein stärker ausgeprägt zu sein. Warum hinken wir Ihrer Meinung nach in Österreich nach?

Mojescick: Weil das Thema zu lange tabuisiert wurde. Jahrzehntelang wurde suggeriert, dass der Staat sich schon darum kümmern wird. Viele Menschen verlassen sich darauf, ohne zu hinterfragen, wie das Pensionssystem tatsächlich funktioniert. Aufklärung und Bildung spielen hier eine Schlüsselrolle. Finanz- und Vorsorgewissen sollten in der Schule genauso selbstverständlich vermittelt werden wie Sprachen oder Geschichte. Nur wer versteht, wie das System funktioniert, kann verantwortungsvoll handeln.

LEADERSNET: Viele sagen, sie könnten sich Vorsorge ohnehin nicht leisten. Was entgegnen Sie?

Mojescick: Dass Wegschauen keine Lösung ist. Niemand muss sofort große Summen investieren. Auch kleine, regelmäßig zurückgelegte Beträge wirken über die Jahre – Zinseszinseffekt und Disziplin machen viel aus. Jeder Schritt zählt. Entscheidend ist, überhaupt zu beginnen. Wer sich frühzeitig informiert, verschafft sich Freiheit und Sicherheit. Wer es nicht tut, riskiert, im Alter von anderen abhängig zu werden – von der Familie, vom Staat oder von Zufällen.

LEADERSNET: Was raten Sie den Leser:innen?

Mojescick: Man sollte das Thema nicht vor sich herschieben. Die eigene Zukunft ist kein unbequemer Termin, den man endlos verschieben kann. Jeder kann etwas tun – egal, in welchem Alter. Wer heute beginnt, sich aktiv mit seiner finanziellen Absicherung zu beschäftigen, gewinnt Sicherheit, Unabhängigkeit und Würde. Altersarmut ist oftmals kein Schicksal, das einfach "passiert" – sie ist das Ergebnis von Entwicklungen, auf die man reagieren kann und sollte. Und genau deshalb ist es so wichtig, das Thema nicht zu verdrängen.

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Zur Person und weitere Infos

KR Helmut Mojescick ist Obmann der Fachgruppe Versicherungsmakler in der WK-Wien, unterrichtet an diversen Universitäten und Fachhochschulen, ist gerichtlich beeideter Sachverständiger und Experte für Versicherungsfragen.

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