Stationärer Einzelhandel
Wiener sprechen sich mehrheitlich für Sonntagsöffnung aus

| Janet Teplik 
| 11.08.2025

Die Möglichkeit zu eröffnen, auch am Sonntag einkaufen zu gehen, sorgt hierzulande für hitzige Diskussionen. Im Rahmen einer Umfrage wurde nun erhoben, wie die Menschen in der Bundeshauptstadt zu dem Thema stehen. 

Was für Dän:innen, Griech:innen, Italiener:innen oder auch Niederländer:innen normal ist, sorgt in Österreich für ordentlich Gesprächsstoff. Die Rede ist von Sonntagsöffnungen im stationären Einzelhandel. Obwohl diese auch wirtschaftliche Vorteile bringen können, scheinen die Nachteile schwer zu wiegen. So könnten Sonntagsöffnungen nicht nur zusätzliche Kund:innen ins Geschäft holen, sondern auch die Bindung zu diesen stärken. Darüber hinaus kann die erhöhte Kundenfrequenz dienlich sein, den Umsatz zu steigern – insbesondere in den touristischen Regionen. Doch ein weiterer betrieb-reicher Tag unter der Woche bedeutet auch zusätzliche Kosten für Personal, Energie und Organisation, die durch die Umsätze gedeckt werden müssen. Zudem steht die Frage der sozialen Gerechtigkeit im Raum, denn die Mehrheit der Beschäftigten im Einzelhandel sind Frauen (75 %) – und eine Vielzahl von ihnen sind auch Mütter, die sich somit um eine zusätzliche sonntägliche Betreuung für den Nachwuchs kümmern müssen. Kritik gibt es aber auch seitens der Kirche, die grundsätzlich die Sonntagsruhe befürwortet. Sie sieht im Sonntag den Tag der Besinnung und gemeinsamen Zeit mit der Familie, der nicht durch kommerzielle Interessen überlagert werden dürfe. 

Dennoch wird das Thema Sonntagsöffnungen immer wieder diskutiert – primär in der Bundeshauptstadt. Denn während in den Bundesländern Ausnahmeregelungen in Form von Tourismuszonen bestehen, sind diese in Wien zum Beispiel auf Bahnhöfe beschränkt. Das Institut für Handel, Absatz und Marketing (IHaM) ist daher der Frage nachgegangen, inwieweit die Möglichkeit zum Einkaufen im stationären Einzelhandel am Sonntag überhaupt von den Wiener:innen genutzt werden würde und hat dafür im Dezember 2024 1.005 Konsument:innen zwischen 16 und 74 Jahren befragt – mit einem durchwachsenen Ergebnis.

Mehrheit der Wiener:innen lehnt sonntägliches Shopping nicht ab

Von den befragten Wiener:innen im Alter von 16 bis 74 Jahren haben 23 Prozent angegeben, bei entsprechenden Möglichkeiten sicher (auch) Sonntage für ihre Einkäufe im stationären Handel zu nutzen. Weitere 40 Prozent gaben an, sie würden zumindest "ab und zu" sonntags einkaufen gehen, wenn es möglich wäre. Damit würden in Wien deutlich mehr Konsument:innen (63 %) eine Sonntagsöffnung nutzen als in den weiteren Bundesländern (48 %). 

Außerdem zeigte sich ein differenziertes Bild mit Blick auf das Alter der Befragten. Während die Generation Z (1997–2012) zu 74 Prozent auch sonntags im stationären Handel einkaufen würde, sinkt das Interesse daran mit steigendem Alter deutlich ab. In der Gen Y (1981–1996) befürworten 67 Prozent eine Sonntagsöffnung, während in der Gen X (1956–1980)  56 Prozent zumindest "ab und zu" an Sonntagen einkaufen würden. Bei den Babyboomern (1946–1964) erreicht der Wert nur mehr 53 Prozent. 

