"Energiegemeinschaften ermöglichen es den Bürger:innen, sich aktiv an der Energiewende zu beteiligen"

LEADERSNET hat mit Leonhard Schitter, CEO der Salzburg AG, über die Herausforderungen der Energiewende, den Ausbau der Netze, die notwendige Unabhängigkeit von Russland, die Vorteile von Energiegemeinschaften, die Dekarbonisierung des Verkehrs, grünen Wasserstoff und Wünsche an die Politik gesprochen.

Eines steht laut dem Experten fest: Der Umstieg auf erneuerbare Energieformen erfordert einen gemeinsamen Kraftakt.

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Schitter, Österreich befindet sich inmitten einer noch nie dagewesenen Energiewende mit internationaler Tragweite. Bis 2030 soll unser Land Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energien beziehen. Kann dieses ambitionierte Ziel überhaupt gelingen?

Schitter: Die Salzburg AG geht den Weg klar in Richtung Dekarbonisierung und Unabhängigkeit. Letzteres ist ohnehin das Gebot der Stunde, angesichts der geopolitischen Verwerfungen. Da wir uns den EU-Klimazielen verpflichtet haben, forcieren wir den Ausbau an erneuerbaren Energiequellen massiv. Wir beziehen derzeit noch rund 40 Prozent unseres Gases aus Russland. Österreich liegt hier im Vergleich bei 80 Prozent. Die Salzburg AG hat bereits vor Jahren auf mehr Unabhängigkeit und Diversifizierung beim Gasimport gesetzt. Jetzt gilt es daher, Erneuerbare weiter auszubauen und die Unabhängigkeit zu stärken. Daher bauen wir derzeit ein zweites Biomasse-Heizkraftwerke und planen schon ein drittes. Zu unseren Zielen zählen auch der Ausbau an Photovoltaik, Wasserkraft und Windenergie. So hoffen wir, dass wir bald das erste Windrad in Salzburg betreiben können.

LEADERSNET: Wie viele konkrete Projekte forciert die Salzburg AG aktuell und von welchen Investitionssummen sprechen wir hier?

Schitter: Wir haben mit knapp 325 Millionen Euro heuer das größte Investitionsbudgets der Geschichte der Salzburg AG auf den Weg gebracht. Von dieser Summe fließen rund die Hälfte in den Ausbau von erneuerbaren Energien. Zudem werden wir in den kommenden fünf Jahren insgesamt 1,6 Milliarden Euro investieren, um Salzburg CO2-neutraler gestalten zu können, die Netze auszubauen sowie den Breitbandausbau zu forcieren. Auch Elektromobilität ist für uns von großer Bedeutung, denn die Dekarbonisierung des Verkehrs ist ein wesentlicher Schritt zur Erreichung der Klimaziele. Mehr als 100 Millionen Euro fließen etwa in den Ausbau der Netze. Wenn mehr Strom aus erneuerbaren Energien ins System eingespeist wird, bedeutet dies auch eine stärkere Belastung der Netze. Der Ausbau und Neubau von Netzen ist daher notwendig, ansonsten ist die Energiewende nicht zu schaffen.

LEADERSNET: Wie lange wird es dauern, bis sich die hohen Investitionen bezahlt machen?

Schitter: Die machen sich jetzt schon bezahlt. Die Unabhängigkeit, von der ich zu Beginn gesprochen habe, können wir nur über die Erneuerbaren erreichen. So liefert die Salzburg AG Strom aus 100 Prozent erneuerbaren Energien an ihre Kund:innen. Andererseits bauen wir auch unsere Eigenstromproduktion sukzessive aus. Unser strategisches Ziel ist es, auf 60 Prozent Eigenstromerzeugung zu kommen. Bei den aktuellen Preisen zeigt sich, dass das für uns und unsere Kund:innen der richtige Ansatz ist. Wir sind im Österreichvergleich unter den günstigsten Anbietern.

LEADERSNET: Neben der Sonne (Photovoltaik und Solarenergie) und dem Wind spielt in Österreich bei der Erzeugung sauberen Stroms auch die Wasserkraft eine entscheidende Rolle. Sind hier neue Anlagen geplant und inwieweit können bestehende Anlagen modernisiert werden?

