Die Arbeitszeiten in der Reinigungsbranche sind veränderbar

Soziologin Karin Sardadvar beschreibt, wie die Arbeitsbedingungen von Reinigungskräften zur Zufriedenheit aller Beteiligten verbessert werden können.

Atypische und zerrissene Arbeitszeiten prägen den Alltag vieler Reinigungskräfte. Dies belastet nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Gesundheit der Beschäftigten. Um auf die negativen Folgen solcher Arbeitszeiten aufmerksam zu machen fand am 15. Juni 2021 im Rahmen der EU-OSHA Kampagne 2020/22 "Gesunde Arbeitsplätze entlasten Dich" der "Tag der Reinigung" statt.

Im Zuge der Veranstaltung diskutierten Fachleute und Stakeholder internationale Forschungsergebnisse und Ansätze zur Gestaltbarkeit der Arbeitszeiten sowie weitere Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Die Ergebnisse werden nun in Form eines umfassenden Fachartikels, der von Soziologin Karin Sardadvar verfasst wurde, präsentiert:

Arbeitszeiten in der Reinigungsbranche: Wie der Umstieg auf Tagreinigung gelingen kann

Beschäftigte in der Reinigungsbranche in Österreich arbeiten häufig an den Tagesrändern und haben dadurch zerrissene Arbeitszeiten. Die Folgen sind vielfältig: Sie reichen von der Unsichtbarkeit der Arbeit über Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Erwerbs- und Betreuungsarbeit bis zu gesundheitlichen Konsequenzen. Unter anderem kann die fehlende Anerkennung Muskel-Skelett-Erkrankungen begünstigen. Doch die Arbeitszeiten in der Reinigungsbranche sind veränderbar.

Bei einer Veranstaltung im Rahmen der EU-OSHA Kampagne 2020/22 "Gesunde Arbeitsplätze entlasten Dich" anlässlich des "Tages der Reinigung" am 15. Juni 2021 diskutierten Fachleute und Stakeholder internationale Forschungsergebnisse und Ansätze zur Gestaltbarkeit der Arbeitszeiten sowie weitere Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen insbesondere in Hinblick auf Muskel-Skelett-Erkrankungen (siehe Sektion Arbeitsrecht und Zentral-Arbeitsinspektorat 2021). Im Folgenden werden einige Beispiele guter Praxis vorgestellt und es wird aufgezeigt, worauf bei der Umsetzung zu achten ist. Zuvor wird die bestehende Grundproblematik bei den Arbeitszeiten skizziert.

Arbeitszeiten von Reinigungskräften: Zerrissen und an den Tagesrändern

Kundinnen und Kunden von Reinigungsunternehmen wünschen sich häufig, dass die Reinigungsarbeit möglichst "unsichtbar" vor und nach den Arbeitszeiten ihrer eigenen Belegschaft erledigt wird. Störungen durch das Reinigungspersonal will man vermeiden. Damit aber sind tiefgreifende Folgen für Gesundheit, Arbeits- und Lebensqualität der Reinigungskräfte verbunden: Sie arbeiten häufig an den Tagesrändern, also am frühen Morgen sowie am späten Nachmittag und Abend. Und sie haben häufig geteilte Dienste, d.h. zwei kurze Schichten an einem Tag und dazwischen eine mehrstündige unbezahlte Unterbrechung (Sardadvar 2019). Diese Arbeitszeiten belasten nicht nur die Beschäftigten. Sie bedeuten auch hohen Organisationsaufwand für die Arbeitgebenden, also die Reinigungsunternehmen. Und sie verstärken die ohnehin schon bestehenden Probleme von Reinigungsbetrieben bei der Personalsuche.

Wien, Oslo, Berlin: Alternativen sind möglich

Eine Alternative zu diesen in mehrfacher Hinsicht problematischen Arbeitszeiten ist Tagreinigung. Die Reinigung zu den Büro- und Geschäftszeiten ist in den letzten Jahrzehnten unüblich geworden und Tagreinigung erscheint auf den ersten Blick oft schwer umsetzbar. Inzwischen gibt es aber eine ganze Reihe an Beispielen guter Praxis, die zeigen, wie die Umstellung auf Tagreinigung gelingen kann, auch wenn Herausforderungen damit verbunden sind.

