Europaweite Umfrage
Für Unternehmen wird Nachhaltigkeit zur wirtschaftlichen Schlüsselfrage

Trotz Klimakrise, geopolitischer Risiken und regulatorischer Vorgaben wie der CSRD oder dem EU-Lieferkettengesetz bleibt das Thema vielen Betrieben vom Kerngeschäft abgekoppelt. Dabei wirtschaften jene mit ESG-Fokus offenbar besser.

Nur fünf Prozent der europäischen Unternehmen haben laut einer aktuellen Umfrage Nachhaltigkeit vollständig in ihre Geschäftsstrategie integriert – und genau diese Firmen seien wirtschaftlich erfolgreicher. Das geht aus der aktuellen EY-Analyse "Europe Long-Term Value and Corporate Governance Survey 2025" hervor, für die laut eigenen Angaben 200 Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder großer europäischer Unternehmen befragt wurden – darunter auch welche in Österreich.

Nachhaltigkeit vielerorts Nebensache

Trotz Klimakrise, geopolitischer Risiken und regulatorischer Vorgaben wie der CSRD oder dem EU-Lieferkettengesetz bleibe Nachhaltigkeit in vielen Unternehmen vom Kerngeschäft abgekoppelt. Laut der Studie hätten 39 Prozent von Reputationsschäden in Medien oder sozialen Netzwerken aufgrund unzureichender ESG-Maßnahmen berichtet. Bei über einem Viertel sei es sogar zu öffentlichem Protest oder aktivistischem Druck gekommen.

Nur fünf Prozent der befragten Unternehmen verfolgten demnach eine vollständig integrierte Nachhaltigkeitsstrategie. Weitere 22 Prozent hätten ESG-Ziele zumindest teilweise in die Unternehmensstrategie eingebettet. Diese Gruppe zeige durchgängig bessere Kennzahlen: Sie blicke um 40 Prozent optimistischer auf die Geschäftsentwicklung, gelte als innovationsstärker, sei attraktiver für Investoren und erfolgreicher im Recruiting.

"Diese Ergebnisse spiegeln auch den Trend der letzten Jahre wider, in denen Nachhaltigkeit zwar unternehmensstrategisch weiter an Bedeutung gewonnen hat, hinsichtlich der Verankerung von ESG-Kriterien in der Performancebeurteilung allerdings auch weiterhin Aufholbedarf besteht. Vor allem jüngere (potenzielle) Arbeitnehmer:innen fordern messbare Maßnahmen, und somit ein zukunftsfittes Employer Branding mit Fokus auf ESG. Konkret sind Arbeitgeber:innen angehalten die Zeit zu nutzen, das eigene Vergütungssystem hinsichtlich der sinnvollen Integration von ESG-Kriterien zu hinterfragen, unternehmensspezifische und relevante KPIs zu definieren und zu gewichten, um auch die Vergütung mit den strategischen ESG-Zielen im Einklang zu bringen. So werden die richtigen Anreize gesetzt, um neue Mitarbeiter:innen zu gewinnen und die bestehenden Leistungsträger:innen längerfristig an das Unternehmen zu binden", betont Herwig Debriacher, Partner bei EY Österreich im Bereich People Advisory Services and Reward.

Umwelt vor Sozialem und Governance

ESG-Initiativen konzentrierten sich laut Studie derzeit stark auf Umweltaspekte: 74 Prozent der Unternehmen hätten angegeben, dass ökologische Ziele im Zentrum ihrer Strategie stünden. Bei Firmen mit über 200 Millionen Euro Umsatz liege dieser Anteil sogar bei 94 Prozent. Konkrete Umweltziele seien bei 56 Prozent der Befragten bereits implementiert worden. 17 Prozent hätten weder Ziele definiert noch Planungen in diesem Bereich.

Auch bei sozialen und Governance-Zielen zeige sich ein gemischtes Bild: In beiden Bereichen verfügten jeweils 54 Prozent über messbare Zielvorgaben. Knapp ein Viertel habe bislang weder Ziele definiert noch deren Einführung geplant.

Im Umweltbereich setzten 62 Prozent der Unternehmen auf umfassende Maßnahmen zur Nachhaltigkeit in allen Unternehmensbereichen. Der Fokus liege insbesondere auf Emissionsreduktion und Ressourcennutzung. Bei sozialen Themen stünden Diversität, Inklusion und Menschenrechte im Vordergrund. Governance-Ziele bezögen sich in erster Linie auf Werte, Ethik und Compliance.

Verantwortung für ESG unterschiedlich verteilt

Die Zuständigkeit für ESG-Ziele sei unternehmensintern unterschiedlich geregelt. In 30 Prozent der Unternehmen liege sie beim Vorstand, in 21 Prozent bei spezialisierten Nachhaltigkeitsabteilungen. Die HR-Abteilung sei häufig für soziale Themen verantwortlich, Governance-Aufgaben lägen in der Mehrheit der Fälle bei der Geschäftsführung.

Als Gründe für fehlende ESG-Ziele hätten Unternehmen unter anderem mangelnde gesetzliche Verpflichtung, fehlende Ressourcen oder unklare Zuständigkeiten genannt.

ESG in der Vergütung: viel Potenzial, wenig Umsetzung

Nur jedes fünfte Unternehmen berücksichtige ESG-Ziele in seiner Vergütungspolitik – obwohl sich dieser Anteil seit 2018 fast verdreifacht habe. 22 Prozent hätten ESG-Kriterien bereits eingebunden, weitere zehn Prozent planten dies konkret. Für die Mehrheit sei das Thema allerdings noch nicht relevant. Hauptgründe seien mangelnde Bewertbarkeit und fehlende Relevanz auf Mitarbeiterebene.

Gender Pay Gap: EU-Richtlinie bringe Bewegung

Im Vorgriff auf die EU-Richtlinie zur Lohntransparenz, die bis 2026 in nationales Recht umzusetzen sei, hätten 56 Prozent der Unternehmen bereits Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gehaltsunterschiede ergriffen. Nur ein Drittel der Großunternehmen gehe dabei über gesetzliche Vorgaben hinaus.

"Da Frauen in der EU nach wie vor für gleiche oder gleichwertige Arbeit durchschnittlich 13 Prozent weniger als Männer verdienen, ist die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Lohntransparenz essenziell, um das geschlechtsspezifische Lohngefälle zu beseitigen. Je früher Arbeitgeber sich mit dieser Problematik auseinandersetzen, desto besser. Einerseits kann der diesbezüglich erforderliche Ressourceneinsatz vorausschauend besser geplant werden, andererseits geht damit eine Erhöhung der Arbeitgeberattraktivität am Arbeitsmarkt einher", so Rainer Rainer, Senior Manager bei EY Österreich, abschließend.

www.ey.com

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