Schitter: Die Energiewende mit 100 Prozent erneuerbarem Strom ab dem Jahr 2030 ist aus unserer Sicht nur schaffbar, wenn wir in Österreich die Wasserkraft ausbauen. Um das 2030-Ziel zu erreichen, brauchen wir in ganz Österreich 27 Terawattstunden an Zubau von erneuerbaren Energien. Dazu muss auch die Wasserkraft mit etwa sechs Terawattstunden einen Beitrag leisten. Ich selbst bin ein Verfechter der Wasserkraft, da wir mit ihr die Grundlast schaffen. Das heißt, die Sicherheit der Versorgung ist über Wasserkraft gegeben. Beim Ausbau ist es uns wichtig, sehr hohe Umwelt- und Naturschutzstandards zu setzen. Die Salzburg AG ist derzeit dabei, im Lungau ein altes Kraftwerk zu erneuern. Dort investieren wir insgesamt 11,5 Millionen Euro. Die Leistung des Kraftwerks wird dann doppelt so stark sein. Ein weiteres Projekt befindet sich entlang der Salzach, genannt "Kraftwerk Sulzau". Wenn wir die Genehmigungen erhalten, werden wir gemeinsam mit der Lichtgenossenschaft Neukirchen rund 6.000 Haushalte zusätzlich mit Ökostrom versorgen können. Ein größeres Projekt ist das Kraftwerk "Stegenwald“, wo wir eine Kooperation mit dem Verbund haben. Dabei handelt es sich um ein Wasserlaufkraftwerk im Bereich Stegenwald an der Salzach. Mit 72 Gigawattstunden erzeugtem Strom soll es 20.000 regionale Salzburger Haushalte mit Strom versorgen.

LEADERSNET: Beim Ausbau erneuerbarer Energien gibt es häufig auch Widerstand aus der Bevölkerung. So wollen viele Bürger:innen kein Windrad oder keine Starkstromleitung in der Nähe haben. Wie kann hier die Akzeptanz erhöht werden bzw. welche Schritte muss die Politik setzen, damit sich die Genehmigungsverfahren nicht über viele Jahre hinziehen?

Schitter: Einerseits ist die Energiewende mit der Abwendung von fossilen Energiequellen ein Teil der Klimawende. Unter Klimawende verstehe ich immer auch eine Wende bei Energie, Erzeugung, Mobilität, Verkehr und Wärme. Das alles sind Gemeinschaftsprojekte: Weder die Politik, die Wirtschaft oder gar die Bürger:innnen können dieses Vorhaben alleine stemmen. Es müssen alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Es braucht einen Klimapakt aller! Wir müssen uns endlich von der Nostalgie einer unberührten Natur verabschieden. Die Klimawende wird überall sichtbar sein. So, wie einst Tunnel, Eisenbahnschienen oder Strommasten sichtbar wurden und heute ganz selbstverständlich das Landschaftsbild prägen. Wenn Leonore Gewessler (Anm. Klimaschutzministerin) sagt, jedes Windrad macht uns ein Stück unabhängiger, dann ist das absolut richtig, weil es Windräder sind, die bei uns stehen und die von niemanden anderen betrieben werden können. Daher müssen wir diesen Weg der Selbstständigkeit konsequent weitergehen. Niemand kann sich da herausnehmen, dazu braucht es uns alle.

Weiters braucht es dringend – und zwar ganz dringend ­– kürzere Verfahren, da wir ansonsten keine wirkliche Planungssicherheit haben. Wir könnten eine Photovoltaikanlage in zwei Wochen bauen, eine Windkraftanlage in zwei Monaten, ein Wasserkraftwerk in zwei Jahren. Aber leider dauern die Verfahren zu lange, auch weil die Verwaltung personell nicht ausreichend ausgestattet ist. Dazu braucht es auch ein klares Bekenntnis der Politik. Es muss von Anfang an so sein, dass man sich auf der politischen Ebene dafür einsetzt und auch dafür einsteht.

LEADERSNET: Können sich hier das beabsichtigte Loslösen von der Abhängigkeit russischen Erdgases und -öls sowie die enormen Preissteigerungen der letzten Wochen positiv bemerkbar machen?

