"Es ist nicht alles Gold, was glänzt", meint UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer mit Blick auf die heimische Tourismusbranche: Zwar kann diese 2025 einerseits erneut Rekorde bei Gästeübernachtungen und Einnahmen verzeichnen, doch andererseits liegen die realen Tourismuserlöse aufgrund der anhaltend hohen Teuerung weiterhin deutlich unter dem Vor-Pandemie-Niveau. "Die Gäste reagieren auf die hohen Preissteigerungen mit der Buchung günstigerer Unterkünfte und Einsparungen bei Nebenausgaben. Im internationalen Vergleich verliert die Urlaubsdestination Österreich an preislicher Wettbewerbsfähigkeit und Anziehungskraft. Die hohe Bedeutung des Tourismus für die österreichische Wirtschaft ist bedroht", so der Experte.
Inlandtourismus boomt
Infolge des pandemiebedingten Einbruchs setzte der Tourismussektor hierzulande zunächst zu einem starken Comeback an. So konnten 2024 erstmals mehr Übernachtungen als 2019 verzeichnet werden, mit einem Plus von 1,5 Millionen Übernachtungen (1,1 %) auf 154,3 Millionen. Dieser Trend setzte sich verlangsamt auch in der ersten Jahreshälfte 2025 fort, wodurch das Ergebnis des ersten Halbjahres 2024 mit 76,2 Millionen Übernachtungen um ein halbes Prozent übertroffen werden konnte. "Ein neuer Übernachtungsrekord für 2025 ist in Reichweite, was dem Anstieg der Übernachtungen inländischer Gäste zu verdanken wäre. Die Gästeübernachtungen aus dem Ausland stagnierten im bisherigen Jahresverlauf, offensichtlich belastet durch eine Verringerung der Attraktivität der Urlaubsdestination Österreich im Vergleich mit alternativen Urlaubszielen", erläutert UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl.
Dies lässt sich auch aus den Übernachtungszahlen der einzelnen Bundesländer ableiten: So profitierten etwa das Burgenland, Oberösterreich und die Steiermark von der besseren Entwicklung des Inlandtourismus, während Tirol und Kärnten, die traditionell einen höheren Anteil an ausländischen Urlaubsgästen verzeichnen, 2024 gar noch geringere Übernachtungszahlen als 2019 erreichten. Aufgrund der steigenden Beliebtheit des Städtetourismus konnte Wien allerdings die stärksten Zuwächse erreichen.
Einbußen bei inflationsbereinigten Tourismuseinnahmen
Neben den Übernachtungszahlen erreichten 2024 aber auch die nominellen Einnahmen aus dem Reiseverkehr mit 32,2 Milliarden Euro einen neuen Rekordwert – ein Plus von 5,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr und rund 17,8 Prozent mehr als 2019. Im ersten Halbjahr 2025 stiegen die Einnahmen weiter um 5 Prozent auf 17,1 Milliarden Euro, was auf einen neuen Jahreshöchststand im heurigen Jahr hindeutet.
Preisbereinigt lagen die Einnahmen 2024 jedoch 15,4 Prozent unter dem Vorkrisenniveau, da einer Einnahmensteigerung von knapp 20 Prozent eine Preissteigerung von 39,3 Prozent bei Beherbergung und Gastronomie gegenüberstand. Aufgrund einer anhaltend hohen Teuerung von 5,7 Prozent im ersten Halbjahr 2025 setzte sich der Rückgang der realen Tourismuseinnahmen trotz nominaler Zuwächse fort.
"Die österreichischen Tourismusbetriebe erzielen zwar nominell höhere Einnahmen, inflationsbereinigt bleibt unterm Strich jedoch weniger über als vor der Pandemie. Dies widerspiegelt der Rückgang der realen Wertschöpfung des Sektors Beherbergung und Gastronomie um 0,3 Prozent im Jahr 2024 und 2,5 Prozent im Jahresvergleich in der ersten Hälfte dieses Jahres. 2025 wird demnach voraussichtlich das zweite Jahr in Folge die Wertschöpfung des Wirtschaftssektors Beherbergung und Gastronomie real sinken, während die Gesamtwirtschaft den Weg aus der Rezession gefunden hat", so Pudschedl.