Unterschiedliche Gründe für einen sonntäglichen Einkauf

Die Gen Z würde generell einfach gerne auch am Sonntag einkaufen gehen. Die Gen Y wiederum verspricht sich von einem zusätzlichen Verkaufstag mehr Ruhe beim Einkaufen, weil es unter der Woche zeitlich schwierig ist, alle Besorgungen zu erledigen. Die Gen X blickt über die eigene Landesgrenze hinaus und argumentiert, dass in vielen europäischen Ländern bzw. Städten die Geschäfte bereits sonntags geöffnet haben. Und die Babyboomer sehen eher das Wirtschaftliche und sprechen sich für eine Öffnung aus, weil so der Wiener Einzelhandel unterstützt werden könnte. 

Auch wenn die Mehrheit eine Sonntagsöffnung befürwortet, sprechen sich 37 Prozent der Wiener:innen dagegen aus – mit unterschiedlichen Begründungen je nach Altersgruppe. Der Hauptgrund gegen eine Sonntagsöffnung ist für die Babyboomer demnach, dass geschlossene Geschäfte am Sonntag in Österreich bzw. Wien zur Kultur gehören. Die Gen X denkt dabei eher an die Mitarbeiter:innen und ist der Meinung, dass diese auch am Sonntag freihaben sollten. Während sich die Gen Y überzeugt zeigt, dass der Sonntag eher ein Familien- und kein Einkaufstag ist. Und die Gen Z verzichtet gerne auf Shopping-Sonntage, weil sie die Zeit lieber für andere Aktivitäten wie Sport oder Kultur nutzen möchten.

Versorgung mit Lebensmittel – auch am Sonntag

Danach gefragt, welche Geschäfte die Wiener:innen sonntags gerne geöffnet hätten, haben 54 Prozent geantwortet, dass sie bevorzugt Lebensmittel einkaufen wollen. Auf dem zweiten Platz findet sich der Wunsch, nach einem Sonntagseinkauf in Drogerien bzw. Parfümerien (27 %). Es zeigt sich also, vor allem Kurzfristbedarf scheint bei der Diskussion eine Rolle zu spielen. Danach folgen modische Branchen: Bekleidung (27 %) und Schuhe (23 %). Langfristbedarf mit Elektroartikel, Möbel usw. ist aus der Sicht der Wiener:innen beim Sonntags-Shopping weniger relevant. Zudem zeigte sich, dass die Gen Y im Vergleich der Alterskohorten häufiger Mode am Sonntag einkaufen würde. Die Babyboomer setzen verstärkt auf Langfristbedarf, und die Gen Y sowie Z wünschen sich Kurzfristbedarf. 

"Wien tickt anders – und will am Sonntag shoppen. Nirgendwo sonst ist das Interesse der Konsument:innen an einer Sonntagsöffnung so groß", interpretiert Ernst Gittenberger, Leitung Centre of Retail and Consumer Research IHaM Institut für Handel, Absatz und Marketing, die Analyseergebnisse. "Doch macht eine Ladenöffnung am siebenten Tag der Woche überhaupt Sinn? Ohne Plan entsteht ein harter Wettbewerb, bei dem vor allem große Player gewinnen. Wien könnte dabei kleinere Städte leerfegen – der Wien-Sonntagsausflug zur neuen Einkaufsroutine werden. Für Wien wäre die Sonntagsöffnung auch touristisch ein Signal – aber die Spirale aus Expansion und Verdrängung würde sich schneller drehen."

Christoph Teller, Institutsvorstand, ergänzt: "Unsere Studienergebnisse spiegeln die Perspektive einer Anspruchsgruppe wider: der Konsument:innen. Doch zu den "Betroffenen" zählen auch Arbeitnehmer:innen, Familienmitglieder, Gemeindemitglieder etc. Eine Ausdehnung der bestehenden Ladenöffnungszeiten betrifft das ganze soziale Gefüge: Freizeit, Wochenstruktur, Arbeitswelt. Wer gewinnt? Wer verliert?" Er betont, dass nicht der Handel oder die Konsument:innen entscheidend seien, sondern die Gesellschaft. "Und vielleicht ist das, was wir aktuell haben, näher am Optimum als gedacht. Denn jede Veränderung hat einen Grenznutzen – und auch einen Preis. Wer nur auf Wünsche hört, läuft Gefahr, das Gleichgewicht aus den Augen zu verlieren", so Teller abschließend. 

www.jku.at

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