"Es war ein Spießroutenlauf für die Kunden"

Sabrina Stückler, Geschäftsleitung behan+thurm, im Interview über neue Maßstäbe in der modernen Bürowelt,  persönliche Beratung trotz Corona und Onlineshop und warum sie veränderte Öffnungszeiten besonders verärgern.


Als Familienunternehmen besteht die Behan & Thurm Unternehmensgruppe bereits seit 1923 und war bereits damals ein gefragter Partner für Büromöbel. LEADERSNET hat Sabrina Stückler, Geschäftsleitung behan+thurm, zum Interview gebeten und mit ihr über die durch Corona entstandenen Veränderungen geplaudert.

LEADERSNET: Die Behan & Thurm Unternehmensgruppe besteht bereits seit 1923 und hat schon einige Krisen miterlebt. Wie sind Sie mit Corona umgegangen? Hat die Covid-Krise auch ihren Geschäftsbereich voll betroffen?

Stückler: Wir mussten unser Geschäft für sechs Wochen zusperren. Doch die Corona Krise machte sich bei unseren Kunden bereits in der dritten Februarwoche bemerkbar. Wir hatten bereits 2-3 Wochen vor dem Lock down am 16.03.2020  einen Foot Print und Umsatzrückgang, weil die Kunden bereits vor dem 16.03 weniger außer Haus gingen. Im Zeitraum März und April waren unsere Geschäftskunden, Architekten, Partner, etc nicht erreichbar oder nicht interessiert.  
Nach der Öffnung am 2.Mai 2020 hat sich die Situation nur minimal gebessert. Büroprojekte sind immer noch gestoppt. Viele Kunden haben Ihre Investition auf 2021 verschoben.
 
LEADERSNET: Wie haben ihre Kunden auf die Ereignisse reagiert? Aus welchen Bereichen kommen ihre Kunden eigentlich?

Stückler: Wir sind seit zehn Jahren erfreulicherweise etwas breiter aufgestellt. Bis zur Finanzkrise in 2008 hatten wir ausschließlich B2B Kunden. Der Aktienwertverlust hatte die privaten Anleger damals zum Umdenken veranlasst. Man investierte mehr in sein Eigenheim. Daher hatten wir damals unser Angebot auf den home Bereich erweitert.  Das hat uns nun etwas geholfen.

Im Mai 2020, nach der Öffnung, konnten wir einen starken Anstieg der Möbelkäufe für den Homebereich feststellen.
Im Office Segment waren es leider nur wenige Bestellungen. Die Nachfrage nach Homeoffice Schreibtischen und Stühlen war da, aber sie war überschaubar.  
 
LEADERSNET: Hatten die Geschäftspartner und Lieferanten Verständnis für die Situation?

Stückler: Da wir alle im gleichen Boot saßen, war das Verständnis zu 90 Prozent gegeben. Für alle war die Kurzarbeit eine große Herausforderung, denn manche Lieferanten und Kunden wollten weiterbetreut werden, manche nicht. Die Mitarbeiter wechselten sich im Dienst ab. Konnten somit nicht immer an allen Themen dran sein. Das hat die Arbeit bei uns und unseren Partnern oft verlangsamt.
 
LEADERSNET: Sie setzen neue Maßstäbe in der modernen Bürowelt und bieten nicht nur Einrichtung für den Officebereich, sondern auch für das Home-Office. Gewinnt dieses jetzt besonders an Bedeutung?

Stückler Ja und nein. Nur weniger Unternehmer investieren in qualitativ anspruchsvolle Büromöbel für Ihre Mitarbeiter zu Hause. Ein höhenverstellbarer Schreibtisch oder ein Drehstuhl um die 600-800 Euro ist für die meisten Firmen eine Investition, die sie in ihrem Büro tätigen, selten aber zusätzlich noch einmal für jeden Homeoffice Mitarbeiter in seinem privaten Bereich. Wir hatten einige Kunden, die sich die Homeoffice Möbel selbst bezahlt haben. Ich bin überzeugt, dass im Homeoffice langsam, Schritt für Schritt, mehr investiert werden wird.
 
LEADERSNET: Wie sieht das Büro der Zukunft aus?

Stückler: Eine Mischung aus Homeoffice und Arbeiten im Büro. Möglicherweise die 4 Tage Woche plus 1 Tag Homeoffice, dort , wo es möglich ist. Hierfür gibt es bereits intelligente Software Systeme, die erkennen, wieviel Mitarbeiter aktuell im Büro sind und wieviel Schreibtische noch frei sind.

Das hat den Vorteil, dass ein 100 MA Büro z.B nur 80 Schreibtische benötigt. Das so genannte "desk sharing". In jenen Büros, in welchen die Mannschaft damit nicht umgehen kann, wird die Quadratmeterzahl pro Mitarbeiter in den Büros bis auf Minimum reduziert. Dies hat zur Folge, dass die Mitarbeiter teilweise, wie Legehennen, auf einem 8er Platz sitzen müssen. Vier Nebeneinander und vier  vis a vis. Damit man in Ruhe telefonieren kann, gibt es dann in den Mittelzonen Telefonboxen zum Zurückziehen und konzentriertem Telefonieren, Besprechen oder Arbeiten.

Es wäre schön, wenn wir aus der Corona Krise lernen würden und eine neue Mischung schaffen könnten aus desk sharing, mehr Abstand zwischen den Mitarbeitern, mehr Privatsphäre und neue Mischformen der Kommunikationsbereiche.  
 
