Österreichischer Lebensmitteleinzelhandel baut Regionalanteil aus

Beim Kernsortiment sind wir sogar Spitzenreiter in Zentraleuropa; die Renditen würden jedoch zu wünschen übrig lassen.

Der Handelsverband (HV) lud am Donnerstag nicht nur zum "Tag des Handels" sondern präsentierte im Rahmen einer Pressekonferenz gemeinsam mit der GAW Wirtschaftsforschung und Nielsen IQ zudem die erste österreichische Studie zur Wertschöpfungs-, Produktions- und Beschäftigungswirkung sowie zu den Umwelteffekten des heimischen Lebensmittelhandels.

Für das Studienprojekt wurde der Faktor Regionalität im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) anhand des Anteils heimischer Produkte am Gesamtkonsum beim Kernsortiment in den fünf Produktgruppen Fleisch (Rindfleisch, Schweinefleisch), Milch, Brot, Eiern und Gemüse analysiert.

Wichtigste Fakten im Überblick

  • Der Regionalitäts-Anteil bei den fünf wichtigsten Produktkategorien im LEH ist laut der Studie in Österreich mit 83,8 Prozent deutlich höher als in seinen zentraleuropäischen Nachbarländern (60 Prozent - 78 Prozent).
  • Im direkten Vergleich mit Deutschland weise Österreich einen um 5,6 Prozentpunkte höheren Anteil heimischer Produkte an der heimischen Nachfrage auf.
  • Im Rahmen von Simulationsrechnungen würde sich für die genannten Produktgruppen zeigen, dass der höhere Selbstversorgungsgrad im Vergleich mit Deutschland folgende Mehrwerte für Österreich bringe:

- Erhöhung der Wirtschaftsleistung um jährlich 460 Millionen Euro
- Erhöhung der Beschäftigung um 3.414 Jahres-Vollzeitäquivalente
- Erhöhung des jährlichen Abgabenaufkommens um 152 Millionen Euro

"Verlässlicher Partner"

"Unsere Studie belegt erstmals, dass der österreichische Lebensmittelhandel mit einem Regionalanteil von 83,8 Prozent im Kernsortiment nicht nur ein wichtiger Wachstums- und Jobmotor ist, sondern als verlässlicher Partner der heimischen Landwirtschaft auch ein Garant für Regionalität und Lebensqualität im Land", sagt HV-Geschäftsführer Rainer Will. Bei Milch, Brot und Eiern stammten österreichweit über alle Verwendungszwecke wie privater Konsum oder Weiterverarbeitung in Gastronomie oder Lebensmittelindustrie mehr als 90 Prozent der Umsätze von heimischen Produkten, bei Gemüse sind es 83 Prozent und bei Fleisch immerhin rund 70 Prozent.

Gut für die Umwelt

Neben den positiven regionalwirtschaftlichen Effekten ziehe der höhere Anteil heimischer Produkte am betrachteten Gesamtumsatz der Händler:innen auch positive Umwelteffekte nach sich. Dazu zählten die Vermeidung von Lebensmitteltransporten im Ausmaß von 151 Millionen Kilometern pro Jahr sowie die Vermeidung der Emission von Treibhausgasen im Ausmaß von 18.784 Tonnen CO2 pro Jahr.

"Die Energiekrise, der Ukraine-Krieg und die Corona-Pandemie haben klar gezeigt, dass sich ein möglichst hoher Selbstversorgungsgrad in der Landwirtschaft sowie ein hoher Anteil an heimischen Produkten in den Regalen des Lebensmittelhandels positiv auf unsere Krisenresilienz auswirken. Der Faktor Regionalität reduziert nicht nur unsere Abhängigkeit von internationalen Lieferketten, er verbessert auch unsere Umweltbilanz stark. Fast 19.000 Tonnen CO2  an vermiedenen Treibhausgas-Emissionen pro Jahr sprechen eine klare Sprache", so Will.

Die regionalwirtschaftlichen Effekte des LEH seien breit über viele Branchen gestreut, die Analyse berücksichtige sowohl direkte, indirekte als auch induzierte Effekte. "Der Trend zur Regionalität schafft aus Sicht der Volkswirtschaft einen Anreiz für lokale Produktion in Österreich. Damit können lange Transportwege vermieden werden und auch die Versorgungssicherheit unseres Landes mit Lebensmitteln steigt", bestätigt Studienautor Florian Wakolbinger von der GAW Wirtschaftsforschung.

Bio-Sortiment trotzt der Inflation

"Bemerkenswert ist auch, dass im österreichischen Lebensmittelhandel der Anteil an Umsätzen mit Bio-Produkten in sämtlichen betrachteten Sortimenten seit 2019 trotz multipler Krisen konstant gestiegen ist. Bei Frischmilch liegt der Bio-Anteil am Sortiment mittlerweile bei über 30 Prozent, bei Eiern und Gemüse sind es rund 25 Prozent", bestätigt Klemens Hanspeter, Senior Sales Consultant bei NielsenIQ.

2021 konnte der Bio-Gesamtumsatz bei Lebensmitteln die Marke von zwei Milliarden Euro erreichen. Und auch im laufenden Krisenjahr 2022 hätten die Bio-Umsatzzahlen der Teuerung getrotzt und befänden sich weiterhin im Aufwärtstrend.

Appell an Regierung

Generell trage der Lebensmitteleinzelhandel zwar als wichtigster Absatzmittler von Landwirtschaft und Verarbeitung stark zu deren Wertschöpfung bei, seine eigene Umsatzrendite liege allerdings laut Berechnungen von Economica bei weniger als 1 Prozent – weniger als ein Fünftel des Durchschnittswertes der gesamten Wirtschaft in Österreich.

"Allerdings werden viele heimische Lebensmittelhändler und Nahversorger aufgrund des Festhaltens der Regierung am 3-Prozent-Kriterium beim Energiekostenzuschuss durch die Finger schauen. Das ist für die gesamte Branche und damit auch für die Stadt- und Ortskerne Österreichs eine schlechte Nachricht. Der Handelsverband fordert daher weiterhin vehement eine Ausweitung des Energiekostenzuschusses auf alle betroffenen Händler, so wie dies auch der Beihilferahmen der EU-Kommission ermöglichen würde", appelliert Handelssprecher Rainer Will an die Bundesregierung.

LEADERSNET war beim Tag des Handels dabei. Eindrücke sehen Sie hier.

www.handelsverband.at

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