"Der Luxus der Ignoranz gilt nicht mehr"

Laut einer Studie wird die Autoindustrie das Klimaziel des Weltklimarats bis 2050 um 75 Prozent überschreiten. Eine Hochkarätige Expert:innenrunde diskutierte über Lösungsansätze, um die Emissionen in der Fertigungs- und Lieferkette zu reduzieren.

Der Weltklimarat hat das Ziel eines maximalen Temperaturanstiegs von 1,5 Grad vorgegeben, um eine Klimakrise abzuwenden und weitere Risiken einzuschränken. Mittlerweile glauben aber selbst zahlreiche optimistische Expert:innen nicht mehr an die Erreichung dieses Ziels. Zu dieser eher negativen Einschätzung passen auch die Ergebnisse des "Pathway Report", den der Elektroautobauer Polestar gemeinsam mit Rivian und Kearney erstellt hat. Denn laut dieser Studie ist die Automobilindustrie auf dem Weg dieses Ziel bis 2050 um 75 Prozent zu überschreiten. Der Bericht will allerdings auch einen Lösungsansatz zeigen: Neben dem Umstieg auf Elektroautos und dem Ausbau erneuerbarer Energien in Stromnetzen sei es gleichzeitig notwendig, die Emissionen in der Fertigungs- und Lieferkette zu reduzieren.

Podiumsdiskussion

Wie das gelingen kann und was dazu notwendig ist, darüber diskutierten Expert:innen vor wenigen Tagen beim "Polestar Talk" in Wien. Am Podium nahmen Luise Müller-Hofstede von Circulor, Anna Leitner, Lieferkettenexpertin von Global 2000, sowie Peter Moser, neuer Rektor der Montanuniversität Leoben, Platz. Gemeinsam mit Jakob Steinschaden von Trending Topics diskutierten sie über Transparenz in der Lieferkette, die Nachverfolgbarkeit von Rohmaterialien und die Herausforderungen für die Industrie.

"Als Hersteller von Elektroautos sind wir uns unserer Verantwortung bewusst. Die Automobilindustrie muss gemeinsam mit ihren Zulieferern Emissionen in den Fertigungs- und Lieferketten reduzieren und gleichzeitig sicherstellen, dass wir die Materialien auf verantwortungsvolle Art und Weise beschaffen. Technologie hilft uns dabei, aber es fehlt immer noch an einheitlichen Standards und mehr Transparenz in der Industrie", so Thomas Hörmann, Geschäftsführer Polestar Austria, einleitend. Polestar will in Sachen Nachhaltigkeit vollständig transparent sein und veröffentlicht für seine Modelle Lebenszyklusanalysen, die den CO2-Fußabdruck der Fahrzeuge angeben. Zudem nutzt die Volvo-Schwestermarke mit chinesischem Eigentümer die Blockchain-Technologie von Circulor, um Rohstoffe zurückzuverfolgen. Dadurch sollen die Quelle sowie der Abbau und die Verarbeitung reguliert werden können.

Blockchain als Heilsbringer?

Die Blockchain-Technologie erzeugt als digitales Verzeichnis unveränderbare Transaktionsdatensätze innerhalb von Lieferketten. Im Falle von beispielsweise Kobalt enthalten diese die Herkunft, das Gewicht, die Größe, die Produktkette sowie Informationen zu den Beteiligten und ob die Lieferkettenrichtlinien der OECD eingehalten wurden. Zudem gewährleistet die Technologie, auf die u.a. auch die Digitalwährung Bitcoin aufbaut, dass sich die Daten nicht unbemerkt abändern lassen.

"Die Technologien für eine lückenlose Rückverfolgung von Rohstoffen in der Lieferkette waren lange Zeit einfach nicht verfügbar. Durch die Möglichkeiten von beispielsweise Blockchain hat sich das geändert. Diese ermöglichen eine neue Sichtbarkeit in bisher dunkle Bereiche der Lieferkette. Daten werden zu Informationen und Informationen zu Wissen. Mit diesem neugewonnenen Wissen ist es Unternehmen nun möglich die Herkunft und die Verarbeitung der Rohstoffe besser zu verstehen und somit bewusstere Einkaufsentscheidungen zu treffen", erklärt Luise Müller-Hofstede, Director of Business Development bei Circulor. Das globale Greentech-Unternehmen ist die führende Lösung von Rohstoff Nachverfolgung in EV Batterien Lieferketten.

Ruf nach strengerer Regulierung

"Die Autobranche ist ein Brennpunkt", stellt Anna Leitner, Sprecherin für Lieferketten und Ressourcen bei GLOBAL 2000 fest. "Ein E-Auto spart zwar Emissionen im Vergleich zum Verbrenner, aber die Betrachtung in größerem Kontext zeigt, dass die Probleme in der Lieferkette liegen. Denn auch in die Produktion eines E-Autos fließen viele Ressourcen. Hier müssen endlich strengere gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden". Um Ressourcenverbrauch zu verringern, brauche es eine Mobilitätswende ebenso wie Reduktionsziele für den Ressourcenverbrauch.

Umso wichtiger sei es, moderne Technologien zu nutzen, um genau hinzusehen und die Art und Weise des Abbaus von Rohstoffen, die Arbeitsbedingungen sowie die weiteren Schritte im Fertigungsprozess genau regulieren zu können.

"Es gibt unterschiedliche Arten von Tracking und Tracing. Dabei ist es eine Sache, Lieferketten abzubilden. Man muss sich aber bewusst sein, dass Rohstoffe derzeit nur in begrenztem Ausmaß verfügbar sind und Themen wie Zirkularität vermehrt in den Fokus rücken müssen", so Peter Moser, der seit 2008 den Lehrstuhl für Bergbaukunde, Bergtechnik und Bergwirtschaft an der Montanuniversität Leoben leitet.

Recycling und Wiederverwertung

Die Expert:innen diskutierten infolge auch über die Recyclingfähigkeit von Rohstoffen und wie die Wiederverwertung effizienter gestaltet werden kann. Dies betreffe vor allem Batterien, deren Anteil recycelter und recycelbarer Stoffe ab 2026 mit dem Batteriepass in der EU verpflichtend ausgewiesen werden soll.

Einig war sich das Panel darüber, dass die Auseinandersetzung mit der Herkunft von Rohstoffen und den Emissionen in den Lieferketten essenziell sei, um nachhaltige Mobilität voranzutreiben. Das wäre aber auch ein schwieriges Unterfangen, das die Industrie vor viele Herausforderungen stelle. "Mit moderner Technologie kann man genauer hinsehen, wo und wie Rohstoffe gewonnen werden. Der Luxus der Ignoranz oder des Nichtwissens gilt nicht mehr", so Müller-Hofstede abschließend.

LEADERSNET war beim Polestar Talk dabei. Fotos sehen Sie in unserer Galerie.

www.polestar.com

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