LEADERSNET: Welche Geschäftsfelder bieten Sie noch an?

Stückler: Wir haben in den letzten Jahren viele Akustiklösungen umgesetzt. Also die "Legehennenbüros" mit akustischen Zusatzmöbeln erträglicher gemacht. Dann finden wir immer wieder Kunden, die ein konzentriertes Arbeiten für wichtig erkennen und bei uns doppelglasige Trennwände bestellen, um die Mitarbeiterzahl pro Büro zu reduzieren.
Unser erfolgreichster Sektor ist das kreative Büro. Ein Büro von der Stange bekommen Sie bei unseren Marktbegleitern. Die sehen aber meist alle gleich aus. Man kann die einzelnen Hersteller gar nicht mehr voneinander unterscheiden. 

Unsere Kunden kommen zu uns, weil sie ein einmaliges Bürolayout suchen. Ein unverwechselbares Design. Das Briefing ist bei uns sehr intensiv und zeitaufwendig. Zuerst lernen wir unsere Kunden zu verstehen. Danach machen wir ein Konzept und überarbeiten es mit dem Kunden gemeinsam. Es ist immer eine Teamarbeit zwischen unseren Auftraggebern und unserem kreativ Team. Unsere Kunden sind immer wieder überrascht, dass unsere kreativen Büros nicht teurer sind, als jene 0815 Möbel von der Stange. Budgets einzuhalten, ist für uns selbstverständlich. Und das Ergebnis ist unser gemeinsamer Erfolg. Das macht richtig Spaß, uns und unseren Kunden .

LEADERSNET: Sie sind auch Franchise Partner von BoConcept. Wie gestaltete sich die Situation hier?

Stückler: Bei BoConcept kommt 50 Prozent unseres Umsatzes aus dem Sofabereich. Hier sind wir bei Boconcept in einem sehr sehr fairen Preissegment.  Jene Kunden, die nicht die Rabatte, sondern die Nettopreise vergleichen werden bei uns immer fündig.  Wir haben eine eigene Academy um unsere Berater das ganze Jahr über wöchentlich zu trainieren. Das hat sich bei uns nach der Öffnung sehr positiv auf den Möbelumsatz ausgewirkt. Während Covid19 besuchten unsere Kunden unseren Onlineshop. 80 Prozent unserer Käufer informieren sich bereits im Internet, bevor sie mit uns in Kontakt treten. Aber wenn sich die Kunden danach bei uns melden oder bei uns vorbeischauen, dann  muss das Team perfekt geschult sein. Denn sie haben ja bereits viele Informationen aus dem Web.
 
LEADERSNET: Wie ist der Handel ihrer Meinung nach allgemein mit der Situation umgegangen?

Stückler: Ich fand es wegen der Kurzarbeit verständlich, aber ärgerlich, dass viele Geschäfte im Mai veränderte Öffnungszeiten hatten. Das war für uns alle nicht förderlich. Da gab es einen Spießroutenlauf für unsere Kunden zwischen den einzelnen Öffnungszeiten und viele haben das Einkaufen dadurch auf das Notwendigste reduziert. Dazu kam noch die 400m² Regelung. Damit waren unsere Kunden überfordert und haben den Möbelkauf auf einen Zeitpunkt verschoben, wo sie sicher sein konnten, dass alle offen haben werden.
 
LEADERSNET: Welche Learnings können aus den Geschehnissen geschlossen werden?

Stückler: Dass jeder einzelne in Zukunft ausreichend Masken zu Hause hat, damit ein Lock Down nicht mehr notwendig wird. Wir sollten auch andere Szenarien im Kopf behalten, wie einen Black-Out . Und ich würde mir wünschen, dass wir noch intensiver über die Arbeitsqualität nachdenken, die Entschleunigung nicht ganz vergessen, und vor allem nationaler und umweltbewusster einkaufen, selbst wenn es nebenan um fünf Euro teurer ist.  
 
LEADERSNET: Ergeben sich dadurch auch Erkenntnisse für die Zukunft des Handels? Können mit der Verlagerung des Handels auf mehr Online erfolgreiche Geschäftsmodelle entwickelt werden?

Stückler: Da bin ich überzeugt davon. Im Möbelhandel werden wir auch mehr Kreativität an den Tag legen müssen, um den Anschluss nicht zu verschlafen. Aber ich halte nichts davon, einfach alles, was man im Store verkauft nun in einem Online-Shop zu verkaufen. Da muss jedes Unternehmen für sich entscheiden, ob die Kosten Nutzen Rechnung auf geht. Ein Onlineshop braucht Personal, wenn möglich quasi rund um die Uhr. Es braucht eine kostengünstige Logistik. Das ist schwierig, denn die Lagerkosten sind heute fast gleich hoch wie Büromieten, ein Glasbild zu verkaufen, benötigt bereits Herstellerseitig eine versandgerechte Verpackung, etc.

Aktuell macht der Online Handel bei uns ca. fünf Prozent aus. Ohne einen Onlineshop geht es nicht mehr. Mehr Investition in einen Onlineservice wäre in unserer Größe jedoch nicht rentabel. Es geht ja nicht nur darum ob wir drei oder 20 Prozent Umsatz im Onlineshop machen, sondern, was wir damit erreichen wollen. Mehr Frequenz im Geschäft ? Höherer Bekanntheitsgrad?  Unsere Stärke ist die persönliche und professionelle Beratung des Kunden. Damit machen wir unseren Umsatz. Und das macht uns so richtig Spaß.

www.behan-thurm.com

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