So haben etwa in Wien bereits die meisten Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice auf Tagreinigung umgestellt und machen damit gute Erfahrungen. In Berlin wurde kürzlich ein Projekt abgeschlossen, in dessen Rahmen Tagesreinigung in Berliner Schulen eingeführt wurde (ArbeitGestalten 2021). Zwei Dinge stellten sich bei der Umstellung auf Tagesreinigung als besonders wichtig heraus: gute Kommunikation und die Einbeziehung aller Betroffenen.

Ein Forschungsprojekt an der Wirtschaftsuniversität Wien beleuchtet im Vergleich zu Österreich die Situation in Norwegen. Dort wurden die Arbeitszeiten in der Reinigungsbranche erfolgreich auf Tagesarbeitszeit umgestellt. Entscheidend war dabei, dass nicht nur die Arbeitgebenden- und Arbeitnehmendenorganisationen sich gemeinsam für das Thema engagierten, sondern dass sie – mit Kampagnen und Arbeitskreisen – aktiv auch die Kundenunternehmen einbezogen. Wichtig war außerdem, dass der öffentliche Sektor mit gutem Beispiel voranging.

Wie Umstellung gelingen kann

Eine Umstellung auf Tagreinigung sollte, so ein wichtiges Ergebnis der Diskussionen und Arbeitsgruppen auf der Tagung, gut vorbereitet und eingeführt werden. Alle Beteiligten, die die Umstellung betrifft, sollten im Vorfeld informiert werden – am Beispiel der Berliner Schulen etwa neben den Reinigungskräften die Lehrenden, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern.

In manchen Bereichen ist eine Umstellung leichter umzusetzen als in anderen – gerade dort ließe sich mit Veränderungen beginnen. So ist es etwa in größeren Bürogebäuden, wo Reinigungskräfte manche Räume zeitlich vorziehen können, wenn andere Zimmer gerade belegt sind, einfacher, Tagreinigung einzuführen als in einer Produktionsstätte mit fixen Betriebszeiten.

Wie groß die Störungen durch Reinigungstätigkeiten sind, wird indes häufig überschätzt: Die internationalen Beispiele zeigen, dass Reinigungskräfte einige Spielräume haben, ihre Arbeit so zu organisieren, dass Störungen gering gehalten werden können. So können sie etwa Räumlichkeiten zeitlich entsprechend ihrer Nutzung einteilen, oder sie sprechen sich mit den Beschäftigten des Kundenunternehmens kurz ab, wann eine Reinigung passend ist.

Vorteile für alle Beteiligten

Wird sie gut umgesetzt, kann Tagreinigung tatsächlich Vorteile für alle drei Hauptbeteiligten haben: die Beschäftigten, die Reinigungsbetriebe und die Kundenunternehmen (Sardadvar 2021). Für die Reinigungskräfte entstehen bessere Arbeitszeiten, verbunden mit Vorteilen für die Lebensqualität und Gesundheit, und für die Reinigungsunternehmen verringert sich der Organisationsaufwand. Aber auch die Kundenunternehmen können von der Verlegung auf die Reinigung in die Bürozeiten profitieren, wenn beispielsweise keine Schlüssel mehr übergeben werden müssen oder akute Verschmutzungen schnell beseitigt werden können.

www.gesundearbeit.at

Über die Autorin

Karin Sardadvar ist Soziologin und Post-doc-Wissenschafterin am Institut für Soziologie und Empirische Sozialforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien im Rahmen des Elise-Richter-Programms des Wissenschaftsfonds FWF.

Kommentar schreiben

* Pflichtfelder.

Über die Autorin

Karin Sardadvar ist Soziologin und Post-doc-Wissenschafterin am Institut für Soziologie und Empirische Sozialforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien im Rahmen des Elise-Richter-Programms des Wissenschaftsfonds FWF.

leadersnet.TV