Die heimische Wirtschaft sieht sich aktuell mit zahlreichen externen Herausforderungen konfrontiert – seien es nun steigende Energie- und Standortkosten, anhaltender Fachkräftemangel, geopolitische Spannungen oder Kriege. Hinzu kommt, dass in Österreich in den Jahren des Wachstums und neu erstarkender Märkte die ein oder andere wichtige Weichenstellung verabsäumt wurde, um sich zukunftsfit zu positionieren. Das räche sich nun, meint Natalie Bairaktaridis, Managing Partner und Standortleiterin von Ward Howell International (WHI) in Wien: "Die exogenen Herausforderungen und die bescheidenen Aussichten auf Erholung machen die endogenen Versäumnisse vieler Jahre schmerzlich spürbar."
Dementsprechend hat die Unternehmensberatung mit Schwerpunkt auf Executive Search und Leadership Consulting, Ward Howell International, nun eine umfassende Studie durchgeführt, in die neben eigenen Analysen und Untersuchungen auch die Ergebnisse einer breit angelegten Interviewserie geflossen sind. Dabei wurden gemeinsam mit TQS Research & Consulting insgesamt 235 hochkarätige Wirtschaftsvertreter:innen – darunter Eigentümer:innen, Vorstände und Geschäftsführer:innen – befragt, wobei unter anderem um eine Einschätzung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage gebeten und nach wahrgenommenen Herausforderungen für Führungskräfte gefragt wurde. Im Mittelpunkt stand allerdings die Frage, wie sich das Anforderungsprofil von Führungskräften ändern müsse.
Wenig Optimismus für wirtschaftliche Entwicklung
Auf die Frage nach einer Einschätzung der wirtschaftlichen Lage Österreichs zeigen sich die Befragten wenig optimistisch -wenig verwunderlich, betrachtet man Konjunkturdaten, Insolvenzstatistiken und die geopolitische Lage. So bewerten 83 Prozent der Befragten die aktuelle wirtschaftliche Situation als schlecht oder sehr schlecht. Überdies glauben 38 Prozent sogar noch an eine weitere Verschlechterung.
Auf einer Skala von eins (keine Herausforderung) bis zehn (größte Herausforderung) stellen sich laut Umfrage die Personalkosten mit 7,9 Punkten als massivstes Problem heraus – dicht gefolgt von den Themen Fachkräfte (7,57), Energiekosten (7,54) und Standortkosten (7,34). Ebenso finden sich etwa die Wettbewerbsfähigkeit, Investitionen, politische Veränderungen und die neuen ESG-Vorgaben auf der oberen Hälfte der Skala.
Aufgrund dieser vielseitigen Herausforderungen beurteilen 87 Prozent der Befragten die Anforderungen ans Management aktuell als hoch, davon 29 Prozent sogar als sehr hoch, wobei 62 Prozent noch mit einer Verschärfung in den kommenden Jahren rechnen. Kein Wunder also, dass Unternehmen zunehmend Probleme damit haben, Führungskräfte erfolgreich zu besetzen, wie 57 Prozent beklagen.
Wie kann sich das noch ändern?
Damit es hier wieder bergauf gehen kann, müsse sich einiges ändern: "Österreich hat tatsächlich in einigen Bereichen Nachholbedarf", so die WHI-Expertin. So mangelt es häufig an Transparenz hinsichtlich Karrieremöglichkeiten und Entlohnungssystemen, ebenso sind industriebezogene Gehaltsbänder oftmals nicht vorhanden. Außerdem fühlt sich die Belegschaft oftmals nicht ausreichend eingebunden, weil die vielerorts Führungsebene oft unnahbar wirkt. Überdies mangelt es potenziellen Arbeitgeber:innen an Attraktivität nach außen. Während derartige Defizite früher meist durch attraktive Vergütungspakete und zusätzliche Anreize überdeckt wurden – seien es Firmenautos, hochwertige Büroausstattung oder Ähnliches -, ist das in den heutigen Krisenzeiten kaum möglich.
