Die Industriellenvereinigung lud zum Blackout-Gipfel

Expert:innen aus unterschiedlichen Industriesparten beleuchteten verschiedene Konzepte, um bestmöglich für den "Fall der Fälle" gerüstet zu sein. 

Rund ein Jahr nach der prekären Energieversorgungssituation in Europa lud die IV gemeinsam mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung zum breiten Dialog, um die Versorgungssicherheit auch in Zukunft zu gewährleisten und die gesamte Industrie bestmöglich auf die Gefahren eines drohenden Blackouts vorzubereiten. "Blackout betrifft alle Bereiche der Gesellschaft und Wirtschaft. Deswegen muss das Thema in allen Facetten beleuchtet werden, um bestmöglich für den Fall der Fälle gerüstet zu sein", leitete Peter Koren (IV) in den Blackout-Gipfel der Industriellenvereinigung ein.

Schulterschluss aller Akteure

Trotz der hohen Versorgungsqualität hierzulande sei ein Schulterschluss aller Akteure essenziell, da die Herausforderung eines Blackouts ebenso verzweigt und vernetzt ist wie die Energieversorgung selbst. Neben dem Erhalt der wesentlichen Infrastruktur sowie der Kommunikation und Information bereitet sich Österreichs Industrie in ihren Krisenplänen konkret auf das kontrollierte Herunterfahren vor, da einzelne Unternehmen und Standorte trotz aller Präventionsmaßnahmen und Notfallkonzepte nicht isoliert betrachtet werden können. Ein hoher Stellenwert kommt auch der Vorbereitung der Mitarbeiter:innen zu, damit diese ihren Aufgaben nachgehen können und privat bestmöglich auf den Ernstfall vorbereitet sind. Unüberhörbar ist allen Diskutanten zufolge der Appell an die Politik, eine realistische Dekarbonisierungsstrategie umzusetzen und Risiken in der Energieversorgung zu minieren.

Industrie braucht Sicherheit

Bereits jetzt müsse nahezu täglich in die Stromversorgung eingegriffen werden, um das System stabil am Laufen zu halten. "Ein Blackout ist ein ähnlich großes Risiko wie Cyberangriffe oder die Pandemie. Der Industrie kommt als Anker der Stabilität eine entscheidende Rolle zu, um das Land in herausfordernden Situationen am Laufen zu halten. Industrie schafft Wohlstand – und Wohlstand schafft Sicherheit", betont IV-Präsident Georg Knill. Um die tragende Rolle für das Gesamtsystem leisten zu können, braucht die Industrie Sicherheit und Planbarkeit sowie langfristige Strategien. Diese sind durch die zahlreichen Bedrohungsszenarien auf europäischer Ebene durch politische Instabilität essenziell. Die voranschreitende Dekarbonisierung und Digitalisierung stellen die gesamte Industrie vor langfristige Herausforderungen und neue Anforderungen an die Sicherheitssysteme. Die Industrie bekennt sich klar zur Transformation zur Klimaneutralität, so Knill. Eine sichere, ausreichende und ausfallsichere Stromversorgung stellt aber die Voraussetzung dar, damit dieser Transformationsprozess zum Erfolg führt.

"Der Wert einer gesicherten Stromversorgung ist vielen nicht bewusst"

Von einem "schmalen Grat zwischen Versorgungssicherheit und Blackout" spricht Gerhard Christiner, Technischer Vorstand der Austrian Power Grid. Das Zusammenspiel der europäischen Stromversorger mit ihren Notfallmechanismen vergleicht er mit einer Alpin-Seilschaft. Die großen Kapazitätsreserven der Vergangenheit sind nahezu aufgebraucht, wodurch die Netze am Limit betrieben werden. Im europäischen System müssen kostspielige Maßnahmen ergriffen werden, um Auslastungsspitzen abzufedern und somit die sichere Stromversorgung zu gewährleisten.

900 Millionen Menschen haben weltweit keinen Zugang zu Energieversorgung. Sie ist das robuste Fundament des Wohlstands. "Der Wert einer gesicherten Stromversorgung ist vielen nicht bewusst. Sie sichert den Zugang zu medizinischer Versorgung, Wissen, Kommunikation und betrifft alle Lebensbereiche einer modernen Wirtschaft und Gesellschaft", erklärt Christiner. Der Austrian-Power-Grid-Vorstand fordert ein Neudenken der Risikomatrix, eine langfristige Gesamtstrategie unter Einbeziehung aller Akteure, raschere Genehmigungsverfahren sowie die Nutzung aller Potentiale der Digitalisierung um die Energieversorgung zukunftsfit zu machen.