Günstigerer Urlaub im Trend
Überdies bleibt die Einnahmenentwicklung hinter dem Wachstum der Gästeübernachtungen zurück: Der reale Wert der täglichen Ausgaben von Tourist:innen in Österreich liegt derzeit nur noch bei 85 Prozent des Niveaus vor Ausbruch der Corona-Pandemie. "Der starke Anstieg der Preise in der Gastronomie und in der Beherbergung hat den Wunsch nach Urlaub in Österreich nicht gebremst. Die in- und ausländischen Gäste konnten bzw. wollten jedoch ihr Urlaubsbudget nicht entsprechend der Preisentwicklung erhöhen, sondern haben angesichts der Verteuerung ihr Ausgabeverhalten adaptiert", meint Pudschedl. Demnach würden die Tourist:innen vor allem bei Nebenausgaben wie Restaurantbesuchen sparen, aber im Vergleich zu früher auch tendenziell günstigere Unterkünfte buchen.
So zeigen die aktuellen Zahlen etwa einen Wandel in den Buchungen von Hotels, die 2024 im Vergleich zur Vorkrisenzeit um 3,4 Prozent zurückgegangen sind. Allerdings sind dafür primär Rückgänge bei Hotels der niedrigeren Ausstattungskategorien verantwortlich, während Übernachtungen in 4- bis 5-Sterne-Hotels um 0,5 Prozent zu 2019 zugenommen hätten. Darüber hinaus ist auch die Anzahl der Übernachtungen in privaten Unterkünften gesunken, während Aufenthalte auf Campingplätzen um mehr als 19 Prozent zulegen konnten. In der ersten Jahreshälfte 2025 setzten sich die Übernachtungstrends der vergangenen Jahre nochmals fort, wobei günstige Hotels leichte Zuwächse verzeichneten, während die Nachfrage nach Campingplätzen etwas an Dynamik verlor.
Österreich im internationalen Wettbewerbsdruck
Zwar hat die österreichische Tourismuswirtschaft die pandemiebedingten Einbußen überwunden, doch der durch steigende Energiepreise ausgelöste Inflationsschock wirkt nun nachhaltig belastend. Deutliche Lohnerhöhungen zur Abfederung der Teuerung führten zu höheren Kosten und machten Preisanpassungen unumgänglich. Seit 2019 sind die Preise für touristische Dienstleistungen in Österreich um mehr als 48 Prozent gestiegen – deutlich stärker als die durchschnittliche Inflation von 30 Prozent. In anderen beliebten Reiseländern wie Frankreich, Spanien, Griechenland oder Italien lagen die Preissteigerungen im selben Zeitraum mit 16 bis 30 Prozent deutlich niedriger. Österreich hat dadurch spürbar an preislicher Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt.
"Die aktuell verzeichneten Rekordübernachtungen und nominellen Rekordeinnahmen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die hohe Bedeutung des Tourismus für die österreichische Wirtschaft mit einem direkten Wertschöpfungsanteil von 4,4 Prozent des BIP und mehr als 220.000 Beschäftigten durch den Verlust an Wettbewerbsfähigkeit auf dem Prüfstand steht. Die Herausforderung für die österreichische Tourismuswirtschaft wird in den kommenden Jahren darin bestehen, den Kostennachteil durch Produktivitätsfortschritte schrittweise wieder wettzumachen und sich mit einem höheren Qualitäts- und Erlebnisangebot stärker auf überdurchschnittlich zahlungskräftige Touristen zu fokussieren", meint Bruckbauer abschließend.
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