"Angesichts dieser Veränderungen reichen rein zahlenbasierte Ansätze längst nicht mehr aus, um Kurskorrekturen oder gar nachhaltige Sanierungen erfolgreich umzusetzen. Vielmehr sind transparente, strategische und auf die Belegschaft abgestimmte Maßnahmen gefragt, um den aktuellen Herausforderungen wirksam zu begegnen", meint Bairaktaridis.
Neues Verständnis von Führung gewartet
Wie die Umfrage zeigt, hat sich das Verständnis der entscheidenden Kernkompetenzen von Führungskräften deutlich gewandelt: Während früher klassische Managementfähigkeiten wie Performance Management oder Datenanalyse gefragt waren, empfinden heute nur noch weniger als zehn Prozent diese als essenziell. Stattdessen ist "emotionale und soziale Intelligenz sowie Empathie" für 53 Prozent der Befragten der Schlüssel zur erfolgreichen Führung. Überdies wird von 94 Prozent wertgeschätzt, wenn Führungskräfte als Vorbilder im Umgang mit Fehlern agieren und diese offen als Chancen fürs Lernen und die Entwicklung kommunizieren. Wichtig ist zudem, dass Führungskräfte eine Balance zwischen Arbeit und Privatleben anstreben und Zugang zu flexiblen Arbeitsmodellen wie Teilzeit oder Home-Office haben.
"Es braucht ein neues Verständnis von Führung – und erfreulicherweise können wir diese Veränderung bereits beobachten", so Natalie Bairaktaridis. "Wenn ich von Führung spreche, meine ich Leadership: Persönlichkeiten an der Spitze eines Unternehmens, die mit Sozialkompetenz und Empathie agieren, ihre Teams einbinden, inspirieren und den Fokus auf das Erreichen gemeinsamer Ziele legen." Dieses moderne Verständnis von Führung scheint zunehmend in den Unternehmen Fuß zu fassen. "Aus der wirtschaftlichen Notwendigkeit heraus entwickelt sich eine neue Tugend: partizipative und transformative Führung", betont die WHI-Expertin und führt weiter aus, dass exzellente Führung sich heute nicht allein durch finanzielle Anreize gewinnen lasse. "Vielmehr bedarf es einer klaren Zielsetzung, eines 'Purpose', der Mitarbeitenden Orientierung bietet, sowie einer Arbeit, die Sinn stiftet. Führungskräfte müssen bereit sein, sich auf ihre Teams einzulassen, deren Input aktiv zu nutzen, transparent zu kommunizieren und dadurch im besten Sinne angreifbar zu sein."
Neues Führungsverständnis als Erfolgsfaktor
Wenn solche Elemente fehlen, droht Unternehmen ein Know-how-Verlust, entweder durch Kündigungen oder den schleichenden Rückzug in Form von geringerem Engagement (auch bekannt als "Quiet Quitting"). Ein neues Verständnis von Führung ist also ein entscheidender Erfolgsfaktor, denn Unternehmen, die partizipative und transformative Leadership-Ansätze leben, schaffen ein Umfeld, in dem Mitarbeitende motiviert, innovativ und langfristig engagiert bleiben. Dadurch steige, so die Expertin, nicht nur die Bindung an das Unternehmen, sondern auch die Qualität der Ergebnisse. "Besonders in Zeiten, in denen Talente rar sind, entscheidet diese Art der Führung darüber, ob Organisationen wettbewerbsfähig bleiben – oder stagnieren. Führung, die Teams einbezieht und auf Augenhöhe agiert, stärkt nicht nur die Innovationskraft, sondern auch die Resilienz und Zukunftsfähigkeit von Unternehmen."
Um neue Mitarbeiter:innen sowie Führungskräfte zu gewinnen, sei es zudem sinnvoll, im Recruiting proaktiver zu agieren und neue Ansätze zu verfolgen. So könnten Unternehmen neben klassischen Stellenanzeigen verstärkt auf Active Sourcing, also die gezielte Ansprache von Kandidat:innen, setzen.
www.ward-howell.com
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