Schitter: Davon bin ich absolut überzeugt - wenn nicht jetzt, wann dann? Ich glaube, dass die Akzeptanz für den Ausbau der Erneuerbaren noch nie so groß war wie derzeit. Nun sieht man, was passiert, wenn man sich in globale Abhängigkeiten begibt, oder nicht rechtzeitig dafür Sorge trägt, einen Grundstock an Unabhängigkeit zu haben. Hinzu kommt jetzt auch die Preissituation. Bislang hat man stets versucht, Energie unter dem Gesichtspunkt sicher, sauber, aber vor allem auch leistbar zu gestalten. Das ändert sich jetzt. Unabhängigkeit hat ihren Preis. Die Akzeptanz der Bevölkerung ist meiner Meinung nach groß wie nie. Dieses Momentum müssen wir jetzt mitnehmen.

LEADERSNET: Aktuell sind auch Energiegemeinschaften in aller Munde. Wie steht die Salzburg AG zu solchen Initiativen und gibt es hier schon konkrete Projekte?

Schitter: Die Salzburg AG war bei den ersten dabei, wenn nicht überhaupt die erste, die mit dem Thema Energiegemeinschaften begonnen hat. Ich habe immer gesagt, wenn es eine Möglichkeit gibt, den Privaten oder auch anderen Kundenschichten, die Möglichkeit zu geben, selbst in die Erzeugung erneuerbarer Energien einzusteigen, dann ist die Salzburg AG die erste, die das ermöglicht und dabei unterstützt. Das haben wir auch getan. Wir haben eine eigene digitale Plattform für Energiegemeinschaften gegründet; mit viel technischem Know-how dahinter. Wir nennen sie "Enox Share" - das steht für das Teilen von erneuerbarer Energie und ermöglicht es den Bürger:innen sich aktiv an der Energiewende zu beteiligen. Ich halte die Energiegemeinschaften für ein attraktives und gutes Instrument, um unabhängige Energien zu fördern und Verständnis dafür zu schaffen.

Interessenten kommen da stark auf uns zu, weil die Salzburg AG eine hohe Kompetenz in diesen Themen besitzt und ein hohes Vertrauen genießt. Wir schaffen es, unseren Kund:innen diese Möglichkeit von der Planung und der Einrichtung bis hin zum Management, den Abrechnungsmodalitäten, etc., alles sehr einfach und sehr unkompliziert zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig steckt dahinter eine extrem komplexe und zum Teil auch sehr raffinierte Logik, die nur Technologieunternehmen wie die Salzburg AG anbieten können.

LEADERSNET: Dann kommen wir zur letzten Frage: Wie stehen Sie bzw. Ihr Unternehmen eigentlich zu grünem Wasserstoff? Spielt diese Energieform in der langfristigen Planung der Salzburg AG ebenfalls eine Rolle?

Schitter: Alle Maßnahmen, die uns in Richtung Energiewende sowie -unabhängigkeit bringen und einen sinnvollen Beitrag leisten, prüfen wir. Grünen Wasserstoff erachten wir für sinnvoll, weil es der Salzburg AG die Möglichkeit schafft, Strom, den wir selbst erzeugen, möglicherweise jedoch nicht abnehmen können, in diese Energieform umzuwandeln und damit einer sinnvollen Verwendung zuzuführen. Wir sind hier mit mehreren Projekten seit rund drei Jahren sehr stark mit dabei und versuchen dies massiv auszubauen. Und der zweite Effekt, der für die Salzburg AG ein ganz wesentlicher ist, lautet: Wasserstoff muss auch zur Dekarbonisierung im Verkehr beitragen und somit Teil der Verkehrswende sein - vor allem im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs. Hier planen wir mit verschiedenen Partnern bereits erste Projekte, bei denen wir Busse mit Wasserstoff betanken können, um dadurch beim ÖPNV die Vorteile der Dekarbonisierung auszuspielen. Das ist jedoch noch im Forschungs- und Entwicklungsstadium. Erste operative Umsetzungsmaßnahmen wird es aber beispielsweise im Bereich der Busse sehr schnell geben.

Der strategische Schwerpunkt der Salzburg AG ist es, eine vollumfassende Green-Tech-Company zu sein. Das bedeutet Grün in der Erzeugung und nachhaltig im Gebrauch und das Ganze über unser technologisches Know-how und Wissen verbunden. (ts)

www.salzburg-ag.at

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