Geregeltes Herunterfahren

Auch am Flughafen Wien hat ein Blackout beträchtliche Auswirkungen, wie zuletzt bei einem Stromausfall am 8. Jänner 2021. Die Frequenzsenkung hat bis zu 200 Anlagen geschädigt. Unter anderem war die Gepäcklogistik betroffen, obwohl Österreichs größter Flughafen frühzeitig vom Netz getrennt wurde. Trotz Millionenaufwand für Schutzeinrichtungen für unterbrechungsfreie Stromversorgung, die vor den sehr häufig gewordenen Spannungseinsenkungen abschirmen, sind diese gegen Abweichungen von der Normfrequenz von 50 Hz, wie am 8. Jänner 2021, wirkungslos. "Beim Blackout können wir den Flughafen nur geordnet herunterfahren. Es ist eine Illusion zu glauben, durch individuelle Maßnahmen das große Problem lösen zu können", ist Flughafen-Vorstand Günther Ofner überzeugt.

Die ÖBB-Infrastruktur lernt aus laufenden Übungen: "Das System Bahn ist sehr komplex. Umso wichtiger ist es, für den Ernstfall gerüstet zu sein und Notfallpläne zu haben. Im letzten halben Jahr haben wir die Blackout-Vorsorge im Rahmen von konzernweiten Krisenstabsübungen gezielt durchgespielt und unser Krisenmanagement auf die Probe gestellt. Dadurch konnten wir wesentliche Verbesserungen erzielen", berichtet Johann Pluy, Vorstandsmitglied der ÖBB-Infrastruktur.

Bei Siemens Österreich bereitet man sich ebenso auf ein geregeltes Herunterfahren vor. Aus der Pandemie lernend, reduziert der Konzern seine Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten. Eine betriebseigene Stromversorgung überbrückt die Stromausfälle in den ersten Stunden "Diversität in der Energieproduktion reduziert die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts", ist Siemens-Österreich-Vorstandsvorsitzender Wolfgang Hesoun überzeugt.

So steht es um die Kommunikationsinfrastruktur

"Wir sind sehr gut auf regionale Stromausfälle wie kürzlich in Kärnten vorbereitet und können flexibel und schnell darauf reagieren um die Kommunikationsinfrastruktur aufrecht zu erhalten. Ein landesweiter Blackout wäre eine sehr große Herausforderung, hier liegt der Fokus auf den zentralen Komponenten des Netzes", berichtet Thomas Arnoldner, CEO der A1 Telekom Austria Group.

Als Teil der kritischen Infrastruktur trifft der ORF weitreichende Vorkehrungen, um produzieren zu können und die Konnektivität zu erhalten. "Zu den Kernaufgaben des ORF zählt neben Versorgung und Information auch die Sensibilisierung der Menschen im Vorfeld, um sie auf die mögliche Krisensituation vorzubereiten", führt Harald Kräuter, Technischer Direktor des ORF, aus.

Generalstabsmäßige Vorbereitung

Die Pandemie ist als sicherheitspolitisches Bedrohungsszenario in den Vordergrund gerückt. Aktuell sind 400 Soldaten im Einsatz gegen die Pandemie und das Österreichische Bundesheer hat in der "Gecko" eine Schlüsselfunktion übernommen. Bundesministerin Klaudia Tanner mahnt, andere Szenarien wie einen Blackout oder Cyberattacken nicht aus den Augen zu verlieren. "Österreich ist keine Insel der Seligen und kann die Gefahr eines Blackouts nicht ausschließen. Wie bei vielen anderen Szenarien ist das Österreichische Bundesheer die strategische Reserve der Republik. Unser Grundauftrag ist zu funktionieren, wenn nichts mehr funktioniert", so Tanner.

Neben Naturkatastrophen sieht Generalmajor Rudolf Striedinger in diplomatischen und militärischen Konflikten einen weiteren Nährboden für Cyberattacken. In diesem Zusammenhang verweist er auf den Ukraine-Konflikt. (red)

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